Neues Konditionenmodell der Verlagsgruppe Random House

Beratung statt Backoffice

20. Dezember 2019
von Torsten Casimir
Random House bietet dem Buchhandel ein neues Konditionenmodell an: leicht zu verstehen, einfach zu handhaben. Damit wollen die Münchner dem Sortiment zu mehr Zeit für Kundengespräche verhelfen.

Seit Februar verantwortet Ruth Schwede den Gesamtvertrieb der Verlagsgruppe Random House. Ein besonderes Augenmerk legt sie mit ihrem Team auf das partnerschaftliche Verhältnis zum Buchhandel. Bei einem Round Table berichteten Schwede und ihre Kolleginnen Veronika Brunckhorst, Verkaufsleitung Außendienst Buchhandel, und Ute Katzmann, Teamleitung Kundenbetreuung Innendienst, was die Münchner in der Zusammenarbeit mit dem Sortiment Neues anzubieten haben. Dabei lassen sie sich in ihren Überlegungen von ein paar Grundvermutungen und Kernzielen leiten.

"Kunden des stationären Buchhandels wollen inspiriert werden."

Den besten Beleg für diese These findet Ruth Schwede im Bahnhofsbuchhandel. "Die zehn, 15 Minuten Zeit, bevor ihr Zug fährt, nutzen Menschen gerne dazu, einfach mal zu gucken, was es so gibt", sagt die Vertriebschefin. In Zürich bei Valora zum Beispiel habe man die Erfahrung machen müssen, dass die Verkäufe zurückgingen, seit in den Fahrplänen die Taktung der Folgezüge verkürzt wurde. Die sprichwörtliche Schweizer Pünktlichkeit erweist sich, so scheint es, als Nachteil für den Buchhandel. Fürs Stöbern bleibt zu wenig Zeit. Umgekehrt sind aber auch übermäßige Verspätungen ungünstig. "Sobald die Stimmung sinkt, sinkt auch die Kaufbereitschaft."

Die Beobachtungen erklärt Ute Katzmann so: "Eigentlich sind die gestressten potenziellen Buchkäufer immer schwieriger zu erreichen. Deswegen sind Zeiten, in denen der Stress einmal abfällt, für uns als Vertriebsleute besonders kostbar geworden, kostbarer noch als früher." In Zeiten des Stöberns steige die Bereitschaft, sich anregen zu lassen und sich zu nicht geplanten Käufen zu entscheiden. Daraus leiten die Vertriebsprofis eine für ihre eigene Arbeit zentrale Schlussfolgerung ab:

"Mit einem neuen Konditionenmodell helfen wir unseren Buchhandelspartnern, dass sie im richtigen Moment Zeit für ihre Kunden haben."

Das Konditionenmodell wird ab dem 1. Februar 2020 für alle Direktbezüge über die Auslieferung VVA gelten (siehe Infokasten). Gegenüber der bisherigen Praxis sieht das Modell klarere, vereinfachte, das Backoffice entlastende Strukturen vor. Über sämtliche Ausgabeformen soll es eine einheitliche, auf den Jahresumsatz bezogene Rabattstaffel geben. Hinzu kommen einheitliche Rechnungskonditionen mit 60 Tagen Skontofrist und 90 Tagen Ziel. Schließlich sieht das Modell freies Remissionsrecht nach sechs Monaten vor, bis zu einer jährlichen Retourenquote von 15 Prozent.

"Damit reagieren wir darauf, dass im stationären Sortiment häufig wenig Personal zur Verfügung steht und wir dem Buchhändler dabei helfen wollen, seine Zeit und Aufmerksamkeit auf den Endkunden zu investieren", erklärt Veronika Brunckhorst. Der Händler könne nun mit vereinfachter Rechnungstellung auf unkomplizierte Weise so bestellen, wie es für seine Bedürfnisse optimal ist. Auch für den Vertrieb von Random House bedeutet das Modell eine wesentliche Neuorientierung:

"Wir orientieren uns stärker an den Bedürfnissen des Buchhändlers und nicht ausschließlich an eigenen, titelbezogenen Verkaufszielen."

Das war lange anders. "Wir kommen aus einer alten Welt, wo unsere ganze Incentivierung darauf ausgerichtet war, was wir pro Titel an Verkäufen erreichen wollten", erläutert Ruth Schwede. In Zukunft richte sich ihr Augenmerk auch auf andere Ziele, etwa auf die regionalen Möglichkeiten und Bedürfnisse des Händlers. "Er soll mehr Zeit haben für den Verkauf, für den POS, für Aktionen, für Kooperationen mit Partnern in seinem Kiez. Deshalb nehmen wir ihm Bürokram ab und machen ihm das Handling so einfach wie möglich."

