Moritz-Verleger Markus Weber über Erfolg

Gnadenlos verschätzt

19. September 2019
von Börsenblatt
Was ist mit all den wunderbaren Büchern, die kaum nachgefragt werden? Es muss sie trotzdem geben, meint Moritz-Verleger Markus Weber – denn schließlich gibt es keine gültigen Erfolgsrezepte.

Mit dem Erfolg ist das ja immer so eine Sache. Wie schön ist es doch, dass Moritz nach 25 Jahren als erfolgreicher Verlag wahrgenommen wird. Titel wie "Die Torte ist weg", "Die besten Beerdigungen der Welt" oder "Gute Nacht, Gorilla" (alle aus dem Bücherjahrgang 2006) sind echte Longseller geworden. Davon spricht man gern! Sowieso geht es ja immer nur um das, was geklappt, Preise erhalten, Nachauflagen erzielt hat oder in viele Sprachen verkauft worden ist. Ungern geht es um jene Titel, die es nicht geschafft haben, von denen viel zu viele am Lager liegen und von denen sogar die Modernen Antiquariate nichts wissen wollen. Davon gab es in den Moritz-Anfangsjahren allerhand, und die große Zuneigung des Sortiments schlug in Skepsis um.

"Schön, aber leider schwer verkäuflich" ist kein gutes Prädikat und kann für einen Verlag das Aus bedeuten. Denn immer wieder gibt es Bücher, bei denen sich auch gestandene Verlagsleute gnadenlos verschätzen, egal, ob sie im Lektorat oder im Marketing sitzen. Da bei Moritz kein Marketing entscheidet, gehen diese Fehleinschätzungen stets auf meine Kappe. Aber warum um Himmels Willen funktioniert das wunderbare "Klapp auf, klapp zu" nicht, wo es doch alle toll finden, denen ich es vorstelle? Warum wird "Baby an Bord" munter remittiert, wo es doch kaum eine spannendere Geschichte um ein Baby gibt, und warum werden von "In finsterschwarzer Nacht" gerade mal 50 Exemplare im Jahr verkauft – dabei ist das Buch doch sooo gut?!?

Antworten darauf bleiben immer nur Spekulationen. Mal schiebt man es aufs Cover (zu blau?), mal auf zu vorsichtige Eltern, mal auf den Preis oder auf die ach-so-große Konkurrenz. Aber wäre es nicht extrem schade, wenn all diese Bücher nicht verlegt worden wären? Denn auch sie prägen das Bild eines Verlags, auch für sie setzen sich die Mitarbeiter ein, auch der ein oder andere Buchhändler – nur eben ohne größeren Erfolg. So begeistert wie ich war, als ich die drei eben genannten Titel zum ersten Mal sah, blieb mir gar nichts anderes übrig, als sie herauszubringen! Und nun sind sie Teil der Backlist und eines wird immerhin noch von 50 LeserInnen im Jahr entdeckt …

Was also ist Erfolg? 25 Jahre durchzuhalten? Immer wieder Aufmerksamkeit zu erhalten von Handel, Presse und Vermittlern? Neue, gute AutorInnen an den Verlag zu binden? Auf Bestsellerlisten zu landen und Preise zu gewinnen? Auf den Messen fast nur angenehme Gespräche führen zu dürfen? Oder Neues ausprobieren zu können – weil genügend Titel den Rücken dafür freihalten? Und immer wieder Projekte angeboten zu bekommen, bei denen es einem in den Fingern juckt? Nicht abhängig zu sein von Filialisten und Zentraleinkäufern? Es ist wohl alles zusammen, denn ein Listenplatz ist schnell wieder verloren, die Resonanz einer Besprechung nach ein paar Tagen verhallt.

Moritz in dieser Eigenständigkeit aufbauen und führen zu dürfen, war und ist ein Glücksfall für mich. Wie schön, dass die anfangs genannten drei Titel überhaupt bei uns gelandet sind, denn ausgemacht war das nicht. So gehören zum Erfolg auch immer Glück und Zufall. Zufällig bin ich auf "Good Night, Gorilla" aufmerksam geworden – an der Kasse einer kanadischen Kleinstadtbuchhandlung. Dass das Buch zehn Jahre später hierzulande zum Einschlafritual vieler Kinder gehören würde, war kaum vorstellbar.
So ist Erfolg letztlich eine feine, aber von sehr vielen Faktoren abhängende Angelegenheit – die aber alle irgendwie mit dem Wort "Qualität" zu tun haben dürften.

Markus Weber leitet seit der Gründung 1994 den Moritz Verlag in Frankfurt am Main, als Tochter des Jugendbuchverlags L’École des Loisir in Paris.