Lieblingstitel der Buchhandlungspreis-Gewinner (8)

"Manchmal muss man zu seinem literarischen Glück gezwungen werden"

19. Februar 2019
von Börsenblatt
Die Gewinner des Deutschen Buchhandlungspreises 2018 haben bei der Preisverleihung in Kassel ihr Lieblingsbuch in die Kamera gehalten. Das Börsenblatt hat bei den Buchhändlern nachgefragt, warum sie "ihr" Buch so schätzen. In Teil 8 unserer Serie haben wir die Gewinner aus Nordrhein-Westfalen gefragt:

Agnes-Buchhandlung, Köln

Uli Ormanns

Lieblingsbuch: Stefan Zweig: "Die Welt von Gestern"

Begründung: "Es gibt eine Ahnung, welch Potential in allen Bereichen der Kultur durch die beiden Kriege und die Nazizeit unwiederbringlich zerstört wurde und Stefan Zweig, obwohl Kosmopolit und mit Freunden aus der ganzen Welt gesegnet, an dem Verlust der Heimat zugrunde gegangen ist."

Buchhandlung Backhaus am Literaturhaus, Nettersheim

 Martin Schwoll

Lieblingsbuch: Alexander Schimmelbusch: "Hochdeutschland", Büchergilde, 224 S., 18 Euro

Begründung: "Ein Buch über unsere, doch überwiegend von den Märkten bestimmten Zeit, über den Einfluss der Wirtschaft auf die Politik und die Absurditäten der Hochfinanz, sowohl gesamtwirtschaftlich als auch im ganz persönlichen Rahmen (Anhäufung eines unvorstellbaren Vermögens innerhalb kurzer Zeit...). Die ganz besondere Würze dieses Buches findet sich in einer fast schon revolutionären Passage: Dem Manifest zur radikalen Umverteilung der Vermögen unserer reichsten Mitbürger."

Buchhandlung ‚Kafka & Co.‘, Detmold

Albert Lange

Lieblingsbuch: Peter Weiss: "Die Ästhetik des Widerstands", Suhrkamp, 1199 S., 38 Euro

Begründung: "Das Hauptwerk des Autors und ein Jahrhundertwerk: Autobiografisch geprägt erzählt es von den großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts, antifaschistischem Widerstand und dem Scheitern der politischen Linken. In drängender Prosa fast ohne Absätze auf fast 1200 Seiten auch ein ästhetischer Monolith."

Buchhandlung Klaus Bittner, Köln

Klaus Bittner

Lieblingsbuch: William Faulkner: "Licht im August", Rowohlt, 480 S., 19,90 Euro

Begründung: "Damit fing das Lesen an, zum ersten Mal Fieber!"

Buchhandlung Lesezeit, Düsseldorf-Kaiserswerth

Christina Esch

Lieblingsbuch: Nicholas Butler: "Shotgun Lovesongs", Klett-Cotta, 424 S., 20 Euro

Begründung: "Ein Buch, von wenigen, das es geschafft hat noch immer einen Platz in meinem Herzen zu belegen."

Buchhandlung Scheuermann, Duisburg

Elisabeth Evertz

Lieblingsbuch: Marge Piercy: "Menschen im Krieg – Gone to Soldiers", Argument, 1.000 S., 37 Euro

Begründung: "Bester Antikriegsroman! 12 Alltagsleben auf allen Kontinenten werden in der erzählten Zeit des 2. Weltkriegs verblüffend verschränkt."

Buchhandlung v. Mackensen, Wuppertal

Michael Kozinowski

Lieblingsbuch: Werner Holzwarth/Wolf Erlbruch: "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat", Peter Hammer, 24 S., 14 Euro

Begründung: "Wolf Erlbruch ist unser Nachbar und wir haben in den letzten Jahren viele schöne, gemeinsame Veranstaltungen durchgeführt, zur Freude von kleinen und großen Leserinnen und Lesern."

Buchhandlung Weber, Erkrath

Sara Willwerth

Lieblingsbuch: Astrid Lindgren: "Märchen", Oetinger, 224 S., 17 Euro

Begründung: "In meiner Kindheit hiess es: Im Wald sind keine Räuber. Im Wald sind natürlich doch Räuber und zwar der böse Fiolito, aber die Kinder wissen sich zu wehren. Das die 'Kinder' Puppen sind und im Puppenhaus leben ist mir erst als Erwachsene aufgefallen. Es war eines meiner allerliebsten Kinderbücher und noch heute liebe ich die Märchen so sehr. Unglaublich, dass kaum einer sie kennt, denn aus ihnen entstanden die 'Brüder Löwenherz' und 'Ronja Räubertocher'."

buchLaden 46, Bonn

Holger Schwab

Lieblingsbuch: Alfred Döblin: "Wallenstein", Fischer Taschenbuch, 928 S., 16,99 Euro

Begründung: "Döblin ist der beste deutschsprachige Schriftsteller des 20.Jahrhunderts. Die (erhebliche) Lesemühe des Romans bringt so viele Früchte wie kein anderes mir bekanntes Buch."

Buchsalon Ehrenfeld, Köln

Claudia Haas

Lieblingsbuch: Julia v. Lucadou: "Die Hochhausspringerin", Hanser Berlin, 288 S., 19 Euro

Begründung: "Dies ist nicht nur ein großartiges Buch, eine Dystopie in der wir erfahren, wie die Welt in 20 Jahren aussehen wird, wenn wir so weitermachen wie bisher-sondern auch eine hervorragende Autorin, deren Debutroman für große Aufmerksamkeit sorgte und für den Schweitzer Buchpreis nominiert war. Besonders kann ich es auch deswegen empfehlen, weil die junge Autorin am 17.11. in unserem Buchsalon gelesen hat und einen äußerst positiven Eindruck hinterlassen hat. - Unbedingte Leseempfehlung."

