IGUV-Tagung vom 13. bis 15.2. in Norderstedt

Verlegerische Segelkunst

14. Februar 2020
von Börsenblatt
Der Wind der Veränderung erfasst alle in der Branche. In besonderem Maße die unabhängigen Verlage, die noch bis morgen in Norderstedt bei Hamburg ihre Jahrestagung abhalten. Auf der Tagesordnung stehen juristische, betriebswirtschaftliche und Best-Practice-Themen. Und schon gestern eine Führung bei BoD, die zeigte, wie digital die Zukunft des Buchdrucks ist.      

„Wir können den Wind nicht verändern. Aber wir können die Segel richtig setzen“. Mit diesem japanischen Sprichwort leitete Branchenberater Dieter Durchdewald (BerlinHorizonte) den Vortrag über „Solide Unternehmenssteuerung und Insolvenzprävention“ ein, den er zusammen mit der Berliner Fachanwältin und Binooki-Verlegerin Inci Bürhaniye hielt. Der Wind der Veränderung weht der Branche heftig um die Nase, manchmal als steife Brise. Die - man denke nur an die KNV-Krise, an die immer noch ausstehende Verlegerbeteiligung oder an das Hickhack um die Büchersendung - macht vor allem kleinen, unabhängigen Verlagen wie den in der IG Unabhängige Verlage zusammengeschlossenen Unternehmen zu schaffen.

Deshalb wiederholte Björn Bedey, Mitglied des Sprecherkreises, auch vor dem Plenum im Norderstedter Nordport Plaza Hotel, das direkt neben der Startbahn des Hamburger Flughafens liegt, die schon mehrfach an Bund und Länder erhobene Forderung, die Indies der Branche strukturell zu fördern, um die Vielfalt zu erhalten. Nicht alle mochten ihm beipflichten. Dietrich zu Klampen (zu Klampen Verlag) etwa riet in diesem Zusammenhang davon ab, diesen Appell zur strukturellen Verlagsförderung auch an Kulturministerin Monika Grütters zu richten. Sie baue mit dem Buchhandlungs- und Verlagspreis ohnehin schon eine Brücke in eine allgemeine Verlagsförderung. Da sollte ihr kein Gegenwind ins Gesicht blasen.

Durchdewalds und Bürhaniyes Vortrag war nicht nur informativ, sondern auch ein Weckruf für manchen Verleger. Denn die Instrumente, mit denen man einen Verlag sicher durch Untiefen oder Flauten steuert, müssten in einigen Häusern nachgebessert werden, wenn sie überhaupt schon Praxis sind.

Dieter Durchdewald nannte einige Risiken – zum Beispiel ungelöste Nachfolgeprobleme oder Kosten, die aus dem Ruder laufen. Man müsse sparsam sein, so der Berater, aber dürfe sich nicht zu Tode sparen, indem man etwa aus dem Börsenverein austrete.

Inci Bürhaniye erläuterte anschließend, was beim Eintritt einer akuten finanziellen Schieflage zu tun sei. Wenn der Verlag dauerhaft zahlungsunfähig sei, wenn Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können, müsse Insolvenz beantragt werden. Das gelte auch, wenn das Unternehmen rechnerisch überschuldet und die Fortführungsprognose negativ sei. Nichts zu tun, sei fatal, so die Steuerfachanwältin. Bei Insolvenzverschleppung drohten Geld- und Haftstrafen.

Welche betriebswirtschaftlichen Frühwarnsysteme und Stellschrauben es im Verlag brauche, um Krisensituationen zu vermeiden, listete Dieter Durchdewald der Reihe nach auf. Kennzahlen gelte es im Auge zu behalten, zum Beispiel bei der Umsatzentwicklung und beim Wareneinsatz. Und es gebe Einsparpotenziale, zum Beispiel in der Produktion, bei Lagerkosten und Remissionen.

Beim Thema Produktion war ein Dienstleister präsent, der den gestrigen Tag der IGUV-Tagung (13.2.) dominierte: die in Norderstedt ansässige Libri-Tochter Books on Demand (BoD). Das Printing-on-Demand-Unternehmen hat seit seiner Gründung im Jahr 2001 einen beachtlichen Aufstieg zu verzeichnen.

10.000 Quadratmeter in Bad Hersfeld

Heute hat BoD mehr als 1.400 Firmenkunden aus aller Welt, darunter zahlreiche namhafte Verlagshäuser wie Hanser, Suhrkamp und die WBG. Ein weiterer, wachsender Kundenstamm sind Selfpublisher. Täglich werden bis zu 30.000 Exemplare gedruckt, die durchschnittliche Auflage liegt dabei bei 1,5 Exemplaren. Der größte Teil des Auftragsvolumens entfällt also auf den Druck von Büchern, die als Einzelexemplar (Auflage: 1) oder in geringer Stückzahl gedruckt werden.

Für Verlagskunden ist der Digitaldruck inzwischen ein gängiges Verfahren, mit dem sich Zweit- und Drittauflagen oder dringend benötigte Zwischenauflagen (zwischen zwei Offset-Aufträgen) innerhalb kürzester Zeit drucken lassen. Für Verlage und Auslieferungen bedeutet dies, dass sie Lagerkosten senken und das Remissionsaufkommen deutlich verkleinern können – ein Kostenfaktor, der zu einer spürbaren Entlastung beitragen kann. Was speziell für Libri-Kunden attraktiv ist: Die BoD-Titel werden voll in die Barsortimentslogistik integriert.

Weil der Markt für Printing-on-Demand-Dienstleistungen großes Wachstumspotenzial hat, zündet BoD in einigen Wochen die nächste Stufe: Dann wird auf einem 10.000 Quadratmeter großen Gelände am Standort Bad Hersfeld, direkt neben den Hallen für die „Schnelldreher“ und für die sogenannten Slow Mover, eine neue, wesentlich größere und modernere Produktionsstätte entstehen, die die Produktion von Büchern noch einmal um einen Tag verkürzen wird. Dort wird dann eine integrale Druck- und Verarbeitungsstraße entstehen, die vom Schutzumschlag bis zum fertigen Buch alle Schritte ohne Unterbrechung oder Maschinenwechsel erledigt.

Nachdem die BoD-Mitarbeiter Oliver Schnoor und Karsten Kaufmann die Entwicklung und Strategie ihres Unternehmens vorgestellt hatten, ging es im Anschluss per Shuttle in die Produktionsanlage in Norderstedt. Mit dabei war auch Jörg Zaag, Pionier der ersten Stunde, der BoD zunächst als eigene Abteilung unter dem Dach von Libri aufgebaut hatte.

An der IGUV-Tagung im Nordport Plaza nehmen rund 50 Verlegerinnen und Verleger teil, unter ihnen auch Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Friderichs, die ein Grußwort an die Anwesenden richtete. Das Treffen klingt morgen, bei prognostiziert blauem Himmel, mit einer Hafenrundfahrt aus.