Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland im Börsenverein

Dreiländerverband zwischen Sparkurs und neuen Projekten

10. Mai 2019
von Börsenblatt
Wie geht es weiter nach der KNV-Insolvenz? Diese zentrale Branchenfrage schwebte auch über der Jahreshauptversammlung des Landesverbands Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland am 9. Mai in Rüsselsheim. Neben dem aktuellen Zeitplan ging es dabei um die Frage, was die Branche aus dem Fall lernen kann.

Statt wie gewohnt in der Wiesbadener Villa Clementine tagte der Landesverband diesmal in Rüsselsheim, im Stadt- und Industriemuseum in der alten Festung der Opelstadt. Während im Untergeschoss Oldtimer, alte Maschinen und 50er Jahre Möbel von der Vergangenheit erzählten, wurde im Obergeschoss über Gegenwart und Zukunft der Branche diskutiert – zusammen mit der Mainzer Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs und dem Hagener Zwischenbuchhändler Stefan Könemann.

Podiumsgespräch mit den Vorsteher-Kandidaten

Beide kandidieren am 19. Juni für das Vorsteher-Amt des Börsenvereins und stellten sich bei einer Podiumsrunde vor. Haben die zwei bei der Vorstandswahl ein "Schattenkabinett"? Und was lässt sich aus dem Fall KNV für die Branche lernen? Die Bewerber standen dem Publikum Rede und Antwort. Stefan Könemann skizzierte beim Thema KNV unter anderem die kartellrechtlichen Hürden der Investorensuche, Karin Schmidt-Friderichs verwies darauf, dass sich die Konditionenschraube immer weiterdreht. Dass die Branche zumindest in diesem Punkt aus der KNV-Insolvenz lernen müsse und lernen könne – darin waren sich beide einig.

Nach der Vorstellungsrunde erläuterte Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang noch einmal den aktuellen Zeitplan von Insolvenzverwalter Tobias Wahl (mehr dazu hier). Im Moment verhandelt Wahl mit interessierten Investoren, bis Juli will er einen Käufer gefunden haben. Aber: "Der Investor als solcher ist ein scheues Reh. Bis dahin wird nicht viel nach außen dringen", machte Christian Sprang deutlich, der außerdem die Regelung zum Eigentumsvorbehalt erläuterte (mehr dazu hier) und auf frühere kartellrechtliche Entscheidungen zum Zwischenbuchhandel einging.

Viele neue Projekte im Landesverband

Natürlich ging es beim Jahrestreffen auch um Themen, die unmittelbar den Landesverband betreffen – etwa um "erLesen!", die neuen Literaturtage im Saarland, die von einem Organisationsteam aus Buchhändlern und Verlegern getragen werden und auf der Hauptversammlung etwas detaillierter vorgestellt wurden (mehr dazu hier). Weitere neue Projekte, die Geschäftsführerin Stefanie Brich kurz präsentierte, sind der Hessische Verlagspreis, der 2018 zum ersten Mal vergeben wurde (mehr dazu hier), die neue Frankfurter Verlagsschau "069", die der Landesverband mit unterstützt hat (Details hier), und der Gemeinschaftsstand "Literatur in Hessen" auf der Frankfurter Buchmesse 2018 (mehr dazu hier).

Brich berichtete außerdem von der jungen AG "Schule und Buch" im Dreiländerverband, die sich den Themen Schulbuchgeschäft, digitales Schulbuch, Leseförderung und Nachwuchsgewinnung widmet. Wie kann der Buchhandel weiter mit im Boot bleiben, wenn der Digitalpakt Schule umgesetzt wird? Darüber ist der Landesverband derzeit mit den drei Kultusministerien im Gespräch.

Sparzwang durch sinkende Mitgliedsbeiträge      

Der Verband stemmt viele Projekte bei kleinem Budget: Das bleibt nicht ohne Folgen für den Haushalt, der im Jahr 2018 mit einem Verlust von 45.000 Euro abschließt – rund 24.000 Euro mehr als geplant. Das liegt unter anderem an den Sonderausgaben für das erste Lesefestival im Saarland, das aus den langjährig angesparten Geldern der Landesgruppe Saar finanziert wird. Hinzu kämen Sonderfaktoren wie eine fehlende Steuerausschüttung und die Ausbuchung alter Kursverluste, erläuterte die Vorsitzende des Landesverbands, Kontrast-Verlegerin Barbara Jost.

Im Etatentwurf für 2019 ist ein Minus von 51.000 Euro veranschlagt – zugleich hat der Landesverband 1,4 Millionen Euro auf der hohen Kante. Müssen die Ausgaben dennoch vorsichtiger kalkuliert werden? Darüber wurde in der Runde diskutiert - eine Zwangslage zwischen dem Wunsch, neue Projekte anzuschieben und dem Mitgliederschwund, der die Beitragseinnahmen kontinuierlich schrumpfen lässt. Aktuell hat der Dreiländerverband 815 Mitglieder, die ein Beitragsvolumen von 228.000 Euro beisteuern. 2012 stellten die drei Bundesländer noch 1054 Mitglieder, mit einem Beitragsvolumen von 282.000 Euro.

Fazit der Runde: Einen Risiko-Etat hat der Landesverband nicht – aber das Für und Wider von Ausgaben müsse in jedem Jahr neu diskutiert werden. Auch Mitgliederbindung, Mitgliederakquise und das Einwerben von Sponsorengeldern für Projekte will der Verband weiter verstärken. Barbara Jost machte zudem deutlich: "An einer Erhöhung der Beiträge werden wir, nach 20 Jahren, in der nächsten Zeit wohl nicht vorbeikommen."

Zum Finale: eine Liebeserklärung an den Buchhandel

Zum Abschluss standen in Rüsselsheim noch mehrere Vorträge auf der Agenda: Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels referierte als Stammgast beim Landesverband über den Ärger und die Gesetzesinitiative rund um die Affiliate-Programme, Gabal-Autorin Ulrike Knauer sprach über Verkaufsstrategien („Entwickeln Sie Ihre Anpassungsfähigkeit an den Kunden“) und Rainer Moritz, Leiter des Hamburger Literaturhauses, ließ den Tag mit einer Liebeserklärung an die Buchhandlung ausklingen, die zugleich eine Liebeserklärung an die Buchhändlerin seiner Jugendzeit war  - Carmen Tabler in Heilbronn (mehr in seinem Buch "Leseparadiese" bei Sanssouci).