Porträt des Wagenbach-Vertriebsleiters Jörg Englbrecht

Gewusst wie

27. Juni 2019
von Börsenblatt
Wagenbach ist auch beim Sachbuch unkonventionell. Um die Titel in den Handel zu bringen, entwickelt Vertriebsleiter Jörg Englbrecht viel Fantasie.

"Der Vertrieb von Sachbüchern muss kreativer sein als der Vertrieb von Belletristiktiteln", sagt Jörg Englbrecht, seit Februar 2018 Vertriebsleiter bei Wagenbach. "Unser Glück ist, dass wir keine austauschbaren Sachbücher haben, sondern jedem Titel einen eigenen Auftritt geben können." Zum Beispiel "Die Kunst des Wartens", ein Text-Bild-Band aus dem Frühjahrsprogramm, der das Thema mit Fotos, Essays und literarischen Texten von Kafka über Beckett bis Bachmann erkundet. Wenn man so will, ein "hybrides", vielschichtiges Sachbuch, das zwar keine bestimmte Genre-Erwartung erfüllt, aber auf unterschiedlichen Ebenen Denkanstöße gibt. "Der ideale Titel für einen Museumsshop, aber auch sehr gut für das allgemeine Sortiment geeignet", meint Englbrecht.

Ein ähnlich aufgemachter Titel im Herbst ist das Buch des international renommierten Stadtwissenschaftlers Vittorio Magnago Lampugnani ("Bedeutsame Belanglosigkeiten. Kleine Objekte im Stadtraum"), das für September angekündigt ist. Um die Buchhändler frühzeitig zu begeistern und eine Vorstellung vom Buch zu vermitteln, schickt Englbrecht sein Vertreterteam mit einer Maquette – eine Art Buch­muster – des neuen Lam­pugnani in die Läden. "Das bringt manche Sortimenter auch dazu, einen kleinen Stapel zu ordern", so Englbrecht.

Der 43-jährige Vertriebsprofi ist ein Rückkehrer: Von 2008 bis 2013 war er bereits Vertriebsassistent bei Wagenbach, danach zog es den seinerzeit bei Pus­tet in Regensburg ausgebildeten Buchhändler wieder ins Sortiment zurück. Zweieinhalb Jahre arbeitete er bei Jörg Braunsdorf in der Berliner Tucholsky-Buchhandlung, bevor er der Branche dann für einige Zeit komplett den Rücken kehrte: Von 2016 bis Anfang 2018 begann er, in Berlin ein Selfstorage-­Lagerhaus mit aufzubauen. "Da konnte man schon mal Leuten begegnen, die im Leben nicht mehr als drei Bücher gelesen haben«, sagt Engl­brecht im Rückblick.

Steigende Anforderungen  Anfang 2018 läutete dann eines Tages das Telefon, am Apparat Wagenbach-Verlegerin Susanne Schüssler. Ob er sich vorstellen könne, wieder zurückzukommen – als Vertriebsleiter. Was Englbrecht tat und bis heute nicht bereut hat. In den fünf Jahren ohne Wagenbach hatte sich allerdings einiges in der Vertriebslandschaft verändert. "Das Geschäft ist viel kleinteiliger geworden und wir haben es heute mit mehr Anforderungen und Prozessen zu tun, auch vonseiten der Filialisten", sagt Engl­brecht. Die Zahl der digitalen Vertriebswege habe deutlich zugenommen, nicht zuletzt bei E-Books. Mit VLB-TIX sei zudem eine zentrale Vertriebsplattform für den Handel hinzugekommen.

Um für besondere Bücher zu werben, geht der Vertrieb gern unkonventionelle Wege: So wurden für den sehr ernst gemeinten Satire-Ratgeber "Faschist werden. Eine Anleitung" von Michela Murgia zehn Tage vor Erscheinen täglich Mailings herausgeschickt, die jeweils eine These aus dem "Faschistometer" am Ende des Buchs enthalten. "Das Buch wird auch im Herbst, wenn Landtagswahlen sind, Zündstoff für Diskussionen bieten", so Englbrecht. "Deshalb hat es in der Herbst-Vorschau noch einmal einen Extra-Auftritt bekommen."