Was Branchenteilnehmer mit dem "Struwwelpeter" verbinden

"Er gaukelt und schaukelt"

5. Februar 2020
von Börsenblatt
Der Kinderbuchklassiker "Struwwelpeter" wird 175 Jahre alt. Persönliche Erinnerungen an die Lektüre.

Sibylle Schumann, Esslinger-Lektorin (u. a. für den Reprint-Bereich):
"Der 'Struwwelpeter' begleitet mich seit meiner Kindheit, die Geschichten haben mich immer wieder aufs Neue fasziniert! Ich konnte damals noch – wie so viele Kinder – alles mühelos mitansehen: das brennende Paulinchen, den spindeldürren Suppenkaspar und auch das fließende Blut vom Daumenlutscher – aber bei dem toten Kätzchen unter der Steintreppe hörte bei mir der Spaß auf. Und das habe ich dem bösen Friederich bis heute nicht verziehen ... Aller pädagogischen Kritik zum Trotz erweist sich der 'Struwwelpeter' auch in unserer täglichen Verlagsarbeit als besonders langlebig. Vielleicht muss man Heinrich Hoffmanns überzogene Geschichten wieder mit den Augen eines Kindes sehen (lernen), um der Faszination des Klassikers auf die Spur zu kommen."

Beate Zekorn-von Bebenburg, Leiterin des Struwwelpeter-Museums in Frankfurt am Main:
"Meine Lieblingsfigur aus dem 'Struwwelpeter' war immer der fliegende Robert. Schon als Kind bin ich gern gereist. Ich fand die Vorstellung großartig, mit dem Regenschirm davonzufliegen. Und wenn Robert nicht hätte fliegen wollen, hätte er doch den Schirm einfach loslassen können ..."

Michael Schweins, Geschäftsführer von arsEdition:
"Meine Sympathien gehören eher dem antiautoritären 'Anti-Struwwelpeter', der meines Wissens erst 50 Jahre alt ist und die Erwachsenen in ihrer übertriebenen Moralität düpierte. Das habe ich als angehender Pädagoge mit großer Genugtuung gelesen. Doch eines noch zum 'Struwwelpeter': Wo sind die Eltern, wenn's drauf ankommt? Und wagen dann, sich zu erheben ..."

Maike Giebner, Buchhandlung Naseweis in Stuttgart:
"'Struwwelpeter' war mein Horrorbuch. Da habe ich noch heute schlechte Erinnerungen dran. Geschichten wie 'Paulinchen war allein zu Haus' – das war für mich einfach furchtbar. Ich halte nichts von schwarzer Pädagogik. Solche Bücher habe ich auch nicht im Laden, das möchte ich nicht vertreten. Wenn ein Kunde ein solches Buch möchte, bestelle ich es kommentarlos."

Saskia Heintz, Verlagsleiterin Hanser Kinder- und Jugendbuch:
"Als Kind liebte ich den 'Struwwelpeter' wegen der Reime und Abbildungen – und bis heute mag ich seinen sarkastischen Witz. Bei uns zu Hause wurde er gern vorgelesen, und mein Bruder und ich haben ihn oft andächtig zusammen angeguckt. Meine Fantasien begleitete meist der Daumenlutscher Konrad, denn ich nuckelte selbst manchmal am Daumen und fragte mich, ob eine übergroße Schere einen Finger wohl tatsächlich abschneiden könnte. Der Suppenkaspar blieb mir lange im Gedächtnis, vielleicht weil meine Großmutter uns spindeldürre Kinder regelmäßig nötigte, mehr zu essen. Würde ich vielleicht irgendwann so dick werden wie der Suppenkaspar zu Beginn, wenn ich den Sonntagsbraten immer aufaß? Ich verweigerte jedenfalls den Nachschlag.

In unserem Familien-Sprachgebrauch war der 'Struwwelpete'‹ stets allgegenwärtig: Meine Mutter nannte meinen Bruder 'Struwwelpeter', als er lange Haare trug, und 'Zappel­philipp', weil er immer mit dem Stuhl wippte. Ich fand, mein Bruder sei ein sorgloser 'Hans Guck-in-die-Luft', wenn er im Tempo-Gerangel mit Freunden vom Bonanza-Rad stürzte. Und er meinte, ich sei die 'Fliegende Saskia', als mir das beim Freihändigfahren-Lernen passierte. Die leicht abgewandelten Reime 'Also sprach der Herr Papa' und 'Und die Mutter blickte stumm, einmal um den Tisch herum' sind heute noch beliebte Sprüche in unserer Familie, wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu erzeugen oder Ruhe einkehren zu lassen.

Anna Kindermann, Geschäftsführerin des Kindermann Verlags:
"Ich habe seitdem immer meine Suppe aufgegessen, weil ich nicht zum Strichmännchen werden wollte."

Und was verbinden Sie mit dem "Struwwelpeter"? Erzählen Sie uns davon in den Kommentaren!

Die Bildergalerie führt Sie durch das Frankfurter Struwwelpeter-Museum.