Fantasy-Festival in Ginsheim-Gustavsburg

Draußen Gewittersturm, drinnen purer Zauber

12. August 2019
von Börsenblatt
Normalerweise hören die Gäste der Buchhandlung in der Villa Herrmann den Schriftstellern unter freiem Himmel zu. Am vergangenen Freitag musste die Open-Air-Lesung wegen Gewitters aber kurzfristig in die Evangelische Kirche verlegt werden. Der Stimmung des einzigen literarischen Fantasy-Festivals in Deutschland tat das keinen Abbruch.

Dekoration und Beleuchtung waren stimmig, Buchhändlerin Monika Trapp, die das Fantasy-Festival seit 15 Jahren moderiert, führte empathisch durch den Abend und schuf eine magische Atmosphäre. Seit ebenfalls 15 Jahren ist Hans J. Jansen für die Organisation verantwortlich, zunächst für sein Bücherhaus in Rüsselsheim, seit 2014 für die Buchhandlung in der Villa Herrmann im südhessischen Ginsheim-Gustavsburg. Deren neue Inhaberin, Christina Müllender, freute sich darauf, zum ersten Mal hierfür zusammen mit dem Kulturbüro der Stadt Ginsheim-Gustavsburg als Veranstalterin aufzutreten.

Tolle Autoren, originelle Figuren
Die Autorin Sonja Kaiblinger, eigens aus Wien angereist, eröffnete den Reigen mit ihren schaurig-lustigen Abenteuern des „Scary Harry“, seins Zeichens Sensenmann im 522. Dienstjahr und völlig überarbeitet – er sehnt sich danach, endlich mal wieder Urlaub zu machen, anstatt dauernd Seelen einzusammeln. Besonders die jüngeren Zuhörer hatten ihr Vergnügen daran. Swantje Oppermann hatte anschließend ihre Debütlesung mit „Saligia“, einem Coming-of-Age-Roman mit einem Touch Fantasy. Die sieben Todsünden treten hier auf und wollen beherrscht sein.

Ava Reed, sehr sympathisch sehr aufgeregt, konnte zum ersten Mal aus ihrem Fantasyroman „Ashes and Souls“ lesen, der erst im September erscheinen wird. Sie hatte selber großen Spaß daran, ihre originellen Figuren lebendig werden zu lassen.

Akram El-Bahay bekam vor zwei Jahren während des 13. Fantasy-Festivals – ebenfalls in einer schwülen Gewitternacht – die Idee, den Klimawandel zum Thema zu machen. Jetzt stellte er in einer fesselnden Lesung seinen Roman „Herzenmacher“ vor, in dem ewiger Winter eine Welt gefangen hält. Auch Karl Olsberg war wiederholt zu Gast, diesmal mit „Boy in a Dead End“. Kann man die Essenz eines Menschen, seine Erfahrungen, Gefühle, Erinnerungen, auf eine Maschine übertragen?? Wird der Traum vom ewigen Leben wahr? Spannend, nachdenklich las er.

Trockener Humor, dramatische Szenen und eine Großmutter
Charmant eröffnete der Fantasy-Meister Wolfgang Hohlbein seinen Part mit dem Hinweis: „Meine Großmutter hat mir schon gesagt, wenn ich lese, schläft sie ein. Also Achtung!“ und bot dann eine spritzige Lesung aus „Märchenmonds Erben“, trockener Humor, gepaart mit dramatischen Szenen. Die Fans hingen ihm an den Lippen, kein Bonbonpapierrascheln war zu hören. Pünktlich zur Mitternacht las Hohlbein dann zum ersten Mal öffentlich aus „Armageddon, die Nephilim“, einem Thriller, der im November erscheint.

Der europaweit aktive Jazz-Drummer Dieter Arnold übersetzte die Texte kongenial in seine Percussion-Kunst. Als Hommage an die Fantasynacht, die er seit 15 Jahren begleitet, und als Dank an die Autorinnen und Autoren, die ihm neue Welten eröffneten, brachte er seine neue CD „Solo for Fantasy“ mit.

250 Gäste zwischen zwischen 8 und 88 Jahren, ein fünfstündiges Programm, in Ruhe mit dem Lieblingsautor reden können – das macht das Festival aus. „Ihr macht doch weiter mit dem Fantasy-Festival?!“, war die am meisten gestellte Frage in dieser Nacht. Was zeigt, dass das Buch, die Faszination für gute Geschichten und für ihre Erzähler ungebrochen ist.