Interview mit Berater Dieter Durchdewald über Verlegernachfolge

Von Vorbildern und Nachfolgern

2. Oktober 2019
von Börsenblatt
Einen Verlag geordnet zu übergeben, ist heute nicht mehr so einfach. Gerade kleinere, unabhängige Unternehmen finden oft nur schwer einen Nachfolger. Was bei der Suche zu beachten ist, erläutert Dieter Durchdewald vom Beratungsunternehmen BerlinHorizonte im Gespräch.

Wie viele Verleger suchen derzeit in Deutschland einen Nachfolger?
Das lässt sich nicht repräsentativ beantworten, aber Unternehmenstransaktionen sind derzeit schon ein großes Thema in der Branche – im Handel und insbesondere auch bei Verlagen. Ich sehe im Moment allerdings sogar einen Verkäufermarkt – was bedeutet, dass mehr Unternehmen zum Kauf gesucht als angeboten werden.

Wer sucht denn?
Vor allem größere Fachverlage, die zusätzlichen Content brauchen. Ich bekomme jeden Monat eine Anfrage, wo ein Verlag in der Größenordnung von etwa einer Million Euro Jahresumsatz gesucht wird. Es gibt aber auch Publikumsverlage, die sich vergrößern wollen, um ihre Marktrelevanz zu erhöhen. Oder Einzelpersonen, die sich nach Jahren als Angestellte ein eigenes Unternehmen vorstellen können. Neulich hatten wir einen Kaufinteressenten, der mit über 60 noch einmal Lust hatte, einen eigenen Verlag zu führen. Natürlich gibt es auch Menschen, die so viel Geld in einer anderen Branche verdient haben, dass sie quasi als Quereinsteiger plötzlich Verleger werden wollen. Das klingt vielleicht erst einmal naiv, ist es aber meist nicht. Wir coachen die Personen zu Beginn, damit sie wissen, worauf sie sich einlassen würden. Und wenn dann die Entscheidung pro Verlag gefallen ist, gehen wir für sie auf die Suche.

Wie bringen Sie Verkäufer und Käufer zusammen?
Wir kennen viele Kaufinteressenten persönlich und verfügen über eine umfangreiche Datei mit Kontakten, aber natürlich passt der Deckel nicht auf jeden Topf. Wir hatten Glück und konnten bisher jedes angebotene Unternehmen verkaufen, doch es braucht eine enge Abstimmung und Beratung, bis zusammenfindet, was zusammenpasst. In einem Fall hat eine unserer Klientinnen auf 30 Prozent des möglichen Kaufpreises verzichtet, weil sie ihr Unternehmen bei einem Bewerber besser aufgehoben sah als bei einem anderen. Es geht den Verlegerinnen und Verlegern verständ­licherweise oft ums eigene Lebenswerk, um die Zuversicht, eine gute neue Heimat gefunden zu haben. Traditions- und Familienunternehmen ist das besonders wichtig.

Mit welchem Zeitplan sollten verkaufswillige Verleger kalkulieren?
Mit mindestens einem Jahr. Das Geschäft ist sehr sensibel, ernsthafte Verkaufsverhandlungen brauchen Zeit. Idealerweise sollten sich Unternehmerinnen und Unternehmer, die mit 65 in Rente gehen möchten, spätestens zwei, besser drei Jahre vorher mit dem Thema Unternehmensnachfolge beschäftigen und allmählich mit der Suche beginnen. Zumal man als Altverlegerin in der Übergangsphase meist noch einige Zeit gefragt ist. Leider kommen viele Verleger sehr spät zu uns.

Gibt es regionale Unterschiede bei der Verkäuflichkeit von Verlagen?
Nein, nicht jeder Verlag muss in Berlin oder München seinen Sitz haben, um Interessenten zu finden, im Gegenteil. Wir raten den kaufenden Verlagen in manchen Fällen auch dazu, übernommene Verlage nicht per se und sofort in die eigenen Strukturen zu integrieren. Ein funktionierender Verlag mit einem eingespielten Team am gewohnten Ort ist oft mehr wert als kurzfristige und manchmal ungewisse Synergien.