Der Verkauf auf der Frankfurter Buchmesse muss möglich sein - meinen die Verleger. Bei den Buchhändlern gab es dafür eine deutliche Absage.
"Wir müssen uns dem Kundenwunsch öffnen", sagte Peter Kraus vom Cleff, Rowohlt Verlag, in der Fachgruppenversammlung der Verlage - und erhielt dafür ausnahmslos Zustimmung. Die Frankfurter Buchmesse werde dem Börsenvereinsvorstand am 27. Juni ein Konzept vorlegen, das Antworten auf kritische Fragen wie Einhaltung der Preisbindung und Unterstützung des stationären Buchhandels liefere. Kraus vom Cleff zufolge sprechen alle Vorzeichen für ein klares Go: "Es wird eine hitzige Debatte geben, aber bereiten Sie sich darauf vor, schon am Messesamstag in diesem Oktober Bücher zu verkaufen."
"Flurschaden wäre nicht zu reparieren"
Im Buchhandel würden die Meinungen in dieser Frage durchaus auseinandergehen, bilanzierte Christiane Schulz-Rother (Tegeler Bücherstube, Berlin), die als Vorsitzende des Sortimenter-Ausschusses zugleich im Börsenvereinsvorstand vertreten ist. Das Stimmungsbild, das sie bei der Fachgruppenversammlung Sortiment einholte, war allerdings ziemlich eindeutig: "Wenn wir diesen Geist aus der Flasche lassen, kriegen wir ihn nicht wieder rein", so unter anderem Jan Orthey (Lünebuch, Lüneburg).
Er verwies auf das Risiko, dass die Buchpreisbindung Schaden nehmen könnte, wenn sie beim Messeverkauf auf der Buchmesse nicht lückenlos eingehalten werde. Diese Gefahr sieht auch Veit Hoffmann (Buchhandlung Hoffmann, Achim) – vor allem angesichts der vielen Selfpublisher auf der Messe: "Ich kann verstehen, dass sich die kleinen Verlage einen Buchverkauf auf der Messe wünschen, aber der Flurschaden wäre nicht zu reparieren."
Birgit Grallert (Buchhandlung Grallert, Leipzig) verwies darauf, dass der Messeverkauf auf der Leipziger Buchmesse schon seit Jahren praktiziert werde: "Es hat uns sehr geschadet." Detlef Büttner (Lehmanns Fachinformationen), als gewähltes Mitglied im Börsenvereinsvorstand vertreten, warnte ebenfalls vor einer Freigabe: "Das ist der falsche Weg, denn Frankfurt ist keine reine Publikumsmesse." Weitere kritische Stimmen mahnten an, dass auch die Busfahrten, die viele Buchhandlungen anbieten, mit dem freien Verkauf passé sein dürften: Denn wer fährt seine Kunden schon nach Frankfurt, damit sie sich dort mit Lektüre eindecken?
Der Vorstand stellt Bedingungen
Am Tag nach den Fachgruppenversammlungen ging Vorsteher Heinrich Riethmüller in der Hauptversammlung kurz auf die Debatte ein. Auch seine Buchhandlung Osiander fahre mit vielen Kundenbussen zur Buchmesse: "Deshalb habe ich mich lange gegen den Buchverkauf in Frankurt gewehrt".
Man müsse aber immer auch die andere Seite hören – in diesem Fall die kleineren Verlage, die von den Einnahmen zumindest einen Teil ihrer Kosten denken könnten. Die Rahmenbedingungen für eine Freigabe sind für Riethmüller jedoch klar umrissen:
- Es müsse Geld in eine Buchhandelskampagne fließen,
- die Messestände müssten bis zum letzten Tag gut gefüllt sein
- und die Regeln der Preisbindung eingehalten beziehungsweise Verstöße sanktioniert werden: "Wenn die Buchmesse das nicht garantieren kann, wird der Vorstand einem Samstagsverkauf nicht zustimmen."
Für die ausstellenden Verlage in Frankfurt ist es inzwischen eine gängige Erfahrung, dass die kaufwillige Messekundschaft, deren Kaufwunsch nicht erfüllt wird, das Mobiltelefon zückt und Online ordert.
Dreimal dürfen Sie raten, bei wem diese Online-Bestellungen eingehen...
Dass der Buchhandel gegen den Buchverkauf auf der Messe rebelliert, ist zu erwarten. Die pauschale Warnung "das schadet uns allen" reicht aber nicht aus: Ich bezweifele heftig, dass in Berlin, München oder Knieritz an der Knatter irgendein Buch weniger über die Theke geht, wenn in Frankfurt der Buchverkauf freigegeben wird.
Wenn hingegen die Leipziger Kollegin dies als Folge des Messeverkaufs in Leipzig feststellt, dann nehme ich das sehr ernst - allerdings würde ich mir konkrete Zahlen wünschen, um das zu erhärten.
Solange diese Zahlen fehlen, halte ich dagegen: Messekäufe sind Spontankäufe. Nur ein winziger Prozentsatz der abgewiesenen Kunden wird zwei Tage später in die heimische Buchhandlung dackeln, um das auf der Messe gesehene und nicht gekaufte Buch zu bestellen.
Ein Festhalten am Verkaufsverbot verwandelt die Buchmessen in Amazon-Verkaufsförderungsveranstaltungen. Dass dies das Ziel der Buchhandlungen ist, bezweifele ich. Sollte es das sein - auch fein.
Der Hinweis auf die von Buchhändlern organisierten Messereisen ist wichtig. Tatsächlich dürfen diese aktiven Leute, die der Buchmesse eine Art Premium-Publikum bescheren, durch den Messeverkauf nicht geschädigt werden. Im Gegenteil: Es gilt, eine Möglichkeit zu finden, sie durch den Messeverkauf für ihr Engagement zu belohnen.
Das könnte man lösen, in dem man die von diesen Buchhändlern zur Messe gebrachten Käufer "ihrem" jeweiligen Buchhändler zuordnet. Das kann z.B. mittels eines Formulars geschehen, das es den verkaufenden Verlagen ermöglicht, die Verkäufe den Buchhandlungen zuzuordnen und diesen eine ordentliche Verkaufsmarge zuzuweisen.
Das ist jetzt nur eine von vielen Möglichkeiten, es geht sicherlich sehr viel eleganter. Ein halber Tag Kopfzerbrechen sollte aber zur Lösung führen.
Das Ziel sollte sein, die Buchmesse zu einer erweiterten Ladentheke für engagierte Buchhändler zu machen. Was sicherlich im Interesse aller Beteiligten wäre.
Nur der Zwischenbuchhandel guckt in die Röhre. Nun ja...
Zitiere gern meinen Vorredner:
"Ein halber Tag Kopfzerbrechen sollte aber zur Lösung führen."