Die Sonntagsfrage

"Warum weint Hanser?"

1. November 2019
von Börsenblatt
Ein ungewöhnliches Sachbuch – Heather Christles "Weinen" – löst eine ungewöhnliche Aktion aus: "Hanser weint" vom 7. bis 11. November. Im Münchner "Lost Weekend" entsteht ein Pop-up-Store mit Büchern, Fotoarbeiten und Installationen. Zu allem, was traurig macht und Tränen in die Augen treibt. Das "Hanser weint"-Team über das Konzept.

Hanser weint! – unter diesem Motto zieht der Hanser Verlag vom 7. bis 11. November in die Münchner Buchhandlung mit Coffeeshop Lost Weekend im Univiertel und eröffnet einen eigenen Raum für Bücher, Tränen, Kunst und Musik. Der fünftägige Pop-up-Store versammelt Literatur, die uns zum Heulen bringt, schwermütige Kunst und traurige Musik aller Zeiten und Stile. Für einige Tage entsteht mitten in der Stadt ein Bücherraum, eine Kulisse für Kunst und eine ganz eigene Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche – eine Woche der Tränen.

Den Anstoß für die Idee gibt ein ungewöhnliches Sachbuch aus unserem aktuellen Programm: "Weinen", geschrieben von der amerikanischen Lyrikerin Heather Christle. In ihrem literarischen Essay folgt Christle der Bedeutung des Weinens an den entscheidenden Momenten des Lebens, sie fragt sich, welche Erlebnisse sie zum Weinen gebracht haben, und erkundet Denker, Schriftsteller und Künstler, deren Arbeiten um die Traurigkeit kreisen. Assoziativ und poetisch entspinnt sich eine außergewöhnliche Kulturgeschichte des Weinens – die einlädt, sie auch jenseits der Buchdeckel weiter zu erzählen.

Und genau das werden wir tun – mit unterschiedlichen Stimmen, in unterschiedlichen Medien, in Literatur, Kunst und Musik.

In unserem Pop-Up-Store wird es die unterschiedlichsten Hanser-Bücher geben – Romane, Sachbücher, Lyrik, Kinderbücher, Klassiker, die im engeren oder weiteren Sinne das Weinen berühren. So schildert der Neurowissenschaftler Robert Sapolsky in "Gewalt und Mitgefühl", was Traurigkeit mit der Amygdala zu tun hat. Mit Gustave Flauberts "Madame Bovary" staunen wir darüber, mit welcher "impassibilité" sich über den Tod schreiben lässt. T.C. Boyles "Das Licht" führt vor, wie es sich auf LSD weint. Und die Lektüre von Ocean Vuongs umwerfendem Roman "Auf Erden sind wir kurz grandios" hat uns in diesem Herbst ohnehin die Tränen in die Augen getrieben.

Die Hanser-Zwischenmiete wird von Fotoarbeiten und Installationen der Künstler Florian Tenk und Simon Freund begleitet. Am Freitag, 8. November, mündet das mehrtägige Tränenmeer in einen großen Lesungsabend mit dem Lyrikkollektiv "meine drei lyrischen ichs" und den Autorinnen Ronya Othmann und Mira Mann – zwei junge literarische Stimmen, die sich auf ihre Weise mit der Traurigkeit auseinandersetzen. Anschließend sind alle Schwermütigen der Stadt eingeladen, in einer Sad Disco ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen.

Hanser weint verschafft einem außergewöhnlichen Buch einen ungewöhnlichen Auftritt. Wir wollen nicht nur gute Bücher machen, sondern aus diesen Büchern auch außerhalb der Buchdeckel etwas Besonderes entstehen lassen: neue Orte, neue Kollaborationen, neue Formate – mitten im Stadtalltag.

Die besten Bücher hallen nach dem Zuklappen weiter nach. Diesen Moment des Nachhalls dehnen wir aus.