MACHTVERHÄLTNISSE, Teil 5: Ehrhardt F. Heinold über Technologie für kleine Unternehmen

"Konfigurieren, nicht programmieren"

29. August 2019
von Börsenblatt

Branchenberater Ehrhardt F. Heinold ist überzeugt davon, dass kleine Unternehmen durchaus erschwingliche und häufig schon vorkonfigurierte Technologie nutzen können – von der White-Label-Lösung für den Webshop bis zur Verlagssoftware. Teil 5 einer kleinen Börsenblatt-Serie, die Denkanstöße zu den Machtverhältnissen in der Buchbranche liefern will.

Ist Technologie für kleine Verlage, die den Buchhandel als aktiven Vertriebsweg nutzen wollen, der Rettungsanker? Oder verstärkt sie nur die Ungleichheit im Wettbewerb mit den technologisch fitteren Großen?
Für beide Thesen gibt es gute Argumente. Ich tendiere allerdings zur Rettungsanker-Metapher. Natürlich stellt Technologie Anforderungen, denen sich so mancher kleine Verlag oder Buchhändler nicht gewachsen glaubt. Die Kapazitäten in diesen Häusern sind ja eh schon oft mehr als ausgelastet, und dann soll da noch an einem Metadaten-Konzept gebastelt, ein Blog oder eine Mailsoftware konfiguriert werden. Dass ich dennoch den Rettungs­anker als Leitbild empfehle, liegt an meiner Erfahrung, dass kleinere Verlage oft sehr clever im Umgang mit Technologie sind. Gerade weil sie wenig Geld und Kapazitäten haben, nutzen sie Lösungen, die schon weitgehend fertig sind. Provokant formuliert: Wo Großverlage große Projekte aufsetzen, hat der kleine Verlag schon längst eine Mailsoftware oder einen Youtube-Kanal im Einsatz. Dafür gibt es in der Start-up-Szene viele Beispiele. Natürlich werden die Großen immer einen technologischen Vorsprung haben und mehr Ressourcen in diesen Bereich geben können. Aber eines ist sonnenklar: Wenn der stationäre Buchhandel als Vertriebsweg immer schwieriger wird, dann gibt es zum direkten Kontakt keine Alternative.

Wie können kleine Verlage und Buchhandlungen technologisch zu vertretbarem Aufwand vorankommen?
Die gute Nachricht ist, dass Technologie immer günstiger und vor allem leichter einsetzbar wird. Einen Webshop kann ich als White Label-Lösung mieten, ebenso Mailsoftware, sogar eine Verlagssoftware kann ich mittlerweile zu recht günstigen Konditionen mieten, Blogsoftware kann sogar umsonst in der Cloud genutzt werden. Und das alles oft vorkonfiguriert, ohne Installation, ohne großes Projekt. Mit diesen cloudbasierten Services kann ich eine moderne IT-Infrastruktur erstellen, die es mir erlaubt, meine Bücher auf allen Kanälen sichtbar zu machen. Ich will nicht schönmalen oder simplifizieren: Technologie ist immer komplex und braucht Kompetenz, aber so einfach wie heute war es noch nie, vor allem, wenn ein Verlag oder eine Buchhandlung bereit ist, vorhandene Standardlösungen zu nutzen. Zudem muss ich als Unternehmen entscheiden, wie ich meine Kapazitäten und Ressourcen verteile und wo ich Schwerpunkte lege.

Was muss auf der Anbieterseite geschehen, damit Technologie für kleine Marktteilnehmer bezahlbar bleibt?
Viele Anbieter sind schon auf dem richtigen Weg, indem sie modulare, vorkonfigurierte, anpassbare, cloudbasierte und mietbare Lösungen bieten. Diesem Vorbild sollten alle Softwareanbieter folgen. Die Leitlinie muss lauten "konfigurieren, nicht programmieren". Bedeutet konkret, dass ein Verlag oder eine Buchhandlung die Softwarelösung durch Konfiguration an seine beziehungsweise ihre Bedürfnisse anpassen kann, ohne aufwendige Individualprogrammierung. Blogsoftware funktioniert schon lange so, immer mehr IT-Systeme folgen diesem Ansatz. Die nächste Stufe ist dann die Integration der Systeme wie zum Beispiel einer betriebswirtschaftlichen Software und eines Webshops, damit Internetbestellungen gleich vernünftig verarbeitet werden können. Wenn die Anbieter hier noch mehr integrierte Lösungen "out of the box" bieten, dann wird IT für Verlage und Buchhandlungen noch einfacher einsetzbar.

Mehr Denkanstöße in der aktuellen Börsenblatt-Ausgabe - und in einem Schwerpunktheft über Konzentrationsprozesse und Machtverhältnisse, das zur Frankfurter Buchmesse erscheint.