Die Sonntagsfrage

"Was macht der Börsenverein in Afrika, Frau Sänger?"

12. Juli 2019
von Börsenblatt
Jessica Sänger, Direktorin Stabsbereich Europäische und internationale Angelegenheiten im Börsenverein und seit Mai auch Vorsitzende des Urheberrechtsausschusses der International Publishers Association (IPA), ist gerade aus Nairobi zurückgekommen. Was hat der Verband in Afrika zu tun? Warum das Urheberrecht eine internationale Angelegenheit ist und wie Entscheidungen in Afrika Einfluss auf das europäische Urheberrecht haben können, erklärt Sänger in der Sonntagsfrage.

Der Börsenverein selbst hat natürlich in Kenia weder Mitglieder noch Mitarbeiter. Der Verband ist aber Mitglied des internationalen Verlegerverbandes IPA, der zwei Hauptzwecke verfolgt: die Stärkung des Urheberrechts sowie die Verteidigung der Freiheit des Publizierens. Die Arbeit für das Urheberrecht betreibt die IPA in erster Linie bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum, der WIPO, die ein Arm der Vereinten Nationen ist. Dort kommen 192 Staaten der Welt zusammen, um über den völkerrechtlichen Rahmen für das Urheberrecht zu entscheiden. Dieser Organisation ist z.B. zu verdanken, dass heute etwa Patente eines Landes in den meisten anderen Staaten ebenfalls Schutz genießen. Ganz ähnlich ist es im Urheberrecht: es gibt völkerrechtliche Verträge, die dafür sorgen, dass der Schutz eines in Deutschland entstandenen Textes auch z.B. in Mexiko gilt, und umgekehrt.

Auf der Tagesordnung des für das Urheberrecht zuständigen Gremiums bei der WIPO (SCCR) stehen nun schon seit einigen Jahren aber nicht mehr nur Schutzrechte, sondern auch Schrankenregelungen. Bestes Beispiel ist der Marrakesch-Vertrag, der für blinde, sehbehinderte und anderweitig lesebehinderte Menschen den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten ermöglichen soll. Dieser wurde bei der WIPO in Genf zwischen den Staaten geschlossen und verpflichtet diese nun zur Einführung entsprechender Urheberrechtsschranken. Die EU musste den Vertrag in eine Richtlinie gießen, und derzeit läuft die Umsetzung dieser Richtlinie auf Bundesebene. So haben die Entscheidungen der WIPO wesentlichen Einfluss auf den Regelungsrahmen hier in Deutschland. Anders als der Marrakesch-Vertrag könnten Verträge über weitreichende Schranken in den Bereichen Museen, Archive, Bibliotheken und Bildung, wie sie nun diskutiert werden, überaus schädlich sein. Wir vom Börsenverein arbeiten deshalb schon seit Jahren eng mit den Kollegen der IPA zusammen, um auf die Risiken hinzuweisen. Als Vorsitzende des Urheberrechtsausschusses bin ich seit zwei Monaten nun noch näher an diesem Geschehen dran.

Und nun endlich zu Nairobi: dort fand eine Regionalkonferenz der WIPO zum Thema Schranken statt. Delegierte aus ganz Afrika kamen dort zusammen, um zu diskutieren, ob es Handlungsbedarf gibt und wie ggf. die WIPO geeignete Maßnahmen finden kann. Die IPA hat mich als Ausschuss-Vorsitzende gebeten, die Delegation der IPA bei dieser Konferenz zu verstärken – und hat selbstverständlich die Kosten dafür übernommen. Unsere Aufgabe war es, als akkreditierte Beobachter-Organisation die Perspektive und Expertise der Verlagsbranche in die Gespräche einzubringen. Da in mehreren Arbeitsgruppen parallel gearbeitet wurde, war es wichtig, mit einer auch zahlenmäßig starken Delegation vor Ort zu sein. Die IPA hat es geschafft, Verleger aus Ägypten, der Elfenbeinküste, Ghana, Kenia, Marokko, Nigeria, dem Senegal und aus Südafrika nach Nairobi zu holen. Es war sehr erfreulich zu sehen, wie diese Kolleginnen und Kollegen mit den Delegierten aus ihren Mitgliedstaaten ins Gespräch kamen und wieviel Sachkenntnis sie aus ihren spezifischen lokalen Kontexten beisteuern konnten. Wir konnten die wichtige Rolle privatwirtschaftlicher Verlage z.B. für qualitativ hochwertige Lernmaterialien in den vielen Sprachen des Kontinents anschaulich machen. Gemeinsam mit den Delegationen der Urheber und der Verwertungsgesellschaften haben wir viel Aufmerksamkeit für marktgetriebene Lösungen und kollektive Lizenzierungsmöglichkeiten generieren können. Das war auch erforderlich, um dem Narrativ einiger Vertreter von Bibliotheken oder Lehrerorganisationen entgegen zu treten, wonach das Urheberrecht in erster Linie dazu diene, Mittel des "globalen Südens" für Bildung in den "globalen Norden" umzuverteilen und den afrikanischen Kontinent auszubeuten. Ganz im Gegenteil muss es darum gehen, die Verlagsbranchen dieser Länder nachhaltig zu stärken und die afrikanischen Gesellschaften damit kulturell, sprachlich und in der Bildung zu bereichern.