Interview mit Steffen Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE

Wertschätzung für den Handel

7. Mai 2020
von Börsenblatt
Durch die Corona-Krise sind viele Handelsbetriebe in ihrer Existenz gefährdet. HDE-Hauptgeschäftsführer Steffen Genth erläutert im Interview mit dem Börsenblatt was getan werden muss, damit es nicht zu einer Insolvenzwelle im Handel kommt.

Sie schätzen, dass bis zu 50 000 Handelsbetriebe die Corona-Krise nicht überleben könnten. Welche Sparten trifft es besonders?
Besonders stark betroffen ist beispielsweise der Textileinzelhandel. Bereits bezahlte Ware stapelt sich wegen der Schließungen unverkauft in den Lagern. Da es sich um Saisonware handelt, ist der Abverkauf zu einem späteren Zeitpunkt schwierig bis unmöglich. Einen Übergangsmantel kauft man halt nicht im Sommer.

Was lässt sich tun, um eine ­Insolvenzwelle zu vermeiden?
Wir brauchen einen Rettungsschirm für den Einzelhandel. Die Händler benötigen Unterstützung in Form von finanziellen Direkthilfen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Wichtig ist uns aber auch, wieder starke Impulse für den Konsum zu setzen. Deshalb fordern wir Corona-Schecks für Verbraucher. Sie sollen dabei helfen, den Konsum wieder anzukurbeln.
 
Für wie realistisch halten Sie es, dass Ihre Idee mit den 500-Euro-­Gutscheinen umgesetzt wird?
Das werden wir in der politischen Debatte der kommenden Wochen sehen. Wichtig ist, dass die große Bedeutung einer gut laufenden Binnenkonjunktur allen Beteiligten immer wieder deutlich wird.

Wie reagieren die Vermieter im Einzelhandel auf die Corona-Krise?
Wir setzen auf den engen Dialog mit den Vermietern. Vor allem die großen Fonds zeigen wenig Kompromissbereitschaft, private Vermieter schon eher. Nach unserem Rechtsverständnis muss es eine Risikoteilung geben.
 
Was können die Städte tun, um ihre Händler zu unterstützen?
Alles, um unsere Innenstädte attraktiv zu halten! Erreichbarkeit und Ambiente gehören dazu, öffentliche Investitionen sind nötig. Und wir brauchen besondere Impulse, beispielsweise einen gesetzlichen Rahmen für die Sonntagsöffnung ohne Anlassbezug, also ohne die Bindung an ein Event. Dies wäre für das Herbst- und Weihnachtsgeschäft enorm wichtig.

Der Deutsche Industrie- und ­Handelskammertag hat ein Ticket­system für Fußgängerzonen und Läden vorgeschlagen. Wie finden Sie das?
Wichtig ist, dass Abstands- und Zugangs­regelungen vor Ort praktikabel umgesetzt werden können. Das kann auf vielerlei Art geschehen, die Vergabe von digitalen Tickets könnte dabei eine Möglichkeit sein.

Wie sehr hat Corona den Online­handel befeuert?
Der Internethandel profitiert zwar von der Krise, aber nicht in dem Ausmaß, das vielleicht vorstellbar gewesen wäre. Das liegt an der insgesamt schlechten Verbraucherstimmung.

Gibt es etwas, das die Händler aus der Corona-Krise lernen können?
Vielen Händlern sind noch einmal die großen Chancen der Digitalisierung deutlich geworden. Gesellschaft und Kunden haben gelernt, wie wichtig der Einzelhandel ist und dass die tägliche Versorgung mit allen Gütern Tag für Tag hart von der Branche erarbeitet wird. Da sehe ich eine steigende Wertschätzung für den Handel.

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