LG Buch: Interview mit Peter Stephanus

"Die Kapitaldecke im Buchhandel ist dünn"

20. März 2020
von Börsenblatt
In diesen Tagen sind die Verbünde in noch engerem Kontakt mit ihren Mitgliedern und Partnerverlagen als sonst. Über die Stimmung bei der LG Buch, die Zusammenarbeit mit den Partnerverlagen und die dringend notwendige finanzielle Unterstützung berichtet Peter Stephanus, Geschäftsführender Vorstand der LG Buch, im Interview.

Die LG Buch hat ein Schreiben an alle ihre Partnerverlage gesandt, um eine maximal mögliche Verlängerung der Zahlungsziele auf bestehende und künftige Rechnungen zu erreichen. Wie reagieren die Verlage auf Ihre Bitte?
Allen gemeinsam ist das Verständnis für die Situation im Sortiment und die Hoffnung, dass alle diese Situation möglichst gut überstehen. Im Detail sind die Reaktionen aber bisweilen unterschiedlich. Es gibt Verlage, die von sich aus auf uns zugekommen sind und eine großzügige Verlängerung der Valutierung angeboten haben. Andere Verlage haben von sich aus die Novitätenauslieferung gestoppt. Bemerkenswert war die Initiative eines Verlags, der alle Vormerker auf den 31.Dezember umdatiert hat. Wenn diese Vormerker bis dahin nicht von den Buchhandlungen abgerufen werden, werden sie automatisch storniert. Ein Verlag bietet neben einer verbesserten Valutierung auch schon give-aways für "Wiedereröffnungspartys" an und kündigt besonders attraktive Konditionen für die kommende Reisesaison an. Von einigen wenigen Verlagen müssen wir aber auch die Antwort entgegennehmen, dass sie zu keinerlei Zugeständnissen bereit sind. Erstaunlicherweise sind das nicht etwa kleinere Verlage, die nun vielleicht selbst rasch in Schieflage geraten. Sondern es sind größere bis sehr große Verlage, die in einer Holding sind und die die rigiden Vorgaben der Holding umsetzen. Allerdings sind diese ablehnenden Antworten die absolute Ausnahme.

Was raten Sie Ihren Mitgliedern in der Ausnahmesituation?
Unser föderales System bringt es mit sich, dass jedes Bundesland eigene Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft ergreift. Deshalb ist mein Rat an die Mitglieder, sich regelmäßig auf den Homepages der jeweiligen Landesregierungen zu informieren, welche Fördermöglichkeiten es für ihr Bundesland gibt. Wichtig ist es auch, aktiv auf die Hausbank zugehen und über Zwischenfinanzierungen, Bürgschaftskredite etc. sprechen.

Wie lange können die Buchhandlungen eine Schließung des Ladengeschäfts durchhalten?
Das kommt darauf an, wie die Buchhandlung aufgestellt ist. Buchhandlungen mit starkem Rechnungsgeschäft haben es da weniger schwer, ebenso Buchhandlungen mit funktionierendem Online-Shop. Zurzeit beobachten wir bei unseren Mitgliedern eine deutliche Verlagerung hin zum Online-Geschäft. Diese Umsätze werden dringend gebraucht, allerdings weiß niemand, wie lange sie weiterhin fließen werden. Die Kapitaldecke im unabhängigen Sortiment ist bekanntermaßen sehr dünn. Eine mittelgroße unabhängige Buchhandlung wird vielleicht ein bis zwei Monate durchhalten, kleinere Buchhandlungen werden nicht so lange durchhalten können. Es ist zu befürchten, dass es ohne Hilfe von außen zu einem Sterben vieler unabhängiger Buchhandlungen kommen wird. Die Vielfalt im Sortimentsbuchhandel ist akut bedroht.

Welche Unterstützung für die Buchhändler wäre jetzt nötig?
Kurz- und mittelfristig wäre seitens der Verlage jede erdenkliche Unterstützung in Form von großzügiger Valutierung und von Kulanz hilfreich, wo immer es geht. Seitens des Börsenvereins: eine sofortige, zentrale Werbekampagne für das stationäre Sortiment mit Hinweisen auf die Leistungsfähigkeit der Buchhandlungen als Online-Händler. Seitens der Politik: schnelle finanzielle Hilfen, und zwar so unbürokratisch wie möglich. Gern in Form von Einmalhilfen zur Deckung der dringlichsten Bedarfe, danach dann durch leistbare Förderangebote.
Mittel- und langfristig wäre seitens der Verlage ein deutliches Drehen an der Preisschraube notwendig, und zwar nach oben! Auf den Handel kommen bald höhere Kosten zu, denen beim derzeitigen Preisniveau nicht die notwendigen Renditen gegenüberstehen. Deshalb mein Appell an die Verlage als diejenigen, die die Preise festsetzen, sich auch ihrer Verantwortung für das auskömmliche Wirtschaften im Sortimentsbuchhandel bewusst zu sein.

Amazon liefert Bücher offenbar nun langsamer aus und priorisiert andere Produkte. Wie kann der Buchhandel diese Chance nutzen?
Viele Buchhandlungen betreiben ihre Online-Shops schon seit vielen Jahren. Das Verhalten von Amazon ist eine gute Gelegenheit, die eigenen Shops intensiv zu bewerben, gern auch unter dem Hinweis darauf, dass A eben doch nur ein Online-Kaufhaus ist und das verkauft, was gerade angesagt ist. Bücher gibt es eben beim Buchhändler. Und das immer.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie von Ihren Mitgliedern im Moment?
Viele Buchhändler*innen berichten momentan von einer deutlichen Steigerung im Online-Geschäft. Das geht sogar soweit, dass mehr Umsatz über online und Telefon gemacht wird als an einem normalen Tag an Bar- und Rechnungsumsatz zusammenkommt. Die Buchhandlungen organisieren sich eigene Lieferketten, zum Beispiel via Stadtkurier und Fahrradbote. Es gibt zahlreiche Kooperationen mit Unternehmen in der Nachbarschaft, die noch nicht geschlossen haben wie Apotheken, Lebensmittelgeschäfte, Metzger, Bäcker etc.

Was tut die LG Buch, um ihre Mitglieder zu unterstützen?
Beispielsweise geben wir in unserer Wochenpost Tipps zum Umgang mit Umsatzrückgängen: Kurzarbeitergeld, Herabsetzung von Steuern, außerdem liefern wir zahlreiche Ideen, um sich online zu positionieren. Wir sind mit unseren Kooperationspartnern im Gespräch, um gemeinsam Initiativen zu erarbeiten, die unsere Mitglieder in der momentanen Situation unterstützen.