Analyse zum Verkauf von Decius an Thalia und Schweitzer

Das Rennen wird immer schneller

13. August 2019
von Christina Schulte
Die Konzentrationsbewegung im Buchhandel hat in den letzten Monaten kräftig Fahrt aufgenommen. Die Filialisten umwerben verkaufswillige Buchhändlerinnen und Buchhändler wie nie zuvor. Das hat Folgen für die gesamte Branche. 

Wer glaubt, dass Thalia im Moment genug damit zu tun hat, die 55 Läden der Mayerschen ins eigene Unternehmen zu integrieren, irrt sich. Stimmt das Kartellamt zu, kommen ab dem 1. Februar 2020 auf einen Schlag noch zehn weitere Buchhandlungen hinzu. Der Hannoveraner Filialist Decius übergibt seine Läden an Thalia, das Rechnungsgeschäft geht zum 1. Januar 2020 an Schweitzer Fachinformationen. Bereits seit 2011 kooperieren beide Erwerber im Fachmediengeschäft miteinander.

Ein interessanter Deal, bei dem sich die neuen Eigentümer jeweils diejenigen Unternehmensteile herauspicken, die zu ihrem Portfolio passen. Decius wird filetiert, die Mischung aus allgemeinem Sortiment und wichtigem RWS-Geschäft weitgehend aufgehoben. Stattdessen konzentrieren sich Thalia und Schweitzer auf ihre jeweiligen Stärken. Das ist clever, denn davon dürften die Kunden profitieren und damit auch die Unternehmensentwicklung.

Für Thalia bedeuten die neuen Buchhandlungen die Möglichkeit, in Niedersachsen auf einen Streich kräftig Boden gut zu machen. Beim größten Filialisten ist ohnehin alles auf Wachstum ausgerichtet, so dass die Übernahme bestens ins Konzept passt und die Konzentrationsbewegung weiter anheizt. Auch kann Decius neben der Mayerschen als Aushängeschild für das angekündigte Partnerschaftsmodell dienen. Im eigenen Haus lässt sich bestens üben, was später den unabhängigen Buchhandlungen branchenweit angeboten werden soll.

In die Hände gespielt hat den Hagenern einmal mehr die offene Nachfolgefrage, vor der viele Buchhandlungen stehen und die für die meisten Inhaber nur schwer zu lösen ist. Da kann man schon erleichtert sein, wenn Thalia anklopft und ein Angebot vorlegt. Denn es ist niemanden zu verdenken, dass er sein Lebenswerk weitergeführt sehen möchte.

Erst in der vergangenen Woche hat Thalia die Buchhandlung Tilmann Riemenschneider in Osterode übernommen, am Montag kündigte Osiander den Kauf der Buchhandlung Kappler in Leutkirch an. Das sind nur zwei Schlaglichter der jüngsten Zeit. Thalia, die Mayersche, Osiander und Rupprecht scheinen sich im Moment geradezu ein Wettrennen beim Werben um verkaufswillige Buchhändlerinnen und Buchhändler zu liefern. Ein Rennen, das immer schneller wird und bei dem man sich fragt, wohin es führt und wie lange wessen Atem noch reicht.

Diese rapide Konzentration hat zwei Seiten: Einerseits werden Buchhandlungen und Standorte erhalten, Bücher bleiben sichtbar, andererseits verliert die Buchhandelslandschaft nach und nach ihre Vielseitigkeit. Auch für Verlage und Barsortimente wird die Luft dünner: Sie werden noch stärker auf Ansprüche und Wünsche ihrer wichtigsten Handelspartner eingehen müssen.