Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik

"Literatur ist keine Wellnessanwendung"

21. März 2019
von Börsenblatt

Die Kritikerin Marie Schmidt von der Süddeutschen Zeitung wurde heute mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet. Die Journalistin und Autorin Susanne Mayer hielt die Laudatio auf „eine leicht spöttische, oft selbstironische, leidenschaftliche Buchfrau“.

Marie Schmidt

„Literatur ist keine Wellnessanwendung“ schrieb Marie Schmidt in einem Plädoyer für das alltägliche Lesen, das am vergangenen Samstag in der Wochenendausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ erschienen ist: „Was wir kultivieren sollten, ist ein aufregendes, chaotisches, lebendiges Lesen.“ Texte wie dieser sind der Grund dafür, warum das Fachmagazin Börsenblatt die Journalistin vor einem Monat mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet hat. In der Jurybegründung heißt es: „Hier schreibt eine reflektierte und kluge Zeitgenossin über Literatur.“ Auf der Leipziger Buchmesse hat Marie Schmidt heute die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung entgegengenommen.

Egal, um welches Buch es geht, bei Artikeln von Marie Schmidt kann man sich nach Ansicht von Heinrich Riethmüller stets sicher sein: „Jetzt wird es klug, überraschend, eigensinnig. Jetzt kommt mehr als pure Literaturkritik“, so der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in seinem Grußwort zur Preisverleihung.

Die Journalistin und Autorin Susanne Mayer lobte Marie Schmidt in ihrer Laudatio als eine leicht spöttische, oft selbstironische, leidenschaftliche Buchfrau, die Sprach- und Stilkritik könne wie nur wenige. In ihren Beiträgen werde alles in einem klaren, fast nüchternen, oft ruhigen Stil analysiert, der vornehmlich freundlich daherkomme und dann gnadenlos auf sein Ziel zurausche. „Sie schreibt weniger für die Kollegen, sie schreibt auch nicht, um der Welt mitzuteilen, wie wichtig sie ist, sie schreibt über Dinge, die sie interessieren. Das sind vielleicht Bücher, die andere noch gar nicht auf dem Schirm haben.“ 

Marie Schmidt hole die Leser nicht ab, sondern ziele darauf, sich auf Augenhöhe miteinander einzulassen. „Das Aufklärerische ihrer Literaturkritik liegt vor allem darin, dass Marie Schmidt uns an ihrem Denken teilhaben lässt und Lust aufs Mitdenken macht. Auf Denkabenteuer!“

„Bedeutung ist ja nichts, was man uns schuldig wäre, sondern eher etwas, das wir Kritikerinnen herstellen müssen.“ Dennoch gelte es aber, den Freiraum der Literaturkritik institutionell und materiell zu beschützen. Sich selbst versteht Schmidt weder als Journalistin, Pädagogin oder Schriftstellerin, noch als Literatur-Groupie, Biografin oder Agentin des Buchmarktes in den Medien. „Das entscheidende Privileg der Kritikerin ist es, sich mit all den Rollen, die an sie herangetragen werden, nicht zu identifizieren. Und dieses Privileg, diese Freiheit, kann ich durch diesen Preis noch viel selbstbewusster für mich in Anspruch nehmen.“

Über den Preis

Das Börsenblatt vergibt den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik seit 1977. Jährlich wurde bis 1995 ein bemerkenswerter Literaturteil einer deutschsprachigen Zeitung oder Zeitschrift oder eines deutschsprachigen Hörfunk- oder Fernsehprogramms ausgezeichnet; seit 1996 würdigt die Jury jährlich die Arbeit einer Einzelperson. Der Preis wird für literaturkritisches Schaffen auf kontinuierlichem hohen Niveau vergeben, er ist mit 5.000 Euro dotiert. Die Auszeichnung erinnert an den Schriftsteller, Theaterkritiker und Publizisten Alfred Kerr (1867 – 1948), der in der Kritik eine eigene Kunstform sah. 
Zu den bisherigen Preisträgern gehören Daniela Strigl, Helmut Böttiger, Ina Hartwig, Gregor Dotzauer, Hubert Winkels, Manfred Papst, Nico Bleutge, Andreas Breitenstein und Michael Braun. Alle Preisträger unter alfred-kerr-preis.de.

Die Jury:

  • Katrin Lange (Programmreferentin des Münchner Literaturhauses)
  • Michael Lemling (Geschäftsführer der Münchner Buchhandlung Lehmkuhl)
  • Alexandra Pontzen (Literaturwissenschaftlerin an der Universität Duisburg-Essen)
  • Klaus Reichert (Ehrenpräsident der Akademie für Sprache und Dichtung)
  • Klaus Schöffling (Schöffling Verlag)
  • Torsten Casimir (Börsenblatt-Chefredakteur)