Christiane Dreiling über Krimiautorinnen und -autoren

Eine Art Normalisierung

28. Mai 2019
von Börsenblatt
Sind Frauen im Krimimarkt unterrepräsentiert? Christiane Dreiling kennt viele Autorinnen, die diese Annahme widerlegen. Die Kunden würden allerdings auf das Geschlecht der Autoren keinen Wert legen.

In der Presse und in den Medien ist immer wieder von der Produktion und der Präsenz von Krimiautorinnen im deutschen Markt die Rede – in jüngster Zeit häufig mit der Tendenz, dass Zahl und Qualität von Spannungsautorinnen in den vergangenen Jahren zugenommen hätten. Das kann ich durchaus bestätigen.

Als Buchhändlerin mache ich zunächst aber eine andere Erfahrung: Zu uns kommt kein Kunde in den Laden, der gezielt nach dem Buch einer Autorin oder eines Autors fragt. Es geht vielmehr um die gute Geschichte oder den guten Krimi. Vielleicht liegt in diesem Kundenverhalten ja schon eine Art Normalisierung. Solange ich im Buchhandel arbeite, sind immer schon Krimiautorinnen dabei gewesen, man denke etwa an Doris Gercke mit ihren "Bella Block"-Romanen. Was sich vermutlich verändert hat: Die Krimilandschaft ist wesentlich vielfältiger geworden.

Bei der Auswahl eines Krimis in meiner Buchhandlung spielt auch das Geschlecht der Kunden keine Rolle. Die Präferenzen für bestimmte Autorinnen und Autoren oder für besondere Genres sind davon unabhängig, ob ein Mann oder eine Frau die Buchhandlung betritt. Natürlich kommen mehr Frauen als Männer zu uns, um ein Buch zu kaufen – und gerade die Kundinnen haben nicht selten eine Vorliebe für sehr harte, blutige Krimis oder Thriller. Sie interessieren sich aber ebenso für ­Politthriller, nicht anders als die männlichen Kunden. Ich kann da keinen Verhaltensunterschied erkennen.

Es mag sein, dass Krimiautorinnen selbst registrieren, dass sie nicht mit derselben Regelmäßigeit wie ihre männlichen Kollegen auf den Bestseller- und Bestenlisten stehen. Das mag daran liegen, dass die Kritiker in den Jurys immer noch in der Überzahl sind. Ein Blick in die Jurybesetzungen belegt das in vielen Fällen. Und es fällt mir natürlich auf, dass Krimipreis­träger viel häufiger männlich als weiblich sind. Ich selbst gehöre erst seit Kurzem der Jury für den Deutschen Krimipreis an – in die übrigens verstärkt auch Buchhändlerinnen und Buchhändler berufen werden. Da ändert sich gerade etwas.

Was die Thematik von Krimis oder auch die Wahl von Ermittlerfiguren angeht, sehe ich auch keinen entscheidenden Unterschied zwischen einem Roman, den ein Mann oder eine Frau geschrieben hat. Es gibt Autorinnen, die männliche Helden bevorzugen – man denke etwa an Commissario Guido Brunetti in den Romanen Donna Leons –, oder umgekehrt Autoren, die aus der Perspektive weiblicher Ermittler erzählen.

Ganz unabhängig vom Geschlecht der Autoren hat sich aber der deutschsprachige Krimi in den vergangenen Jahren insgesamt qualitativ gesteigert, sodass viele Romane mit der internationalen Produktion mithalten können. Ein Beispiel ist Hannah Coler – das Pseudonym steht für die deutsche Historikerin Karina Urbach –, die für ihren Roman "Cambridge 5" im vergangenen Jahr mit dem Crime Cologne Award ausgezeichnet wurde. Das ist Spionageliteratur, die klassisch geschrieben ist und sich mit den britischen Meistern des Fachs durchaus messen kann. Sehr gern lese ich auch die Romane von Mechthild Borrmann, die es versteht, mehrere Zeitebenen und Erzählstränge großartig miteinander zu verknüpfen. Um noch einen guten deutschsprachigen Autor zu nennen: Oliver Bottini mit seinem Roman "Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens" – das ist wirklich gute Literatur, die zugleich ein internationales Thema bearbeitet. Aber auch diese drei Beispiele zeigen: Was zählt, ist die Qualität der Story und nicht das Geschlecht des Autors.

Christiane Dreiling ist Buchhändlerin im Buchladen Neusser Straße in Köln-Nippes und zugleich Mitglied der Jury des Deutschen Krimipreises.