Mein Lockdown-Tagebuch (17): Joachim Steiger über Spontankäufe und Logistik

"Bücher sind kein unverzichtbares Herzmedikament"

14. April 2020
von Börsenblatt
Joachim Steiger, Inhaber der Buchhandlung Paperback in Bad König, macht sich zwischen den Bestellungen seiner Kunden und seinen eigenen Bestellungen beim Barsortiment Gedanken über Servicekultur und Lieferfristen.  Teil 17 der Lockdown-Tagebücher, geschrieben von Büchermenschen.

Die nächste Woche der Schließung steht an. Irgendwie hat man sich schon daran gewöhnt, den Laden nicht mehr zu öffnen und als erstes nicht den Staubsauger in die Hand zu nehmen, sondern erst mal das smarte Phone, um die WhatsApps mit den Bestellungen zu checken. Das Ostergeschäft ist nun passé – obwohl ... Geschäft? Ostern war doch schon seit Jahren nicht mehr das „Geschäft“. Gut, ab und an mal eine „Häschenschule“ oder ein „Oster Wimmelbuch“, das war es dann aber schon.

Was halt fehlt, gerade auch vor Ostern, waren die Leute, die im Laden herumstöbern, sich inspirieren lassen und den einen oder anderen Spontankauf tätigen. Aber sonst? Viele Bestellungen, mehr Barsortimentsaufkommen – das, was wir für das Frühjahr, speziell auch aus den uns verbundenen kleinen, unabhängigen Verlagen bestellt haben, bleibt leider liegen – denn es ist ja keiner im Laden, der ein Buch anfassen, anriechen und es zu schätzen lernen kann. KNV-Zeitfracht sei gedankt – immer zuverlässig, auch in der Krise. Gut, die Meldenummer 15ern mehren sich.

Doch das ist in diesem Moment nicht unser großes Problem – und auch anscheinend nicht für unsere Kunden. Denn die Quintessenz aus diesem ganzen pandemischen Mist ist bemerkenswert: Ein Buch ist zwar ohne Zweifel ein unbedingtes geistiges Lebensmittel, aber doch kein unverzichtbares Herzmedikament. Die Erkenntnis aus den Wochen der Schließung ist die, dass man unbedingt die Frage stellen muss, ob denn jedes Reclamheftchen, jede Susanne-Fröhlich-Schmonzette, immer und ewig über Nacht verfügbar sein muss? Ist es in der (zur Zeit überhaupt nicht mal mehr eines Themas werten) Klimadebatte nicht des Gedankens wert, uns zu fragen, ob eine Belieferung Montags, Mittwochs und Samstags nicht genügt. Muss der Mercedes-Sprinter täglich durch die Täler und Höhen der deutschen Landschaft brausen, nur damit morgens um neun alles vorhanden ist, was ein paar Stunden vorher bestellt wurde. Ich denke: nein! Wieviel CO2-Emission ließe sich einsparen, wenn wir auf diesen, sich seit Jahren hochschaukelnden Service im Stile „immer höher, immer weiter, immer früher“, nur für einen kleinen Teil verzichten würden? Unsere Kunden würden dazu über 90 Prozent mitspielen und ich bin mir sicher, auch die Kunden der allermeisten Kollegen.

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