LEO-Studie 2018 zur Literalität

6,2 Millionen Erwachsene haben Lese- und Schreibschwierigkeiten

7. Mai 2019
von Börsenblatt
Der Anteil Erwachsener in Deutschland, die nicht richtig lesen und schreiben können, hat sich in den vergangenen acht Jahren um fast ein Fünftel verringert − betroffen waren 2018 aber immer noch 6,2 Millionen Menschen (2010: 7,5 Millionen). Das zeigt die aktuelle LEO-Studie der Universiät Hamburg.

Die Universität Hamburg hat ihre Grundbildungsstudie "LEO 2018 – Leben mit geringer Literalität" heute gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern des Bundesbildungsministeriums und der Kulturministerkonferenz auf der Jahreskonferenz der "Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung 2016−2026" (AlphaDekade) in Berlin vergestellt.

Danach gibt es in Deutschland rund 6,2 Millionen Erwachsene, deren Lese- und Schreibkompetenzen für eine volle berufliche, gesellschaftliche und politische Teilhabe nicht ausreichen. Das sind 12,1 Prozent der Deutsch sprechenden Erwachsenen. Bei der "LEO – Level-One Studie 2010" waren es noch 7,5 Millionen oder 14,5 Prozent.

"Wir haben insgesamt eine deutlich höhere Erwerbsquote, wir haben höhere Bildungsabschlüsse in der Bevölkerung und wir haben ein Zuwanderungsgesetz – das sind starke Faktoren für Literalität“, ist für Anke Grotlüschen, Studienleiterin und Professorin für Lebenslanges Lernen an der Universität Hamburg, ein zentrales Ergebnis der Untersuchung.

Die Studie verwendet den Begriff Literalität als Maß, wie Erwachsene Texte sinnentnehmend lesen und sinnproduzierend schreiben können. Aber auch Menschen mit einer geringen Literalität verstehen einzelne Buchstaben und Wörter – "auch einzelne Sätze können sie erlesen und schreiben. Das allerdings in aller Regel in einer Geschwindigkeit, die zeigt, wie mühsam es für sie ist", berichtet Grotlüschen. "Menschen aus dieser Gruppe sagen meist über sich selbst: Ich kann nicht richtig lesen und schreiben."

Weitere Ergebnisse 2018:

  • 58,4 Prozent der Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten sind Männer und 41,7 Prozent Frauen
  • 62,3 Prozent der Betroffenen sind erwerbstätig (2010: 57 Prozent)
  • 76 Prozent der Betroffenen haben einen Schulabschluss (2010: 80,1 Prozent). Die meisten von ihnen (40,6  Prozent) einen Haupt- oder Volksschulabschluss oder einen vergleichbaren Schulabschluss (2010: 47,7 Prozent)

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Grundsätzlich sei alles, was formale Kommunikation erfordert, für gering Literalisierte schwierig – auch, wenn sie über digitale Medien stattfindet, sagt Grotlüschen in einem heute veröffentlichten Interview der Universität Hamburg. "Bei der Nutzung von E-Mail- und  Textverarbeitungsprogrammen sind Menschen, die nicht gut lesen und schreiben können, deutlich unterproportional vertreten." Aber, und auch das ist ein wichtiges Ergebnis der Studie: "Wenn es ums Smartphone und soziale Medien geht, sehen wir den Teilhabeausschluss nicht mehr. Sprachnachrichten oder Videotelefonie nutzen gering literalisierte Erwachsene sogar mehr."

Auch der Irrglaube, gering literalisierte Menschen seien grundsätzlich sozial abgehängt, treffe nicht zu: "Die Quote der Verheirateten in der Gesamtbevölkerung ist mit rund 54 Prozent genauso hoch wie unter den gering literalisierten Erwachsenen." Ebenso falsch sei die Vorstellung, in Deutschland lebende Menschen mit Migrationshintergrund könnten schlechter lesen und schreiben: "Von den 6,2 Millionen gering literalisierten Erwachsenen haben 47 Prozent eine andere Herkunftssprache oder sind bilingual mit Deutsch als zweiter Sprache aufgewachsen. Von dieser Gruppe haben wiederum mehr als 80 Prozent eine erste Sprache, in der sie nach eigener Einschätzung anspruchsvolle Texte lesen und schreiben können."

Bund, Länder und gesellschaftliche Partner setzen sich mit der Initiative AlphaDekade dafür ein, die Lese- und Schreibfähigkeiten Erwachsener zu verbessern und das Grundbildungsniveau Erwachsener in Deutschland zu erhöhen. Da die Erreichbarkeit von Erwachsenen mit niedrigen Schriftsprachkompetenzen die größte Herausforderung darstellt, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung Forschungsvorhaben sowie Projekte, die den Zugang über den Arbeitsplatz oder im Alltag herstellen.

"Bei allen Erfolgen zeigt die aktuelle LEO-Studie allerdings auch: Noch immer können 6,2 Millionen Menschen in Deutschland nicht ausreichend lesen und schreiben. Für sie strengen wir uns weiterhin an", sagt Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. "Die Alphabetisierung voranzutreiben, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Jede und jeder kann der- oder diejenige sein, die den Ausschlag gibt, dass ein Erwachsener Mut fasst, lesen und schreiben zu lernen."

Zur Studie

Insgesamt wurden im Sommer 2018 rund 7.200 deutschsprechende Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren befragt. Größe und Auswahl der Stichprobe lassen den Rückschluss auf die Gesamtbevölkerung zu. Die LEO-Studie gibt auch Aufschluss darüber, wie Lernangebote optimiert und besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten werden können.

Die LEO-Studie 2018 der Universität Hamburg ist die größte und wichtigste repräsentative Studie zu Literalität von Erwachsenen in Deutschland. Sie gibt Aufschluss über Alter, Geschlecht, Herkunft, Familien- und Erwerbsstatus sowie Schul- und Berufsbildung von Menschen mit geringen Lese- und Rechtschreibkompetenzen in Deutschland. Die Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 180 Millionen Euro gefördert.

Die komplette Studie kann hier heruntergeladen werden.