Mainzer Minipressen-Messe 2019

Kleine Verlage und große Kunst

28. Mai 2019
von Börsenblatt
Die Mainzer Minipressen-Messe findet am kommenden langen Wochenende zum 25. Mal statt und geht damit in ihr 50. Lebensjahr – ein seltsamer Geburtstag, der sich dadurch erklärt, dass die jungalte Messe für Kleinverlage und künstlerische Handpressen nur alle zwei Jahre stattfindet. Das aber schon seit 1970.

Gastgeber ist Mainz, die Stadt, die mit dem Gutenberg-Museum der historischen Druckkunst gedenkt und in einer dazugehörenden Werkstatt, dem Druckladen, den Nachwuchs Neues ausprobieren lässt. Das Gutenberg-Museum organisiert die Verkaufsmesse, bei der in diesem Jahr 260 Verlage ihre Werke zeigen.

Kleinverlage, alternatives Verlegen – gibt’s das immer noch? In den Siebzigern, den Gründungsjahren dieser Messe, entstand die alternative Verlagsszene aus dem Wunsch, politische Bewegungen bekannt zu machen − in erster Linie über alternative Zeitschriften für Politik und Literatur. Der Inhalt war damals wichtiger als die Form, hinzu kam die Umstellung von Bleisatz auf moderne Druckverfahren, es wurde experimentiert – die erstaunlichen Ergebnisse dieser Zeit sammelt das Minipressen-Archiv im Gutenberg-Museum. Seitdem hat sich viel getan, die Kleinauflagen heutiger Zeit sind durch Digitaldruckverfahren professionell gemacht. Eine Diskussion wird sich diesen Veränderungen widmen: "Mut statt Masse – alternatives Verlegen heute" (Freitag, 20 Uhr, Gutenberg-Museum): Vito von Eichborn (ehemals Eichborn-Verlag), Benno Käsmayr (Maro-Verlag), Peter Meyer (pmv-Verlag), Peter Engel (Journalist), Jan Wenzel (SPECTOR BOOKS), Adrienne Brehmer (Journalistin) und Klaus Raasch (Buchgestalter, Drucker, Verleger) diskutieren über das Verlegen einst und jetzt.

Auch die Messe selbst hat sich professionalisiert. Viele Jahre lang sorgte der Standort an der Rheinpromenade mit großen Festzelten dafür, dass viel Laufpublikum an die Ausstellertische gespült wurde – allerdings auch der ein oder andere Liter Regenwasser, was den Exponaten schlecht bekam. Seit 2013 beherbergt die Rheingoldhalle die Messe – das bedeutet zwar weniger Aussteller auf der Fläche, dafür klimatisierte Verhältnisse.

Buch und Kunst 
Wer sich einmal in der Rheingoldhalle über die Ausstellertische beugte, weiß sofort wieder, warum das Buch nie aussterben kann: Es wird immer Leute geben, die sich mit Hingabe in Fragen zur Papierauswahl, zu Schrift und Satz oder Bindetechniken verlieren können. Viele künstlerische Techniken sind zu finden, erstaunlich, was alles ein "Buch" sein kann. Klassische Literatur findet man dort mit neuer Illustration, Bleisatz zum Anfassen, Druckfarbe zum Kleckern und Riechen, selbst ein schlichtes Notizbuch wird durch hochwertiges Papier und Fadenbindung geadelt. Zwischen dem Künstlerbuch und der Taschenbuchausgabe autobiografischer Geschichten gibt es viele Arten der Gattung Buch vom Stammbaum Gutenberg.

Highlights im Begleitprogramm 
Zahlreiche Veranstaltungen bieten mehr Wissen und mehr Vergnügen. Veranstaltungen (Auswahl):

  • Poetry-Slam: "Schiffchen sucht Type" (Samstag, 1. Juni, 20.00 Uhr, Gutenberg-Museum) Moderator ist der Mainzer Slam-Star Jens Jekewitz, musikalisch begleitet wird der Abend vom 1. Offenbacher Herrenquertett.
  • Vortrag: "Die Welt des Edward Gorey. Eine Begegnung mit seltsamen Tieren und merkwürdigen Gästen". Vortrag von Axel von Ernst, Lilienfeld Verlag (Samstag, 12.00 Uhr, Gutenberg-Museum)
  • Gespräch: "Von Käpt’n Blaubär bis Hildegunst von Mythenmetz". Oliver Schmitt, Buchgestalter der Zamonien-Romane von Walter Moers im Gespräch mit Minpressenmesse-Kurator Jürgen Kipp (Samstag, 11 Uhr, Druckladen des Gutenberg-Museums)
  • Druckwerkstatt: Stand "Drucken & Lernen" 
  • Kinderprogramm: Buchherstellung, Papierschöpfen, Bilderbuchkino
  • Lesungen: durchgehend während der Messeöffnungszeiten 

