Zur Wahl der Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs als Vorsteherin

Ein historischer Tag

19. Juni 2019
von Torsten Casimir
Erst zum zweiten Mal in seiner 194-jährigen Geschichte wird ab Oktober 2019 der Börsenverein von einer Frau geführt: Die Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs entschied das Rennen um das höchste Ehrenamt des Verbands gegen ihren Mitbewerber, den Zwischenbuchhändler Stefan Könemann für sich. Mit 943 gültig abgegebenen Stimmen ging die Vorsteherwahl mit einer Rekordwahlbeteiligung der Mitglieder über die Bühne. Ein historischer Tag also – und Verbandsdemokratie der seltenen Art: höchst lebendig.

Neu und deshalb gewöhnungsbedürftig war für den Börsenverein in den letzten Wochen der intensiv geführte Wahlkampf. Nicht nur die Kandidatin und der Kandidat selbst, auch ihre jeweils großen Unterstützergruppen haben mit Argumenten und Statements für ihre Favoritin, ihren Favoriten geworben. Bei zahlreichen Anlässen, auf allen Kanälen wurde leidenschaftlich debattiert. Streckenweise konnte man den Eindruck gewinnen, ein regelrechter Lagerwahlkampf trägt sich zu. Nicht zuletzt das enge Wahlergebnis, bei dem zwischen Karin Schmidt-Friderichs und Stefan Könemann nur 57 Stimmen Differenz lagen, spiegelt die ungewöhnlich hohe Involviertheit der Mitgliedschaft in dieser V-Frage wider.

Das Bild des Tages in der Hauptversammlung: Unmittelbar nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses geht der Unterlegene auf seine Gegenkandidatin zu, gratuliert herzlich zum Sieg, die beiden umarmen sich. Das mochte zwar aussehen wie choreografische Routine bei derlei Gelegenheiten, war aber nicht selbstverständlich. Eine kollegiale, hilfreiche Geste.

Denn in der Schlussphase der beiden Kampagnen hatte der Wettstreit zunehmend konfrontative Züge angenommen. Nichts für Zartbesaitete, um das Mindeste zu sagen. Insbesondere ein Brief des Zwischenbuchhändlers Eckhard Südmersen an viele Buchhandelsunternehmen, in dem der Libri-Chef (immerhin Mitglied des Wahlausschusses) nachdrücklich seine Wahlempfehlung für Stefan Könemann formulierte, hatte in weiten Teilen der Mitgliedschaft ein deutliches stilistisches Störgefühl ausgelöst. Eine hoch gehandelte These in den Pausengesprächen der Buchtage: Die Aktion dürfte eher der Kandidatin als dem Kandidaten geholfen haben.

Ein Wort, das in Berlin kursierte, passt programmatisch gut zu den Absichten der künftigen Vorsteherin: die Allparteilichkeit. Als Repräsentantin eines modernen Kultur- und Wirtschaftsverbands, der es ums Zuhören, um kluge Moderation der Interessen, um konstruktives Lösen von Konflikten geht, will die Mainzer Verlegerin den Börsenverein in die kommende Zeit führen. Die gemeinsame Arbeit an absehbar großen Aufgaben wird die paar Irritationen auf den letzten Metern des Wahlkampfes vermutlich schnell vergessen machen.


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