Friedenspreisträger Sebastião Salgado auf der Buchmesse

"Wir brauchen so viel Frieden auf der Welt"

17. Oktober 2019
von Börsenblatt
Seine Bilder erzählen davon, was der Mensch dem Menschen antut − und der Natur: Der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado, Friedenspreisträger 2019, kam heute zur Pressekonferenz auf die Messe. Seine Botschaft: "Wir haben einen wunderschönen Planeten − den wir schützen und auf dem wir Gesundheit und Reichtum gerecht verteilen müssen." Die Lage in seiner Heimat Brasilien nannte Salgado "ein Desaster".

Salgado, 75, wird am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet − als erster Fotograf überhaupt in der fast 70-jährigen Geschichte des Preises. Er war gerade im Amazonasgebiet unterwegs und nur über Satellitentelefon erreichbar, als der Börsenverein ihm die Nachricht von der Auszeichnung überbringen wollte. Er freue sich sehr über die Ehrung, so Salgado bei der traditionellen Friedenspreis-Pressekonferenz am Buchmesse-Freitag: "Gerade weil es ein Friedenspreis ist. Denn wir brauchen so viel Frieden − in der Welt, aber auch in meiner Heimat Brasilien."

Die Lage in Brasilien sei "ein Desaster", bilanzierte der Fotograf: "Nicht nur in Bezug auf die Zerstörungen im Amazonas-Gebiet, sondern überall in der Gesellschaft." Nach dem Rechtsruck unter Präsident Jair Bolsonaro würden politische Institutionen nicht mehr respektiert, bei der indigenen Gemeinschaft, zu der heute noch rund 310.000 Menschen zählen, würden Angst und Verzweiflung herrschen, weil ihr gesetzlich geschützter Lebensraum in Gefahr sei. Die internationale Gemeinschaft könne und müsse Druck ausüben, auch Deutschland, so Salgados Appell: "Treffen Sie keine Wirtschaftsvereinbarungen mehr mit der brasilianischen Regierung."

Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller kann sich keinen besseren Friedenspreisträger vorstellen als Salgado: "Klimawandel, Naturkatastrophen, Migration, Arbeitsbedingungen: Es sind die großen Themen dieser Zeit, die Folgen der Globalisierung, die Sebastião Salgado in seinen Bildern bearbeitet."

Von vielen Krisenherden dieser Welt hat Salgado mit der Kamera Zeugnis abgelegt − darunter die Kriege und Völkermorde in Burundi, Ruanda, im ehemaligen Jugoslawien. Wie hält man das aus? Salgado hatte Alpträume, wurde krank: "Trotzdem musste ich diese Aufnahmen machen." Hoffnung in die Menschheit, in die Zukunft habe er damals nicht mehr gehabt, gestand der Fotograf.

Heute ist das anders: In einem Tal im Amazonasgebiet, auf einer Farm der Familie, widmet er sich zusammen mit seiner Frau Lelia und seinem Instituto Terra einem großen Wiederaufforstungsprojekt. Nahezu 2,5 Millionen Bäume wurden hier neu gepflanzt, bei weiteren Renaturierungsprojekten und Schulungen für die Landwirtschaft arbeitet Salgado unter anderem mit der deutschen Förderbank KfW zusammen. "Die Erde erholt sich wieder, die Tierwelt auch", berichtete der Friedenspreisträger. Termiten, Jaguare, Affen: Jede Spezies sei genauso wichtig wie der Mensch, viele davon seien durch die Aufforstung in das Gebiet zurückgekehrt: "Das hat auch meine Hoffnung zurückgebracht. Der Planet wird in jedem Fall überleben − es kann nur sein, dass er den Menschen dafür einfach rausschmeißt."

Sein nächstes Buch ist auch schon im Entstehen: Salgado hat sieben Jahre Arbeit im Amazonas mit der Kamera dokumentiert, der Titel soll 2021 im Taschen Verlag erscheinen.

Ein Porträt des Fotografen lesen Sie hier, zur ausführlichen Begründung des Stiftungsrates geht es hier.

Für das allgemeine Publikum ist Salgado am Samstag live auf der Buchmesse zu erleben. Dann signiert er ab 11 Uhr am Stand des Taschen Verlags (Stand D 85, Halle 3.0) seinen neu herausgegebenen Bildband "Gold". Der Bilderzyklus dokumentiert den Goldrausch und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der brasilianischen Freiluftgoldmine Serra Pelada, in der einst rund 50.000 Menschen nach dem Edelmetall schürften und die Salgado 1986 besuchte (mehr dazu hier).

Die Friedenspreisverleihung am Sonntag wird ab 11 Uhr live vom ZDF übertragen. Die Laudatio auf Salgado hält Regisseur Wim Wenders, der den Fotografen 2014 in seinem Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" begleitet hat.