Bunt Buchhandlung, Köln

Burkhard Schirdewahn

Lieblingsbuch: Wolfgang Pohrt: "Honoré de Balzac – Der Geheimagent der Unzufriedenheit", Edition Tiamant, 144 S., 18 Euro

Begründung: "Wolfgang Pohrts Balzac-Buch ist ein glänzend geschriebener Essay über die Verwandlung der einst höfischen Auftragsliteratur zum modernen Geschäftsmodell im nachrevolutionären Frankreich."

Der andere Buchladen, Krefeld

Heinz Hüwe-Schweers und Wolfgang Behl

Hüwe-Schweers' Lieblingsbuch : Ruth Klüger: "weiter leben", Wallstein, 286 S., 14,90 Euro 
Begründung: "Lesenswert gerade heute. Ein Buch ohne Pathos, mit einer Klarheit, die verpflichtet."

Wolfgang Behls Lieblingsbuch: Hans Magnus Enzensberger: "Verteidigung der Wölfe"
Begründung: "Weil mit seinen Teilen 'freundliche Gedichte', 'traurige Gedichte' und 'böse Gedichte', besonders mit seinem Titelgedicht, schon 1957 das Wesentliche über das Mitläufertum und die (Denk-) Faulheit des 'gemeinen Volkes' im letzten Jahrhundert wie auch heute geschrieben steht; weil (ironische Ergänzung) heute die realen Wölfe gegen die Jäger verteidigt werden müssen und - nicht zuletzt - weil am Tag der Verleihung des Deutschen Buchhandlungspreises, dem 31. Oktober, der Namenstag des Hl. Wolfgang ist..."

Hilberath & Lange, Mühlheim an der Ruhr

Dr. Ursula Hilberath

Lieblingsbuch: Éric Vuillard: "Die Tagesordnung", Matthes & Seitz, 128 S., 18 Euro

Begründung: "Eric Vuillard blickt auf knapp hundert Seiten so poetisch wie komisch mit seinem minutiös sezierenden Blick auf historische Personen und Augenblicke, die die Saat für die Katastrophen des Dritten Reichs legten, so dass man sensibilisiert wird für die Notwendigkeit, gerade in der heutigen Zeit alle Warnzeichen äußerst ernst zu nehmen und auf sie zu reagieren. UND: Ich habe mich als Buchhändlerin für ein lieferbares (verkäufliches!) Buch entschieden und deshalb mein Lieblingsbuch aus dem aktuellen Jahr ausgewählt. Es gibt natürlich noch viele ewige Lieblingsbücher."

Müller & Böhm, Düsseldorf

Rudolf Müller

Lieblingsbuch: Oswald Egger: "Harlekinsmäntel & andere Bewandtnisse", Matthes & Seitz, 183 S., 16 Euro

Begründung: "Wer einmal Oswald Egger gehört hat, kann sich schwerlich der Magie dieser Gesänge entziehen. Alle seine Bücher hat er bei uns gelesen und es ist die radikalste Dichtung, die ich kenne. Die Entscheidung für gerade diesen Titel ist dem Verlag Matthes & Seitz geschuldet mit dieser wunderbaren Reihe: Fröhliche Wissenschaft."

Proust Wörter & Töne, Essen

Beate Scherzer und Peter Kolling

Beate Scherzers Lieblingsbuch: Michail Bulgakow: "Meister und Margarita", Kiepenheuer & Witsch, 608 S., 29,99 Euro
Begründung: "… weil ich es alle zehn Jahre wieder lesen kann."


Peter Kollings Lieblingsbuch: David Foster Wallace: "Der Spaß an der Sache – Alle Essays", Kiepenheuer & Witsch, 1.088 S., 36 Euro
Begründung: "Wer zu verstehen sucht, warum Amerikaner ticken, wie sie ticken, wer ihre Mentalitäten und Empfindlichkeiten verstehen will, der lese die Essays des 2008 verstorbenen David Foster Wallace. Sie sind 'Hirnschrittmacher, in denen die ganze US-amerikanische Gegenwartsliteratur zur Sprache und mit sich ins Gespräch kommt' (Ulrich Blumenbach). Ob über Tennis, Sprache oder Unterhaltungsindustrie, ob über eine Pornografiemesse, über Hassprediger im Radio oder über die Karibikkreuzfahrt: Wallace ging immer dahin, wo es wehtat. Seine Gesammelten Essays sind authentisch und stilistisch großartig!"

Unsere Buchhandlung am Paulusplatz, Bonn

Philipp Seehausen

Lieblingsbuch: Michail Bulgakow: "Meister und Margarita", Kiepenheuer & Witsch, 608 S., 29,99 Euro

Begründung: "Das Buch war in der alten Übersetzung Pflichtlektüre im Abitur. Es hat mich erst herausgefordert und dann begeistert. Nitzbergs Neuübersetzung war für mich lange der Maßstab für das, was ich lesen wollte. Manchmal muss man zu seinem literarischen Glück gezwungen werden. Statt zentral von der Landesregierung vorgegebene Pflichtlektüren sollten die Lehrer wieder selbst entscheiden dürfen, um der literarischen Vielfalt gerecht werden zu können."