Christiane Schulz-Rother träumt vom perfekten Verlagsvertreter

Kenntnis und Euphorie

21. Mai 2019
von Börsenblatt
Die Herbstvorschauen kommen, die Vertreter reisen und es wird wieder über ihre Rolle und Funktion diskutiert: Die Berliner Buchhändlerin Christiane Schulz-Rother über den idealen Verlagsvertreter.

Bald geht es wieder los – 33 Vertreter besuchen mich in meinem Laden in einem Zeitraum von vier Wochen! Puh, das kann schlauchen, Zeit stehlen, langweilig, belehrend, frustrierend und auch nervig sein ... Vielmehr aber sollte es sein – und ist es auch: unwahrscheinlich inspirierend, interessant, unterhaltsam, freundschaftlich und den buchhändlerischen Alltag bereichernd.

Aber sind das ausreichende Gründe für einen Vertreter­besuch? Sollte ich nicht lieber im Laden Kunden bedienen? Bin ich mit VLB-TIX nicht ausreichend vorbereitet und kann meine Aufträge einfach so versenden? Braucht man heutzutage überhaupt noch die Vertreterinfos? Und sind nicht unsere Kunden sowieso schon so gut vorinformiert und wissen, was sie wollen? Oder würde es reichen, wenn ich nur die wichtigsten Vertreter der A-Verlage empfange, und dies möglichst auch hintereinander, alle 30 Minuten ... Reicht eventuell auch mein Besuch auf der Vertreterbörse?

Das sind Fragen, die ich mir immer mal wieder stelle. Und immer wieder komme ich zu dem Schluss: Ja, ich brauche sie, die lieben Vertreter. Aber nicht alle! Ich brauche keinen, der mir nur Klappentexte vorträgt. Ich brauche keinen, der erst auf Nachfrage meine Umsatzzahlen umständlich zusammenrechnet und der noch nicht mitbekommen hat, dass ich VLB-TIX für den Einkauf nutze. Ich brauche keinen, der der Meinung ist, ich müsse jedes einzelne Buch aus seinem Programm in großer Stückzahl einkaufen. Ich benötige keine Belehrungen, dass ich mal wieder zu wenig von einem tollen neuen Bestseller einkaufe.

  • Ich brauche einen Vertreter, der meinen Laden kennt und meine Kundschaft einschätzen kann.
  • Der meine Verkaufszahlen im Hinterkopf oder zumindest im Laptop hat.
  • Ich brauche einen Verlagsrepräsentanten, der auch mich kennt und zu nehmen weiß.
  • Ich möchte tolle Berater, die mir die Umsatzzahlen schon vorab senden, die die verschiedenen Imprints ihrer Verlagsvorschauen bündeln.
  • Und die mir mit Leidenschaft ihre neuen Bücher vorstellen und mich mit ihrer Euphorie anstecken!
  • Sie sollten wissen, welcher Autor zu welchen Konditionen liest und wo er schon in der Stadt gebucht wurde, damit ich mich eventuell einer Lesereise anschließen kann.
  • Ich möchte einen Vertreter ohne Termindruck und niemanden, der in seinem viel zu großen Reisegebiet nur im Berliner Stau steht.
  • Ich möchte nicht über Remischeine diskutieren, sondern sie wortlos überreicht bekommen. Noch lieber würde ich auf keinen Remischein warten müssen, sondern im Rahmen einer Quote Bücher zurücksenden, wann ich es für richtig halte.


Stattdessen freue ich mich über Hinweise auf besondere Aktionen, und natürlich darf ein wenig Klatsch und Tratsch nicht fehlen! Schließlich möchte ich nicht nur ein ernstes Verkaufsgespräch führen. Der Vertreterbesuch ist für mich die Grundlage, damit ich das richtige Buch in der richtigen Menge zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort habe.

Zum Glück gibt es diese Vertreter, die mir das bieten! Von den Verlagen wünsche ich mir, dass sie nicht nur auf die Kos­ten achten, sondern die Arbeit ihrer Vertreter anerkennen – und fördern! Denn sie sind gerade in Zeiten der immer größer werdenden digitalen Informationsflut ein unverzichtbares Bindeglied zwischen Verlag und Sortiment.

Christiane Schulz-Rother ist Inhaberin von vier Buchhandlungen in Berlin (Tegeler Bücherstube, Glienicker Bücherstube, Menger, Haberland) und Vorsitzende des Sortimenter-Ausschusses.