Kolumne von Martina Bergmann

"Wir können nur vor Ort unseren Aufgaben nachgehen"

14. August 2019
von Börsenblatt
Thalia und der unabhängige Buchhandel - da gibt es keine Verbindung, meint Martina Bergmann. Die Buchhändlerin, Verlegerin und Autorin aus Borgholzhausen rät, sich ausschließlich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Auch weil es vielleicht nicht ewig möglich sein werde, genauso schnell lieferfähig zu sein, wie Amazon und Thalia.

Bücher, die ich selber lese, kaufe ich oft außer Haus; eine simple Methode, um sich aktuell zu halten. Zu meiner Überraschung merkte ich, dass ich recht viele Bücher ausgerechnet bei Thalia kaufe. Das ist einerseits folgerichtig, denn so viele andere Buchhandlungen gibt es gar nicht mehr. Sie haben in diesen Kaufhäusern außerdem viel vorrätig, und sie haben auch eine gute Digitallogistik. Man kann schauen, was da ist, in welchem Laden, sich das reservieren und dann hinfahren. Ein überzeugender Service, auch etwas, das bei Amazon nicht geht. Ich käme absolut nicht auf die Idee, bei Amazon Romane zu bestellen - wie unsinnlich! Als Kundin finde ich nachvollziehbar, dass Thalia erfolgreich ist und expandiert. Als Buchhändlerin finde ich diese zumindest in Nordwestdeutschland marktbeherrschende Stellung eines einzelnen Unternehmens nicht glücklich.

"Ich kann jeden älteren Inhaber verstehen, der ein Angebot aus Hagen akzeptiert"

Dass zwei Firmen, also Amazon und Thalia, den wesentlichen Teil des privaten Konsums untereinander aufteilen, ist eine Sache. Man vergleiche Aldi und Lidl. Die Discounter verkaufen keine schlechten Lebensmittel, sie haben gut beleuchtete, meistens saubere Läden. Beide beschäftigen auch eine Vielzahl von Menschen, die nicht den unglücklichsten Eindruck machen. Spätestens seit der Einführung des Mindestlohns kann man davon ausgehen, dass die festangestellten Mitarbeiter ein zuverlässiges, wenn auch überschaubares Nettoeinkommen beziehen. Von den meisten Betreibern kleiner Firmen des herstellenden und verbreitenden Buchhandels kann man genau das nicht sagen. Deshalb kann ich jeden älteren Inhaber verstehen, der ein Angebot aus Hagen akzeptiert.

"Die Renditeschlacht kann nur auf dem Rücken der Lieferanten ausgetragen werden"

Aldi, Lidl und Thalia lösen ein, was sie versprechen. Es ist solide, und es funktioniert. Das gilt für die Konsumenten- wie die Mitarbeiterebene. Also kann die Renditeschlacht nur auf dem Rücken der Lieferanten ausgetragen werden. Und dass das Gefahren für alle Marktteilnehmer birgt, haben wir in der KNV-Insolvenz gemerkt. Es ist eine glückliche Fügung, dass Familie Simon-Schröter sich am Buchhandel ausprobieren möchte. Aber damit ist die Frage nicht beantwortet, wie wir anderen weitermachen wollen, wenn wenige sehr große Marktteilnehmer je eigene Lager und Bücherwagen unterhalten. Die verbleibenden Kleinkunden wird irgendwann nicht mehr jedes Barsortiment fünf oder gar sechs Mal in der Woche anfahren können. Damit würde unmöglich, worauf nicht wenige den Ruf ihrer Firma gründen: So schnell zu bestellen wie die Filialisten und sowieso wie Amazon.


"Wir können nur vor Ort unseren Aufgaben nachgehen" 

Ich glaube, wir müssen uns von der Idee eines noch so losen Miteinander verabschieden. Das Angebot von Amazon und besonders Thalia ist in Ordnung, aber es hat mit uns anderen nichts zu tun. Daran sollten wir uns nicht länger abarbeiten, zumal das schnell lächerlich wirkt. Wir können nur vor Ort unseren Aufgaben nachgehen. Da sein, irgendwo an der Peripherie. Sprechen, lächeln, zuhören. Gar nicht all das bieten wollen, was Kunden mitunter fordern, zumal nicht, wenn es unwirtschaftlich ist. Konkret: Leseförderung diejenigen machen lassen, die Zeit und Geld dafür haben. Abendtermine knapp halten und wirklich nur veranstalten, was man selber sinnvoll findet. Sein Sortiment und sich selber pflegen, weil man weder alten Kram verkauft noch mit Augenringen als Verkäufer überzeugt.

Ich sage manchmal zu Kunden, ich finde es nett von mir, dass ich überhaupt hier bin. Sie stutzen dann, stimmen aber meistens zu. Und wenn nicht, gibt es ja genügend andere Anbieter. Buchkäufer werden in Deutschland gut versorgt; da habe ich keine Sorge. Deswegen ist es unnötig, dass unabhängige Sortimentsbuchhändler sich mit irgendetwas anderem als ihrem eigenen Geschäft befassen. Die Optionen für Buchhändler sind nämlich überschaubar: Man kann bei Thalia arbeiten gehen, oder man macht sich so interessant, dass die Unwägbarkeiten der Lieferkette für Kunden weniger erheblich werden.

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