Zum 65. Geburtstag von Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins

"Glücksfall für die Büchermenschen"

16. April 2019
von Börsenblatt
Es ist niemandem zu wünschen, einmal sein Nachfolger sein zu müssen – das schreibt Verleger Jürgen Horbach über Alexander Skipis, der seit 2005 die Geschäfte des Börsenvereins führt und heute 65 Jahre alt wird. Horbach, langjähriger Schatzmeister des Verbands, gratuliert einem "Mann der kontrollierten Tat".

Ich stelle mir vor: Einer erfindet seine Biografie neu und hat die Wahl. Nach rund 15 Jahren in der Politik und politiknahen Bereichen in Hessen könnte der Jurist als Parlamentarier oder Diplomat nach Brüssel wechseln. Hier würde er über wichtige Wettbewerbsfragen und Urheberrechtsrichtlinien mitentscheiden. Er wäre mit dem Erstarken der amerikanischen und chinesischen Internetgiganten und Hunderttausenden, die für zügellose Freiheit im Netz auf die Straße gehen, konfrontiert. Wie hätte er für sich gewählt?

Wir kennen die Antwort. Der Jurist Alexander Skipis wäre 2005 trotz seiner Wahlfreiheit wieder zum Börsenverein als Hauptgeschäftsführer gewechselt, wäre nicht Diplomat oder Parlamentarier geworden. Seine Haltung zur jüngsten EU-­Urheberrechtsrichtlinie wäre heute die, die wir kennen und die er aus Überzeugung vertritt. Klar für die Sache der Urheber und gegen die der Straße. Das Orchester erzeugt erst die Tonalität. Der Dirigent aber sucht sich das geeignete Orchester.

Skipis ist ein Mann der kontrollierten Tat. Immer wohlüberlegt, dann ungeduldig, bis das passiert, was notwendig ist. Der Börsenverein ist ein Wirtschaftsverband und ein Kulturverband. Er hat in seiner Gesamtheit Interessen, die ordentlich vertreten werden müssen. Alexander Skipis kommt dabei die Rolle zu, diese Interessen nicht nur zu bündeln, sondern überhaupt erst zu formulieren und verstehbar zu machen. Das ist nicht einfach in einem dreistufigen Verband.

Er hat wegen seiner Standfestigkeit die Rolle eines Haus­meiers übernommen. Der war im Mittelalter der stärkste Mann im Staat, mit größerem Einfluss auf die Geschehnisse als der König, und er organisierte die Truppen und hielt den Adel auf Kurs. Im demokratischen Jetzt haben wir Gott sei Dank einen Vorsteher und gewählte Fachausschussvorsitzende, was die Aufgabe jedoch nicht einfacher macht.

Von Selbstkontrolle und Gremiendemokratie 

Geduld ist keine herausragende Eigenschaft überzeugender Führungspersönlichkeiten. Zu denen gehört Alexander Skipis. Zu bewundern ist seine Selbstkontrolle angesichts der Zumutungen, die eine Gremiendemokratie fast zwangsläufig produziert, seine Fähigkeit, aus den Menschen und Meinungen das zu destillieren, was unzweideutig formuliert politisch nach innen und außen verwendet werden kann – und dabei noch konsensfähig ist. Es ist niemandem zu wünschen, einmal sein Nachfolger sein zu müssen.

Wer Macht hat – der Hausmeier hatte Macht –, kann gestalten und Leidenschaften leben. Gewiss, Skipis ist lange im konservativen politischen Umfeld tätig gewesen. Da war Erneuerung nicht immer eine beliebte Zielrichtung. Wer ihm zuhört, erlebt einen frei denkenden Geist ohne ideologische Scheuklappen, fragend und nach konkreten Lösungen suchend, dem Potenzial demokratischer Verfassungen als Gerüst vertrauend.

Wer, wie er, zeit­geistig nicht dem Credo der Disruption folgt, weil es nicht immer Trümmer sein müssen, aus denen etwas Weiterführendes entsteht, sondern nach dem besseren Argument sucht, der nimmt zwangsläufig auch Positionen ein, die weit über konservatives Beharren hinausgehen. Dass die Büchermenschen einen solch klugen Treiber haben, ist ein Glücksfall.

Die Leidenschaft des Alexander Skipis hat genau damit zu tun. Meinungsfreiheit, die Freiheit des Wortes als eine der Grundbedingungen menschenwürdiger Zustände, hat er zum zentralen Thema des Börsenvereins gemacht. Er vertritt dies mit einer solchen Überzeugung, untermauert mit Zivilcourage und persönlichem Mut, dass die Legitimation unseres Verbands als einer, der mitreden will bei großen gesellschaftlichen Fragen, in der letzten Zeit wieder stark gewachsen ist.

In der Türkei vor einem Gefängnis des Recep Erdoğan für die Freilassung der Schriftstellerin Aslı Erdoğan zu demonstrieren, ist ein bemerkenswerter Akt und entspringt persönlichen Überzeugungen, die sich mit den beruflichen kreuzen. So auch sein Engagement gegen rechts. In Monika Grütters hat er in Branchenbelangen in Berlin eine gleichgesinnte Mitstreiterin gefunden, die viel für diese Anliegen und die Überlebensfähigkeit der Verlage und Buchhandlungen tut. Es bedarf eben eines Gesamtbildes für legitime und anspruchsvolle Ansinnen – und einer persönlichen Glaubwürdigkeit. Skipis bündelt nicht nur, er setzt Themen.

Wo Skipis ist, ist Free Solo 

Dass die Sinnenfreude, denen wir in gescheiten Romanen begegnen, im Leben von Alexander Skipis vorkommt, weiß jeder, der ihn etwas näher kennt. Kochen gehört etwa dazu, ein guter Wein, Luft und Licht und Menschen. Speed Control ist nicht seine Sache. Alles, was einen Motor hat, beurteilt er nach konstruktiven Leistungsmerkmalen. Hier hat die Disruption von Maschinen keine Chance. Selbst die größten Fans des diplomatisch-ausgleichenden Skipis nehmen lieber die Bahn, als Beifahrer zu sein.

Wo Skipis ist, ist Free Solo. Ob in der Luft als Pilot oder als solcher im High-Speed-Motorboot oder im Auto. Was ist eigentlich mit Deutschland los, dass Skipis noch ­einen Führerschein hat?

Das alles passt gut zusammen. Man muss nicht immer der Eloquenz und dem Tatendrang eines Alexander Skipis folgen. Manche hätten es lieber einfacher und interessengetriebener. Die Ökonomie mag nicht der allererste Gedanke sein, mit dem Skipis morgens erwacht. Dennoch weiß er genau, dass die Finanzierbarkeit des Verbands und das Wohlergehen der Wirtschaftsbetriebe untrennbar mit dessen Zukunftsfähigkeit zu tun hat und dass die Verwerfungen in der Branche durch Konzentration und Insolvenzen an den Grundfesten rütteln. Er setzt seine Talente so ein, dass relevante Themen zur rechten Zeit maximal Gehör finden. Mehr geht nicht.

Es ist außerordentlich erfreulich, dass Alexander Skipis irgendwelchen Geburtstagsdaten ebenso wenig Beachtung schenkt wie Geschwindigkeitsgeboten. Herzlichen Glückwunsch und ein großes Dankeschön!

Zum Autor: Jürgen Horbach ist Geschäftsführer der Athesia Kalenderverlage und war von 2007 bis 2013 Schatzmeister des Börsenvereins.