Interview mit Carsten Buhr, De Gruyter

"Wir kommen dem Buchhandel in der Krise entgegen"

26. März 2020
von Börsenblatt
Wie viele andere Branchenunternehmen ist auch der Wissenschaftsverlag De Gruyter mit den Auswirkungen der Corona-Krise befasst. Die Mitarbeiter sind ins Home Office umgezogen und halten von dort Kontakt zu ihren Autoren und Kunden. Geschäftsführer Carsten Buhr schildert die Lage.

Guten Tag im Home-Office. Seit wann arbeiten Sie und Ihre Mitarbeiter so?
Wir haben vor zwei Wochen beschlossen, ins Home-Office umzuziehen. Das hat ungefähr eine Woche gedauert – immerhin haben wir in Deutschland rund 250 Mitarbeiter, davon allein mehr als 200 in Berlin. Unsere Standorte in Berlin, München und im Ausland bleiben aber geöffnet.

Läuft denn das Geschäft wie bisher, oder verzeichnen Sie Rückgänge? Das Bestellvolumen der Barsortimente ist ja wegen der geschlossenen Buchhandlungen drastisch geschrumpft.
Der Vertrieb unserer Bücher, der ja im Wissenschaftsbereich einen sehr hohen digitalen Anteil hat, läuft weiter. Aber an der ein oder anderen Stelle sind wir schon betroffen. Ein Teil unseres Geschäfts steht vor  Herausforderungen – vor allem das in der letzten Zeit deutlich ausgebaute Kunstbuch- und Architekturprogramm, weil die Titel zu einem großen Teil in gedruckter Form angeboten werden. Größere Probleme haben wir auch bei der Backlist.

Wie geht die Zusammenarbeit mit dem Buchhandel und den Bibliotheken weiter?
Wir gehen natürlich mit unseren Vertriebsteams in die Gespräche mit dem Buchhandel, mit den Barsortimenten und den Bibliotheken, und versuchen, so viele Informationen wie möglich auszutauschen. Gerade in der Krise können wir lernen, wie wir uns besser abstimmen. Besonders wichtig ist mir, dem Buchhandel in dieser Krise entgegenzukommen, etwa durch die Verlängerung von Zahlungszielen. Was vielleicht nicht allgemein bekannt ist: Nicht nur die Printtitel, sondern 50 Prozent unseres E-Book-Geschäfts werden über den Buchhandel abgewickelt, vor allem über die großen Bibliothekslieferanten. Die Buchhändler müssen zwar ihre Ladengeschäfte geschlossen halten, können aber im Backoffice weiterarbeiten.

Werden Ihre Bücher in diesem Jahr wie gewohnt erscheinen?
Wir sitzen gerade über der Novitätenplanung für 2020. Da die Wissenschaftstitel alle elektronisch verfügbar sind, kommt es hier nicht zum Verzug. Bei den geplanten Printtiteln werden wir über die Erscheinungstermine neu nachdenken.

Wie ist die wirtschaftliche Lage des Verlags?
Die Zahlungsmittelsituation ist gut, und anhand unseres monatlichen Reportings können wir eventuelle negative Effekte beobachten und gegensteuern. Uns kommt zugute, dass die Zeitschriftenjahrgänge für 2020 bereits im letzten Quartal 2019 und im ersten Quartal 2020 vorfakturiert wurden.

Müssen Sie Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken?
Nein, derzeit haben wir keine konkreten Planungen. Aber sollten wir in Schwierigkeiten kommen, würden wir die KfW-Programme in Anspruch nehmen. Wir stehen jedenfalls in ständigem Kontakt zu unseren Banken.

Wie reagieren Sie mit ihrem Programm auf die Corona-Krise?
Vor allem dadurch, dass wir unsere medizinischen Fachzeitschriften für bestimmte Nutzergruppen in der Fachöffentlichkeit freischalten. So gewähren wir beispielsweise den Mitarbeitern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) freien Zugang zu unseren Inhalten.

Wie geht es den Kollegen am Standort Beijing?
Die sind seit Anfang des Jahres im Home-Office und können jetzt eine leichte Entspannung feststellen. Von ihnen können wir lernen, wie man mit der Situation umgeht.

Und wie kommen Sie selbst und Ihre Mitarbeiter damit klar?
Die meisten fanden es nicht so schlimm wie erwartet. Natürlich ist der Kontakt virtuell und man kann nicht mal eben durch das Verlagsgebäude laufen, um jemanden zu besuchen. Die kollegialen Kontakte werden trotzdem weiter gepflegt – zum Beispiel treffen sich manche Kolleginnen und Kollegen mit einem Feierabend-Bier vor der Webcam.