Tagung des Landesverbands Berlin-Brandenburg im Börsenverein

Ein roter Teppich von Oslo bis nach Berlin

16. Mai 2019
von Börsenblatt
Norwegen lässt sich den Ehrengastauftritt auf der Frankfurter Buchmesse einiges kosten. Die Kampagne des Gastlandes war am 15. Mai Thema beim Börsenverein - auf der Jahreshauptversammlung des Landesverbands Berlin-Brandenburg. Ebenfalls auf der Agenda: Ein neues Konzept für den Lesemarathon Stadt Land Buch und eine Diskussion mit den beiden Vorsteher-Kandidaten des Börsenvereins.

Eine Jahreshauptversammlung folgt in aller Regel Jahr für Jahr einer festen Chronologie. Es gibt einen resümierenden Jahresbericht, einen Ausblick auf Kommendes, Wahlen etc. All dies stand auch dieses Jahr in Berlin auf dem Programm der Verleger und Buchhändler aus der Hauptstadt und aus Brandenburg, aber erst zum Ende hin. Eröffnet wurde der Abend, der passenderweise im Literaturhaus stattfand, mit einem Ausblick auf den diesjährigen Ehrengast der Frankfurter Buchmesse.

Die Norweger, so war vom Projektkoordinator Thomas Böhm zu erfahren, stellen als erstes Gastland den Buchhandel ins Zentrum ihrer Kampagne. Was das bedeutet? 50 Buchhändler wurden bisher nach Norwegen eingeladen. Die nächste Reise soll schon geplant sein.

Neben Übersetzungen fördert Norwegen auch Veranstaltungen

Wer es noch nicht wusste, dem wird es deutlich vor Augen geführt: Norwegen ist ein enorm reiches Land. Und den Ehrengastauftritt lässt man sich einiges kosten. Übersetzungen (280 neue Titel gibt es) werden ebenso gefördert wie individuelles Dekomaterial und Veranstaltungen. Noch nie waren Lesungen mit Autoren eines Landes wahrscheinlich so verlockend. Böhm versprach: NORLA (Norwegian Literature Abroad) übernehme sämtliche Honorare und Reisekosten. Lediglich die Ausgaben für die Übernachtung im Hotel sollten die einladenden Buchhändler tragen. Aber womöglich entfallen auch diese Investitionen, so Böhm. Man habe einen entsprechenden Antrag bei der EU gestellt. Ob mit oder ohne EU-Unterstützung, in jedem Fall gelte: "Wir rollen ihnen den roten Teppich aus von Oslo bis zu ihrer Buchhandlung".

Der norwegische Journalist und Autor Knut Hoem hätte da eigentlich dazwischenrufen müssen, dass der Teppich auch von Bergen aus ausgerollt wird. Hoem hat eigens für das deutsche Publikum ein Buch beschrieben, das die beiden wichtigsten Städte des Landes vorstellt: "Lieblingsorte Oslo & Bergen" (Insel Verlag). Von Hoem war im Gespräch mit Thomas Böhm zu erfahren, dass Oslo eher zufällig zur Hauptstadt wurde – anstelle von Bergen. Und ohnehin sei Bergen die schönere Stadt. Es ist auch die regenreichste – und wahrscheinlich gerade deswegen ein guter Ort für Schriftsteller. Tomas Espedal und Karl Ove Knausgård haben hier ihre Karrieren begonnen. Und das nicht von ungefähr, Espedal jedenfalls meint: Man könne in Bergen schlicht nichts Besseres tun, als sich einen trockenen Platz zu suchen und zu schreiben.

Nachfolgelösung für Stadt Land Buch

Länderschwerpunkte kommen indes nicht immer und überall gut an. Im Vorjahr standen die Nordischen Länder (also neben Norwegen auch Dänemark, Finnland, Island und Schweden) im Zentrum des vom Landesverband organisierten Festivals Stadt Land Buch. Allerdings ohne den erhofften Zuspruch. Zu 67 Veranstaltungen kamen 2500 Besucher. Vier Jahre zuvor waren es noch 7250 Besucher bei 137 Veranstaltungen gewesen, rechnete Verleger Ulrich Hopp vor: "Das Format hat sich erschöpft", sagte er.

Der Lesemarathon Stadt Land Buch hatte 2010 die Berlin-Brandenburgischen Buchwochen abgelöst. Nun arbeitet der Landesverband abermals an einem neuen, moderneren Konzept. Die Auftaktveranstaltung und der Debütantensalon sollen bleiben, ansonsten aber vieles neu werden – mit dem Fokus ganz auf Berlin. Alles soll sich mithin um Autoren, Verlage und Themen aus der Hauptstadt drehen. Das Festival wird dann nicht mehr im November, sondern im Mai stattfinden, erstmals 2020. Einen Namen hat man schon gefunden: "Berlin 52 Grad Nord - Books in Town". Klingt gut. Aber nicht für alle Ohren.

"Und was macht ihr mit Brandenburg?" – wollte der Strausberger Buchhändler Falko Micklich wissen und gern zurückkehren zu den Berlin-Brandenburgischen Buchwochen. Die Antwort des Vorsitzendes des Landesverbands Kilian Kissling: Für Brandenburg soll ein eigenes Format entwickelt werden. Geplant sind mithin zwei Festivals zu unterschiedlichen Zeiten. Es gehe dabei darum, besser als bisher die jeweiligen Stärken zu nutzen.

Dissens oder Konsens? Die Diskussion mit den Vorsteher-Kandidaten

Auch in Berlin stellten sich die beiden Kandidaten für die anstehende Wahl des Vorstehers beziehungsweise der Vorsteherin des Börsenverein vor: Karin Schmidt-Friderichs vom Verlag Hermann Schmidt in Mainz und Stefan Könemann vom Barsortiment Könemann. Beide touren derzeit durch die Landesverbände und stellen sich den Fragen der Verleger und Buchhändler. Könemann will die große Zahl der überwiegend schweigenden Mitglieder des Börsenvereins stärker einbinden und so zu Gehör bringen und außerdem die "nicht geglückte" Imagekampagne für das Buch aufwerten und verbessern. Schmidt-Friderichs macht im Börsenverein "eine hohe Professionalität", aber zu wenig "Emotionalität" aus. "Wir haben die Sprache, das Mitreißende, das sollten wir nutzen", sagte sie. Für eine lebendige Kommunikation und neue Impulse brauche man überdies nicht immer eine Sitzung.

Manch einer der rund 60 Verleger und Buchhändler im Saal wollte genauer wissen, ob die Verlegerin und der Chef des Barsortiments in entscheidenden Dingen unterschiedlicher Ansicht seien, vielleicht gar so gravierend anders ticken wie etwa FDP und PDS im politischen Parteienspektrum. Aber beide versicherten nur: "Es gibt keinen grundlegenden Dissens." Der Verleger Volker Oppmann hatte aber doch einen auffallenden Haltungsunterschied ausgemacht: "Sie stehen für den alten Börsenverein!", attestierte er Könemann. Dieser verteidigte sich: Auch er wolle Veränderung, aber man müsse "die Mitglieder mitnehmen". Ein Disput, der noch beim Pausenkaffee und bei von den Norwegern spendiertem Aquavit, eine Fortsetzung fand.  

Gewählt wurde auch in Berlin – für den Wahlausschuss abermals: Olaf Carstens, Britta Jürgs, Ruth Klinkenberg und Heike Röminger; für den Satzungs- und Rechtsausschuss: Jessica Gutsche Florian Simon und Karin Seidel; als Kassenprüfer: Falko Micklich und Sirko Müller.