Wenn Schwede und ihr Team "Partnerschaft" sagen, denken sie über Rabatte und Remissionen hinaus. Verlagen wie Buchhandlungen gehe es doch um dasselbe Ziel: "Gespräche über Bücher anzuzetteln". In den Stadtvierteln, so argumentieren die Random-House-Strateginnen, entstehen neue Möglichkeiten durch Vernetzung mit anderen kulturellen Akteuren, mit Kulturvereinen, Interessengemeinschaften. Auch an neue Allianzen sei zu denken: Buch und Kunst, Buch und Café, Buch und Mode etwa. "Wo sich Menschen aufhalten und wo Geselligkeit entsteht, da kann man gut über Bücher reden", fasst Schwede die Idee zusammen. "Das stationäre Sortiment ist dabei definitiv der Ort, an dem Buchhändler ihre Kunden am persönlichsten kennen", ergänzt Veronika Brunckhorst. Deshalb habe die Förderung der Vielfalt im Handel Priorität.

"Nur eine gesunde Buchhandelsstruktur bietet die Chance, dass wir uns auch im internationalen Wettbewerb behaupten."

Die Konkurrenzsituation zu den großen internationalen Online-Playern sei in vielen Märkten deutlich schwieriger als in den deutschsprachigen Buchmärkten. konstatiert Schwede – nicht so in den deutschsprachigen Buchmärkten. "Wir haben immer noch eine weitgehend gesunde Handelsstruktur, mit überregionalen und regionalen Ketten, mit regionalen Platzhirschen, mit einer Vielzahl und Vielfalt unabhängiger Buchhandlungen." Verlage agierten in eigenem Interesse, wenn sie diese Strukturen zu stützen und zu schützen versuchten. Schwedes Prognose zur Entwicklung dieser Landschaft ist differenziert: In ländlichen Räumen mit schwacher Bevölkerungsdichte und schwierigem Sozialaufbau werde die stationäre Handelsstruktur weiter verloren gehen. In urban verdichteten Räumen und touristisch attraktiven Regionen hingegen sieht sie Perspektiven eines Aufschwungs. "Um beispielsweise Baden-Württemberg, Bayern, das Rheinland, um die Küstenregionen im Osten wie im Westen, um die Wandergebiete in Deutschland mache ich mir buchhändlerisch keine Sorgen." Ein paar langfristige Großtrends – ökologisch bewusstes Leben, Nachhaltigkeit, Wiederentdeckung heimatlicher Urlaubsziele – böten Chancen für das Buch.

"Wir müssen wegkommen von der reinen Fokussierung auf Novitäten und Bestseller."

Dieser Satz, formuliert von der Vertriebschefin derjenigen Verlagsgruppe, die in den jährlichen Chart-Auswertungen stets Spitzenplätze belegt, überrascht. Fußt aber auf guten Gründen: "Der ausschließliche Fokus auf den optimalen Einverkauf von Novitäten ist auf Dauer nicht zielführend. Wir müssen mit dem Buchhandel ins Gespräch darüber kommen, was Leserinnen und Leser tatsächlich interessiert", fordert Schwede. Ein Beispiel hat sie in London entdeckt: "Dort hat es mir in einer Buchhandlung total gut gefallen, was die sich für ihre Krimiabteilung hatte einfallen lassen. Da wurden Krimis aus den 30er Jahren, den 40er Jahren für jedes Jahrzehnt bis hin zu Novitäten angeboten – einfach mal eine neue Idee, mit Krimis umzugehen, Interesse zu wecken abseits von Serien und Standardpräsentationen."

Ute Katzmann betont: "Neu für die Leserin und den Leser heißt doch nur, dass sie oder er ein Buch noch nicht gelesen hat. Das kann sowohl auf Novitäten wie auch auf Backlisttitel zutreffen." Und Veronika Brunckhorst ergänzt: "Bücher entdecken helfen, das ist das besondere Metier des kleinen und mittleren Buchhandels. Die verkaufen ihre Lieblingstitel teilweise in höheren Stückzahlen als die Spitzentitel der Charts. Sie haben Empfehlungslisten, die gar nicht deckungsgleich sind mit Bestsellerlisten. Das finde ich großartig und inspirierend."

