"Warum darf das Georgian National Book Center nicht schließen, Frau Piwowarski?"

28. Juni 2019
von Börsenblatt
Georgien war im letzten Oktober Gastland der Frankfurter Buchmesse – und hat alle Messegäste verzaubert. Einen großen Anteil an diesem einmaligen Auftritt hatte das Georgian National Book Center (GBNC), das jetzt geschlossen werden soll. Warum das nicht sein darf, erklärt Maria-Christina Piwowarski, Buchhändlerin und Podcasterin (blauschwarzberlin), in der Sonntagsfrage.

Das Georgian National Book Center in Tbilisi wurde 2014 gegründet, um Literaturübersetzungen aus dem Georgischen und ins Georgische international zu fördern. Das kleine, aber höchst engagierte Team um Dr. Medea Metreveli ist der erste Anlaufpunkt ausländischer Literaturagenturen und Verlage für Information und Beratung. Der literarische Austausch zwischen ganzen Nationen beginnt hier. Das GNBC hat ein breites Netzwerk an Kontakten in aller Welt geknüpft, lädt verschiedene Menschen der Literaturbranche zu länderübergreifenden Dialogen ein und organisiert zum Beispiel Übersetzer*innen-Workshops. Spätestens der herausragende Auftritt des Gastlandes Georgien bei der Frankfurter Buchmesse 2018 hat bewiesen, was das GNBC leistet.

"Eine Frage der Wertschätzung"

Das GNBC soll jetzt im Juli geschlossen werden. Offiziell heißt es seitens des georgischen Kulturministeriums, dass das GNBC aus verwaltungstechnischen Gründen mit dem "Schriftstellerhaus" in Tbilisi zusammengelegt wird. Faktisch wird sich dadurch an den erfolgreichen Kompetenzen und Strukturen alles ändern. Das GNBC wird nicht mehr in der gewohnten Weise weiterarbeiten können. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, diese dramatische Entwicklung zu beklagen!

Zum einen ist das eine Frage der Wertschätzung und des Respekts, der Loyalität, der personellen Nachhaltigkeit in unserer Branche. Da haben (vornehmlich) Frauen einen wirklich bemerkenswerten Job gemacht, wurden im eigenen Land und international dafür gefeiert, und nun sollen sie brav in die zweite Reihe treten, obwohl noch so viel zu tun ist, obwohl ihr Engagement nicht nachgelassen hat?

Ich habe Anfang Juni erleben dürfen, wie das GNBC in Tbilisi Literaturagent*innen und Verleger*innen aus der Türkei, aus Frankreich, England und Norwegen die georgische Literatur nahebrachte. Mit dem gleichen Einsatz, der gleichen Leidenschaft, mit dem es wenige Jahre zuvor deutsche Verleger*innen mit der georgischen Literatur bekannt gemacht hat. Natürlich lag der Fokus damals auf dem Gastlandauftritt in Frankfurt, aber rund 200 übersetzte Titel aus dem Georgischen beweisen, dass dieser Austausch überaus erfolgreich war.

Das GNBC würde seine hervorragende Arbeit international fortsetzen, wenn man es nur ließe. Die bewegte Geschichte Georgiens, die bis zum heutigen Tag von Okkupation geprägt ist, nimmt eindeutig Einfluss auf die Literatur dieses Landes. Das GNBC hat erwiesenermaßen einen Großteil der Vermittlungsarbeit geleistet, die dafür nötig ist, diese besondere Literatur international zu vermitteln.

Warum gibt es keinen Aufschrei im Feuilleton? Das frage ich mich und es ist mir völlig unverständlich. Initiiert durch die Kurt-Wolff-Stiftung haben Ende Mai zahlreiche Verleger*innen und Übersetzer*innen einen offenen Brief an den Kulturminister Mikheil Batiashvili unterschrieben, in dem sie sich eindeutig gegen die Schließung des GNBC ausgesprochen haben. Tilman Spreckelsen hat in der FAZ ebenfalls darauf hingewiesen, doch viel mehr ist bisher erstaunlicherweise nicht passiert.

"Ich vermisse ein deutliches Zeichen"

Im letzten Jahr um diese Zeit waren die Feuilletons voll mit Artikeln über georgische Literatur. Einladungen des GNBC zu Pressereisen nach Georgien wurden fröhlich angenommen. Ich vermisse schmerzlich ein deutliches Zeichen der Loyalität, der Solidarität, des Interesses.

Maria-Christina Piwowarski leitet seit 2015 die Berliner Buchhandlung ocelot und macht daneben zusammen mit Ludwig Lohmann den Podcast blauschwarzberlin.