Börsenverein ehrt Niggemann mit Plakette "Der Förderin des Buches"

Elisabeth Niggemann geht, Frank Scholze kommt

13. Dezember 2019
von Börsenblatt
Stabwechsel in der Deutschen Nationalbibliothek: Elisabeth Niggemann, die seit 1999 Generaldirektorin der Institution ist, geht in den Ruhestand und übergibt ihre Aufgaben ihrem Nachfolger Frank Scholze.

Vor mehreren hundert Teilnehmern aus Bibliotheken, Verlagen und Kultureinrichtungen des In- und Auslands wurde heute Elisabeth Niggemann, die zwei Jahrzehnte die Geschicke der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) gelenkt hat, aus dem Amt der Generaldirektorin verabschiedet. 

Aus der Hand von Günter Winands, Amtschef von Bundeskulturministerin Monika Grütters, erhielt sie auf der Bühne des großen Konferenzsaals der DNB die Dankurkunde zum Abschied, unterzeichnet von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ebenfalls aus der Hand von Winands erhielt ihr Nachfolger Frank Scholze die Ernennungsurkunde. Er tritt sein neues Amt im Januar 2020 an.

In seiner Begrüßung machte BKM-Amtschef Winands deutlich, dass mit Elisabeth Niggemann nicht nur eine Frau mit "hohem Sachverstand und großem Engagement" aus dem Amt scheide, sondern zugleich "eine Ära" zu Ende gehe. Niggemanns Zeit sei vor allem durch die Bewältigung des digitalen Wandels gekennzeichnet gewesen. Als 2006 mit dem Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek der Sammelauftrag auf Netzpublikationen erweitert worden sei, habe sich kaum jemand vorstellen können, dass sich deren Zahl so exponentiell vergrößere. Die Erschließung und Speicherung der unkörperlichen Publikationen sei bis heute eine neue, große Herausforderung. Gleichzeitig sei es immer darum gegangen, die physischen Bücher zu erhalten und weiterhin für die Nutzung bereitzustellen. "Diesen Spagat hat Elisabeth Niggemann mit Bravour gemeistert."

Zwei berufliche Wegbegleiterinnen der vergangenen Jahre, die Leiterin der Frankfurter Stadtbibliothek, Sabine Homilius, und Lily Knibbeler, die Generaldirektorin der niederländischen Nationalbibliothek, priesen in ihren Grußworten die Diskussionskultur der scheidenden Generaldirektorin. Es habe immer "engagierte Diskussionen" mit Elisabeth Niggemann gegeben, und man habe ihr immer gern zugehört und sie als Autorität in ihrem Fach erlebt.

Ehrung als "Förderin des Buches"

Vor der Festrede gab es eine Überraschung: Elisabeth Niggemann erhielt aus der Hand von Börsenvereins-Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs "in Anerkennung ihres außergewöhnlichen Engagements" die höchste Auszeichnung des Verbands für Personen, die sich für das Buch engagieren: die Plakette "Der Förderin des Buches".

"Elisabeth Niggemann hat den Wandel der Deutschen Nationalbibliothek ins digitale Zeitalter sorgsam, gewissenhaft und als Mittlerin zwischen Autorinnen und Autoren, Verlagen, Bibliotheken und Verwertungsgesellschaften gestaltet – die Umsetzung der Digitalisierung verwaister und vergriffener Werke ist ein Beispiel hierfür. Trotz aller Zukunftsorientierung verlor sie das Buch als Kulturgut und die Bedeutung, die in seiner Materialität und Ästhetik liegt, nie aus den Augen", sagte Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins.

Elisabeth Niggemann wurde 1999, nach ihrer Zeit als Direktorin der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, zur Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek berufen. Für ihre Verdienste um das Buch- und Bibliothekswesen erhielt sie 2009 den Julius-Campe-Preis. 2018 ist sie mit dem Chevalier des Arts et des Lettres der Republik Frankreich geehrt worden. Niggemann erhielt zudem zu Beginn dieses Jahres das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland.

Niggemanns persönlichen Werdegang und ihre außerordentliche professionelle Lebensleistung schilderte Barbara Lison, Direktorin der Stadtbibliothek Bremen, in der Festrede. Allein die Aufzählung der (internationalen) Bibliotheks- und Kulturgremien, denen die Generaldirektorin der DNB angehört (um die 15) gebietet Respekt. Bis 2021 wird Niggemann noch Vorsitzende der Europeana-Stiftung sein.

Eine weitere Überraschung für Elisabeth Niggemann war die Publikation "Das ABC der DNB", an der 130 Mitarbeiter mitgewirkt haben, und die Open Access zugänglich ist. Für Niggemann gab es eines der gedruckten Exemplare, die auch im Buchhandel erhältlich sein werden.

Die vielfach Gelobte bekannte in ihrer Abschiedsrede, dass sie Schwierigkeiten mit Abschied, Lob und Fotografiertwerden habe. Trotzdem sei aber alles, was ihr heute widerfahre, "sehr schön". Sie habe Vieles während ihrer Tätigkeit schäzen gelernt, auch die vielen Reisen ins Ausland, die zur "Herzensbildung" beigetragen hätten. Außerdem habe sie es gelernt, in Kompromissen zu denken – eine Eigenschaft, die auch ihrem Verhältnis zu den Verlagen zugutekam.

"Anerkennung von Komplexität"

Dann trat ihr Nachfolger, Frank Scholze, ans Pult. Scholze, Jahrgang 1968, hat Bibliothekswesen, Kunstgeschichte und Anglistik studiert. Er war seit 2010 Direktor der Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Der Verwaltungsrat der Deutschen Nationalbibliothek hatte im April dem Bundespräsidenten die Berufung von Frank Scholze zum Generaldirektor der Deutschen Nationalbibliothek vorgeschlagen. Er will die Deutsche Nationalbibliothek als "kulturelles Gedächtnis der Vergangenheit und der Zukunft" weiterentwickeln. Frank Scholze ist Mitglied des Bundesvorstandes des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv) sowie einer Reihe von wissenschaftlichen Ausschüssen und Beiräten, unter anderem bei der Deutschen Gesellschaft für Klassifikation (GfKl). Seit 2019 ist er Mitglied im Herausgebergremium der Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB). Scholze ist an zahlreichen Projekten im Bereich Digitaler Bibliotheken und Forschungsinformation beteiligt und war Sprecher der AG Elektronisches Publizieren der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation (DINI).

In seiner Antrittsrede hob er einige Punkte hervor, die man als Devise für seine Amtszeit auffassen kann. Es komme darauf an, Komplexität anzuerkennen, die Zukunft gemeinsam zu gestalten, Partnerschaften zu suchen und eine andere Fehlerkultur zu leben. Fehler machen gehöre dazu, wenn man die Dinge weiterentwickeln wolle.

roe