Exit-Strategien: So reagieren Verlage auf die Wiedereröffnung im Buchhandel

"Wir hoffen, dass die Regale demnächst wieder gefüllt werden"

21. April 2020
von Börsenblatt
In vielen Bundesländern haben die Buchhandlungen wieder geöffnet. Holen jetzt auch die Verlage ihre Teams zurück ins Büro? Fünf Einschätzungen - und ein Blick auf die kommende Vertreterreise. Hanser-Verleger Jo Lendle geht davon aus, dass sie "deutlich stärker einer gewohnten Reise ähneln wird als noch vor wenigen Wochen befürchtet."

Hanser Verlag: "Wir erwarten einen extrem starken Herbst"

"In allererster Linie reagiert der Hanser Verlag auf die Wiedereröffnung des stationären Buchhandels mit: Jubel", sagt Hanser-Verleger Jo Lendle. Im Verlag wisse man, wie fordernd die vergangenen Wochen waren und welche Herausforderungen auch die Öffnung mit sich bringe. "Aber die privilegierte Öffnung werten wir durchaus als Bekenntnis zur Wichtigkeit des Buches", so Lendle. Seine größte Hoffnung: "Dass viele Leser durch das Engagement ihrer Buchhandlung eine neue Nähe erlebt haben. Und manche Nichtleser dem Charme der Lektüre verfallen sind."

Der Handel habe zum Glück auch im Shutdown die Programme der Hanser-Verlage weiter geordert. Der Jahresanfang sei "so strahlend wie seit Menschengedenken nicht mehr". Von dieser Vor-Corona-Sichtbarkeit hätten die Bücher weiter profitiert. Daher ändere sich durch die Ladenöffnung qualitativ erst einmal nicht viel. "Nun sind Vorschauen und Leseexemplare im Druck, wir erwarten einen extrem starken Herbst und gehen nun die Frage der Vertretertour an – von heute aus wird sie deutlich stärker einer gewohnten Reise ähneln als noch vor wenigen Wochen befürchtet."

Kurzarbeit allerdings hat Hanser nach wie vor. Lendle: "Wir haben ja ganz unterschiedliche Verlagsbereiche, da überstrahlt der Glanz der sichtbaren Bücher, dass uns die Sache an anderen Stellen deutlich trifft."

Verbrecher Verlag: "Solidaritätsaktion für Independents läuft erst mal weiter"

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verbrecher Verlags arbeiten nach wie vor aus dem Homeoffice heraus. "Vier Wochen lang haben wir jeden Tag mit dem ganzen Team unter dem Hashtag #buchsolidarität zunächst ein Buch aus einem Indie-Verlag empfohlen – und dann eine passende Buchhandlung dazu", berichtet Verleger Jörg Sundermeier. "Wir haben also sehr für den Buchhandel, besonders den unabhängigen, getrommelt – und die Kolleginnen und Kollegen im Sortiment haben uns ihre Dankbarkeit spüren lassen. Aber einen großen Nachfrageschub konnten wir bislang leider nicht feststellen, gerade die Frühjahrsnovitäten werden schlecht nachbestellt. Wir hoffen jedoch sehr, dass demnächst wieder die Regale gefüllt werden."

Die Solidaritätsaktion für die Independents läuft erstmal weiter, bis sich die Lage wieder normalisiert hat. Weitere Aktionen planen Jörg Sundermeier und seine Frau und Mitverlegerin Kristine Listau für den 25. Verlagsgeburtstag im Herbst – welche genau, ist noch unklar, da die Pandemie alle Planungen erschwert.

Die Zusammenarbeit mit der Auslieferung laufe "hervorragend", so Sundermeiers Fazit. "Die LKG unterstützt uns, wo sie kann, die Kommunikation ist sehr gut, und sie haben dort auch eigene neue Ideen für die Krise. Das ist super!"

Wenn es die Situation erlaube, sollen auch die Vertreterinnen und Vertreter auf die Reise gehen; in allen anderen Fällen will man die Buchhändler anrufen. "Das ist auch richtig," sagt Sundermeier, "denn es wäre das falsche Signal, zu sagen, Bücher sind Lebensmittel, und die Bücher intern dann nicht wie solche zu behandeln. Und gerade im unabhängigen Buchhandel hat sich VLB-TIX noch nicht ausreichend durchgesetzt."

Carlsen Verlag: "Wir versuchen, alles möglich zu machen"

Bei Carlsen in Hamburg läuft der Betrieb normal weiter, ohne Kurzarbeit, die Mitarbeiter sind größtenteils im Homeoffice. Erscheinungstermine wurden nicht verschoben, die Lieferungen wurden allerdings den jeweiligen Wünschen der Buchhandlungen angepasst. Die Vertreterkonferenz wurde via Video abgehalten, die Vertreter werden je nach Lage der Dinge reisen.

Gesamtvertriebsleiter Carsten Hiller ist zuversichtlich: "Wir hoffen, dass wir alle unsere Kunden gesund und zu den vereinbarten Terminen antreffen werden. Wir bereiten uns aber darauf vor, dass wir individuelle Lösungen mit unseren Kunden finden, die den Informationsaustausch über unser Programm ermöglichen." Ob Videokonferenz, Telefonat oder persönliches Treffen: "Wir versuchen, alles möglich zu machen."

Verleger Dietrich zu Klampen (zu Klampen Verlag, Springe) geht davon aus, dass die Buchhandelskundschaft in den nächsten Tagen und Wochen noch vorsichtig sein wird. Trotzdem freut er sich über die maßvolle Öffnung im Einzelhandel. Absicht der Bundesregierung sei es ja, dass die Menschen nicht schlagartig wieder in die Innenstädte strömen würden – gleichzeitig lebe das Sortiment von einer hohen Kundenfrequenz. "Deutlich anziehen werden die Buch-Umsätze meines Erachtens deshalb nicht, aber sie werden schon sanft zulegen."

Die Vertreterreise beginnt bei zu Klampen Anfang Juni: "Ob unsere Buchhandlungen uns dann empfangen, werden wir sehen. Schließlich ist für sie die jetzige Verkaufssituation extrem kräftezehrend und alles andere als routiniert."

Sein eigenes Verlagsteam kehrt nur zeitweilig und in kleinerer Besetzung wieder in die Büros zurück: "So können wir die Sicherheitsstandards einhalten, ohne jemanden zu gefährden." In den Lockdown-Wochen hatte der Verleger seine Bücher in der näheren Umgebung persönlich bei den Kunden vorbeigebracht (mehr im Lockdown-Tagebuch): "Nun wird die Buchhandlung am Nordwall in Springe ab Mittwoch wieder öffnen. Damit ist mein Lieferservice erfreulicherweise überflüssig."

Gerstenberg Verlag: "Letztlich stehen alle Planungen unter Vorbehalt"

Solange es Kontakteinschränkungen und Begrenzungen der Kundenzahlen gibt, rechnet Gerstenberg-Vertriebsleiter Hajo Schwabe erst einmal nicht damit, dass der Vertrieb "in den nächsten Wochen normal laufen kann. Unsere Vertreter werden jetzt Kontakt mit Ihren Kunden aufnehmen, um zu klären, inwieweit Besuche überhaupt stattfinden können." Dann werde man sehen, ab wann Besuchstermine zur Vertreterreise ab Anfang Juni möglich seien. "Letztlich steht ja alle Planung auch unter dem Vorbehalt, dass sich die Zahl der Infizierten nicht in der ersten Maihälfte wieder erhöht."