Zum 60. Geburtstag von Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmese

Die Entdeckung des Zilleniums

17. April 2020
von Börsenblatt
Oliver Zille lenkt die Leipziger Buchmesse und wird heute, am 21. April, 60 Jahre alt. Verleger Michael Faber gratuliert einem Freund und Kollegen, der das Periodensystem der Branche erweitert hat - um "Das ZILLE", auch Zillenium genannt.

Lieber Oliver,

als Sprecher von drei Forschergemeinschaften habe ich den Vorzug, Dir folgende Mitteilung zu überbringen: Am 21. April, exakt zu Deinem 60. Geburtstag, hat die International Union of Pure and Applied Chemistry (UPAC) unserem Antrag entsprochen, das Element "Das ZILLE", auch Zillenium, als 120. Element in das Mendelejewsche Periodensystem aufzunehmen. Damit, heißt es bei der Begründung, sei die 7. Periode vollständig und in gewisser Weise die bekannte Welt der Elemente abgeschlossen.

1991, mit der Übernahme der Verantwortung für die Leipziger Buchmesse, wurde Das ZILLE erstmals auffällig, ohne dass man schon genau wusste, wie es sich einfügen würde, ob es sich mit den anderen Elementen vertragen, wie es auf wen und was reagieren und wie es sich im Laufe der nächsten 30 Jahre verhalten würde.

Spätestens nach der Eröffnung des neuen Messegeländes in Leipzig, 1996, fanden sich unabhängig voneinander arbeitende Forschergruppen von Verlegern, Buchhändlern und Lesern zusammen und beobachteten vorerst in Laborversuchen und später auch in vivo Deine Wirkungsweisen und kamen bald zu der Annahme, es mit einem ganz besonderem Gas (Element) zu tun zu haben.

Die Luft, die wir atmen, enthält die sogenannten trägen Gase. Sie tragen zumeist griechische Namen, etwa Xenos (das Fremde) oder auch Argon (das Untätige). Tatsächlich sind viele dieser Gase so träge und offenbar mit ihrem Zustand so zufrieden, dass sie sich an keinerlei chemischen Reaktionen beteiligen. Und dennoch heißen sie auch Edelgase.

Man könnte nun streiten, ob wirklich alle Edlen träge und alle Trägen edel sind. Anders das Zillenium. Es reagiert in besonderer Weise auf alle Verleger, harmonisiert die Ausdünstungen von Buchhändlern, stimuliert die Reaktionsweisen von ganz unterschiedlichen Lesergruppen.

Wenn ich es richtig verkürzt wiedergebe, hat das ZILLE einem totgesprochenen Kind wie der Leipziger Buchmesse im Kreißsaal Leben eingehaucht, hat durch seine Reaktionsfreudigkeit den Buchhändlern das Fest in der Moritzbastei beschert, den Messebeirat gestiftet, uns das Europa-Café geschenkt, eine Antiquariatsmesse ins reguläre Messegeschehen implantiert, uns allen den Leipziger Buchpreis geschenkt, das nach wendischen Zeiten abgehangene Osteuropa wieder angekoppelt, den "rechten" Lärm neutralisiert, unseren Blick in unbekanntes Terrain gewendet, den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung tatkräftig unterstützt, das Lesefest "Leipzig liest" gemeinsam mit Theo Schäfer (Büchergott, sei ihm gefällig) erfunden und uns als ein reinkarnierter Don Quichotte den Glauben an unser gefälliges, kultursamaritisches Rittertum zurückgegeben.

Ein Leben ohne das ZILLE schien möglich, aber war, jetzt wo wir es destilliert und vollständig sichtbar gemacht haben, doch ziemlich sinnlos und leer. Mit der Goldenen Nadel wurde es 2010 vom Börsenverein das erste Mal illuminiert, und zehn Jahre später wollen wir es alle feiern: Vivat Zillenium. Und dafür bitte ich alle KollegInnen um einen kurzen Moment Silentium.

Lieber Oliver, wir gratulieren sehr herzlich, durchaus mit Bewunderung.
Dein Freund und Kollege
Michael Faber

Zum Autor des Beitrags:
Der Verleger Michael Faber (Faber & Faber) war von 2009 bis 2016 Kulturbürgermeister der Stadt Leipzig.