Lockdown-Tagebuch (14): Dietrich zu Klampen über Vorsicht und Durchhaltevermögen

"Ich möchte nicht mit meinen großen Kollegen tauschen"

11. April 2020
von Börsenblatt
Dietrich zu Klampen hofft, dass er mit seinem kleinen, unabhängigen Verlag einfach unter der Corona-Welle durchtauchen kann. In Springe hängt er persönlich Büchertüten an die Türen seiner Kunden - und fühlt sich dabei ein bisschen wie beim Klingelstreich. Teil 14 unserer Lockdown-Tagebücher, geschrieben von Büchermenschen.

Wir im Verlag haben nichts auszustehen. Alle Kolleginnen sind schon längst im Homeoffice und gesund. Zu tun haben wir mehr denn je: Die Autorenabrechnungen sind fertig, die Frühjahrsproduktion auch beinahe vollständig, die Vorschauproduktion in vollem Gange. Dabei sollten wir uns eigentlich auf die Ver-E-Bookung der Backlist konzentrieren, solange das stationäre Sortiment noch geschlossen hat.

Für mich persönlich hat sich die Arbeit geändert. Äußerlich bleibt alles gleich – ich gehe ins Verlagsbüro im eigenen Haus und arbeite brav – aber inhaltlich ist es doch anders. Im Grunde bin ich der Kulturknecht meiner Homeofficers: Starte das Remoteprogramm mal neu, schicke mal ein Buch dahin oder dorthin, schreibe mal eine Rechnung für diesen oder jenen, schaue mal in der Akte X oder Y nach. Immerhin lerne ich viel Neues und bin überrascht, was ich inzwischen alles nicht mehr kann oder weiß. Erstaunlich, dass in solch einem kleinen Verlag die Arbeitsteilung doch so fortgeschritten ist.

"Arbeit ist genug, Umsatz zu wenig"

Seit dem Lockdown ist unser Umsatz eingebrochen, was ja auch klar ist, wenn die Buchläden schließen müssen, Amazon nicht mehr bestellt und unser Programm sich nun auch nicht gerade als Ablenkungsprogramm zur Invasion der Corona-Nachrichten eignet. Nicht jeder hat den Kopf frei, das von der Kritik gefeierte "Dilemma" von Gerd Hankel über die Entwicklungshilfe in Afrika zu lesen; wer ist so weit, sich angesichts der geschlossenen Schulen mit dem "Abiturbetrug" von Mathias Brodkorb und Katja Koch auseinanderzusetzen; wer blickt schon gerne so weit über die Intensivbettenbeschaffung hinaus, wie es "Alternativloses Heilen" von Hans-Josef Fritschi verlangt? Nicht alle. Darum werden wir in der Herbstvorschau erneut auf die bereits erschienenen Bücher verweisen ganz im Sinne des zweiten Frühlings, den die Freunde von Voland & Quist vorgeschlagen haben.

Glücklicherweise sind wir von Verlagsgründung an extrem vorsichtig, was die Kosten anbetrifft, und hoffen daher, lange durchhalten zu können. Zumal unser Verlag ja nicht in die Kategorie vertriebsstarker Großverlag gehört, der davon lebt, dass seine Bücher stapelweise in den Buchhandlungen verkauft werden. Ich möchte nicht mit meinen großen Kollegen tauschen.

Noch weniger tauschen möchte ich mit all den Autorinnen und Autoren, die einen wesentlichen Teil ihres Einkommens aus Lesungen bestreiten. Wie viele müssen da jetzt richtig Angst haben! Schrecklich!

Verglichen damit haben wir eben nichts auszustehen. Hoffentlich funktioniert unser Plan, einfach unter der Corona-Welle durch zu tauchen. Für jetzt stehen uns nichts als kleine Maßnahmen zu Gebote. Um für weitere Sichtbarkeit zu sorgen, verbreiten wir über die sozialen Medien ein bisschen Zerstreuung mit Berichten aus der Lage im Verlag. Außerdem haben wir nach die Schließung der Buchhandlung am Ort einen Lieferservice eingerichtet: Wenigstens in Springe bringe ich die Bücher, die aus unserem Programm bestellt werden, persönlich mit Rechnung zu den Kunden, hänge die Büchertüte an die Tür, klingele und haue ab – wie früher bei den Klingelstreichen.

Das wird jetzt auch nicht rasend angenommen, aber dafür gibt es Gesten, die einem die Tränen der Rührung in die Augen treiben: Lesegruppen bilden sich und wollen explizit ein Buch aus unserem Verlag, unser freier Lektor ruft an und verkündet, in diesem Jahr keine Rechnung mehr zu stellen, ein Autor der ersten Stunde verbittet sich angesichts der Krise die Honorarüberweisung, ein Leser packt ungefragt die Portokosten auf die portofreie Lieferung drauf. Und da sollen wir verzagen?

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