"Datenschauen helfen nur bedingt, 'Talk of the Town'-Titel zu machen."

Zu den Trend- und Wachstumsbereichen rechnen die Münchner derzeit das stärker werdende Interesse an deutschen und europäischen Autoren. "Es scheint so, dass in der gegenwärtigen Weltlage die Menschen am ehesten dort Orientierung suchen, wo Autorinnen und Autoren ihnen kulturell und inhaltlich nahe sind", vermutet Ruth Schwede. Deutlich sei das beispielsweise auf dem spanischen Markt zu beobachten, wo sich regionale Literaturen wie das Katalanische stark entwickelten.

Mit ähnlichen Titeln direkt an die ganz großen Verkaufserfolge anzuknüpfen, wie z.B. an die Shades of Grey Trilogie von E L James, ist in allen Genres schwierig. "Zwar kennen wir unsere Zielgruppen in vielen Bereichen sehr gut, doch es gibt natürlich kein Standard-Rezept dafür, einen Hype in einer sehr breiten Zielgruppe auszulösen", räumt Schwede ein. Strikt datenbasierte Titelplanung sei "nur bedingt" erfolgversprechend. Beispiel Peter Wohlleben: "Bei dessen erstem Buch Der Wald. Ein Nachruf hätte man bei Ludwig aufgrund der Verkaufsdaten auch sagen können: kaum Potenzial", erinnert sich Ute Katzmann. Manchmal müsse man eben an einen Autor glauben und langen Atem beweisen. "Da helfen Datenschauen nicht weiter oder können sogar in die Irre führen."

Und wie helfen digitale Vorschauen?

"Der entscheidende Vorteil von VLB TIX soll die Verbesserung der Qualität des Verkaufsgesprächs sein."

An den Diskussionen über VLB TIX kritisiert Schwede einen "oft falschen Fokus. Es geht doch nicht darum, ob ein Buchhändler mit Papierunterlagen oder mit digitalen Informationen arbeitet. Unser Interesse ist: Schaffen wir es, den Buchhandel stationär genauso kuratiert und zeitnah zu informieren, wie wir das online schaffen?" Ziele ihres Engagements für VLB TIX seien die "Verbesserung der Qualität des Verkaufsgesprächs und Erleichterungen für den Buchhandel, dem daraus ein Zeitguthaben entstehen muss".

An diesem Punkt sei aber die Vorteilsargumentation "noch nicht so rund, dass es für kleinere und mittlere Buchhändler wirklich schon passt", merkt Schwede kritisch an. "Der Anschluss an alle gängigen Warenwirtschaftssysteme ist ein Muss. Denn warum soll ein Buchhändler mit einem System arbeiten, das für ihn hinterher eine riesige Nacharbeit erfordert?“ Auch der Umstand, dass es noch zu viele Verlage gebe, die die Digitalvorschau bisher "sehr zurückhaltend" nutzten, sei ungünstig für den Buchhandel, weil der sich derzeit von Verlag zu Verlag immer wieder auf andere Informationswege einstellen müsse. "Da bleibt der Optimierungseffekt übersichtlich."

Schwede mahnt zur Eile und weist auf ihr übergeordnetes Interesse hin: "Wir sind keine TIX-Botschafter, sondern wir werden für den bestmöglichen Einverkauf unserer Bücher bezahlt."  

Die neuen Buchhandelskonditionen von Random House

  • ab dem 1. Februar 2020
  • für alle Direktbezüge über die Auslieferung VVA
  • über sämtliche Ausgabeformen eine einheitliche Rabattstaffel, die Hardcover, Paperback, Taschenbuch, Kalender und Hörbücher gleichermaßen umfasst
  • zusätzlich eine separate Rabattstaffel im Segment Modernes Antiquariat, bei den Verlagen Bassermann und Anaconda
  • einziges Kriterium: der Jahresumsatz, den ein Händler mit RH macht
  • pro Reise attraktive und individuelle Paketangebote
  • einheitliche Rechnungskonditionen der Auslieferung VVA mit 60 Tagen Skontofrist und 90 Tagen Ziel für Novitäten- wie Backlistbestellungen, egal auf welchem Bestellweg
  • freies Remissionsrecht nach sechs Monaten, bis zu einer maximalen jährlichen Retourenquote von 15 Prozent über alle Random House Verlage