Öffnungszeiten: 30. Mai bis 2. Juni 2019. Donnerstag und Freitag 14-19 Uhr, Samstag 10 bis 19 Uhr, Sonntag 10 bis 17.30 Uhr
Ort: Rheingoldhalle am Rheinufer

Umfrage unter den Ausstellern

Boersenblatt.net hat Aussteller der diesjährigen Mainzer Minipressen-Messe gefragt, was ihnen die Messe bedeutet und was sie dort zeigen.

Ingo Rüdiger, Ventil Verlag, Mainz:

"Die Messe ist bei uns direkt vor Ort in Mainz, das ist ganz praktisch. Wir unterstützen die Idee einer Messe, auf der sich kleine Verlage und Drucker präsentieren können, das ist ein spannender Ansatz. Die Messe hat sich etwas verändert, früher waren dort mehr Vertreter aus dem Literatur- bzw. aus dem Unterground-Literatur-Bereich, heute geht es mehr um Geschenkbücher aus kleinen Manufakturen. Das ist wohl dem Zeitgeist geschuldet. Vor Ort werden wir einen Querschnitt aus unserem Programm präsentieren, zum Beispiel: 'Hear ’em All. Heavy Metal für die eiserne Insel. Kompaktes Wissen für den Wackener Dancefloor.'"

Sewastos Sampsounis, Größenwahn-Verlag, Frankfurt:

"Als kleiner unabhängiger Verlag kann man bei dieser kleinen Messe sein gesamtes Programm so präsentieren, wie das bei keiner Buchhandlung möglich ist. Wichtig ist für uns, die unmittelbaren Reaktionen der Kunden mitzubekommen, da kann man das eigene Marketing direkt überprüfen. Wichtig ist für uns auch, das Mainz nahe bei Frankfurt liegt, die Messe ist eine gute Gelegenheit, in der Region Fuß zu fassen.
Unser Highlight ist ein Lyrikband mit dem Titel 'Danke! Spasibo!' von Elizaveta Kuryanovich. Der steht für unser Programm mit Autoren mit Migrationshintergrund, die auf Deutsch schreiben."

Silke Müller, Erlesenes & Büchergilde, Mainz:

"Wenn die Büchergilde mit ihrer Druckkunst auf die Messe kommt, ist das für uns ein Herzenspflichtprogramm. Wir präsentieren dort die Büchergilde mit einem kleinen Galeriebereich für Originalgrafik. Auf der Messe sind Künstler, Drucker und Verleger persönlich vor Ort, man kann Kontakt aufnehmen. Das ist eine Entdeckermesse, auf die sich auch unsere Kunden freuen. Unser Highlight ist das Buch 'Schloss Gripsholm' vom Illustrator Hans Traxler, das gerade bei der Büchergilde neu aufgelegt wurde."

Ilse Kilic, das fröhliche wohnzimmer, Wien:

"Wir sind fast von Anfang an auf der Messe vertreten. Die Messe ist ein toller Ort für kleine Verlage abseits des Mainstreams, die experimentelle Literatur und Lyrik verlegen. Man hat dort einen sehr guten Austausch mit Kollegen und Kunden, die dort die Möglichkeit haben, auch unsere Produkte zu entdecken und zu kaufen. Unser Highlight bei der Minipresse Messe ist in diesem Jahr unsere von uns illustrierte Lyrikreihe im kleinen Format mit verschiedenen Autoren wie Brandstifter, der aus Mainz stammt."

Reinhard Scheuble, Quetsche – Verlag für Buchkunst, Witzwort:

"Wir sind schon seit Ende der 80er Jahre auf der Messe vertreten und haben nur zweimal ausgesetzt. Die Messe ist eine Möglichkeit, unsere Bücher zu verkaufen, übers Jahr nutze ich viele solcher Gelegenheiten. Zeitweise war es schwierig, wenn es zum Beispiel geregnet hatte und es auch im Zelt nass wurde. Da hat der Umzug in die Rheingold-Halle schon geholfen. Vor Ort habe ich meine neuesten Bücher, die automatisch auch meine Lieblingskinder sind. Später relativiert sich das wieder etwas. So gibt es bei uns das gesamte Programm der Quetsche."

Der Termin liegt ungünstig? Es ist gerade zu weit nach Mainz?
Weitere Verkaufsausstellungen mit Beteiligung künstlerischer Handpressen: