Corona-Krise: Konjunkturpaket

FAQ zur temporären Mehrwertsteuersenkung

9. Juni 2020
von Christina Schulte

Die temporäre Mehrwertsteuersenkung vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 von 19 auf 16 bzw. von sieben auf fünf Prozent wirft in der Branche zahlreiche Fragen auf. Wir haben die wichtigsten Antworten für Sie zusammengetragen.

Welche Geschäftsvorfälle sind betroffen?

Die Umsatzsteuersenkung betrifft alle nationalen Verkäufe von Verlags­erzeugnissen (gedruckt, digital, preisgebunden und nicht preisgebunden) sowie die Verkäufe von Non-Books. Betroffen sind aber zum Beispiel auch alle Autoren- oder Lizenzabrechnungen von Verlagen für Verkäufe im Jahr 2020 oder die Durchführung aller Remissionen im Absenkungszeitraum. Es gibt keine umsatzsteuerpflichtige Transaktion, auf die sich die Absenkung und spätere Wiedererhöhung nicht auswirken wird.

 

Wer profitiert von der Reduktion?

Je nachdem, wie die Beteiligten mit der Senkung umgehen und auf ­diese reagieren, profitieren verschiedene Parteien.
Der Endverbraucher profitiert, wenn der Verlag den gebundenen Buchpreis um die ersparte Mehrwertsteuer von zwei Prozentpunkten senkt.
Die Marge des Verlags erhöht sich geringfügig, wenn sich der Ladenpreis nicht verändert und der Titel vom Verlag an den Handel (beziehungsweise an den Endverbraucher im Direktgeschäft) mit dem reduzierten Steuersatz verkauft wird.
Dem Handel und Zwischenbuchhandel kommt bei unveränderten Ladenpreisen die Senkung dann zugute, wenn er nach dem 1. Juli 2020 Ware verkauft, die er davor ans Lager genommen hat, oder wenn der Verlag seine Händlerrabatte ent­sprechend dem Absenkungsbetrag erhöht.
Wie die Verlage jeweils reagieren werden, ist ihre individuelle Entscheidung. Noch ist offen, welches Bild sich in der Buchbranche ergeben wird.

 

Wer ist für die Umsetzung verantwortlich?

Jeder Verkäufer einer Ware ist verpflichtet, den zum Zeitpunkt des Verkaufs (Leistungsausführungszeitpunkt) geltenden Mehrwertsteuersatz in Rechnung zu stellen und an den Fiskus abzuführen. Steuerlich verantwortlich sind also der Händler beziehungsweise der Verlag.
Bei Verkäufen auf Rechnung und bei Onlineverkäufen gelten strenge Anforderungen an Rechnungsgestaltung und Umsatzsteuerausweis.
Bei Barverkäufen im Laden muss das Kassensystem den richtigen Steuersatz auf dem Bon oder der Quittung ausweisen.
Bei Lizenz- oder Honorarabrechnungen ist gleichfalls der korrekte Umsatzsteuersatz periodengerecht auf die Verkäufe anzuwenden.

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Kann die Branche sich beim Umgang mit der Umsatzsteuersenkung auf ein einheitliches Vorgehen verständigen?

Nein. Alle Marktteilnehmer müssen das kartellrechtliche Gebot ein­halten, ihre Preise in einem geheimen Wettbewerb zu bilden und sich nicht untereinander abzusprechen, ob und ­gegebenenfalls in welchem Maß die Mehrwertsteuersenkung über niedrigere Preise an den Endverbraucher weiterge­geben wird. Dem Börsenverein ist es untersagt, dazu Empfehlungen zu geben.

 

Wer entscheidet über das Ob und Wie einer Preissenkung?

Aufgrund der Vorgaben des ­Buchpreisbindungsgesetzes entscheidet bei preisgebundenen Büchern ausschließlich der Verlag, ob aufgrund der Mehrwertsteuerreduzierung der ­Ladenpreis gesenkt wird oder nicht und welcher neue Preis gegebenenfalls festgesetzt wird. Der Verlag ist bei ­seiner Entscheidung rechtlich völlig frei.

 

Wie werden veränderte Preise kommuniziert?

Ladenpreissenkungen sowie Änderungen des Umsatzsteuersatzes werden bei preisgebundenen Büchern regel­mäßig über das VLB als Referenzdatenbank kommuniziert. Bei preisgebundenen Buchtiteln, die nicht beim VLB gemeldet sind, trifft den jeweiligen Verlag die Verpflichtung, sämtliche Wiederverkäufer eines Titels rechtzeitig vor Inkrafttreten in angemessener ­Weise über den neuen Preis zu informieren.

 

Was müssen die Verlage jetzt ans VLB melden?

Wenn die Verlage ihre Ladenpreise unverändert lassen, müssen sie nichts unternehmen. Das VLB nimmt dann die Absenkung und spätere Wiedererhöhung des Mehrwertsteuersatzes rechtzeitig automatisch für sie vor und gibt diese an alle Datenabnehmer in der Branche weiter. Wenn ein Verlag hingegen einzelne oder alle Titel seines Katalogs preislich verändern will, muss er die neuen Preise rechtzeitig (bei gedruckten Büchern mit 14 Tagen, bei E-Books mit vier Tagen Vorlauf) mitsamt dem Datum ihres Inkrafttretens an das VLB melden. Das VLB hat die Umsetzung einer Umsatzsteuersenkung gerade erst im Dezember 2019 bei E-Books und elektronischen Verlagserzeugnissen erfolgreich bewältigt und kann auf die dabei gewonnenen Erfahrungen zurückgreifen. Das VLB wird alle Kunden kurzfristig über den zeitlichen Ablauf und kontinuierlich über die weiteren Details informieren.

 

Welche Ansprüche hat der Handel, wenn Preise sinken?

Bei Ladenpreissenkungen durch den Verlag entsteht im Buchhandel der Anspruch auf Remission beziehungs­weise Differenzgutschrift für Lagerware. Laut Paragraf 3 der Verkehrsordnung müssen Verlage ohne Berechnung von Gebühren Gutschriften erteilen oder Ware zurücknehmen, wenn diese innerhalb der vergangenen zwölf Monate bezogen wurde. Der Handel muss dem Verlag innerhalb von sechs Wochen nach der Ladenpreissenkung mitteilen, dass er seinen Anspruch geltend machen will.

 

Welcher Zeitpunkt gilt für die Berechnung der Mehrwertsteuer?

Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Leistungsausführung. Wenn ein Buch im Juni verkauft und geliefert wird, gilt der höhere Mehrwertsteuersatz, wird es erst im Juli geliefert, der abgesenkte. Würden sich Buchhändler noch im Juni mit Büchern zum alten Steuersatz bevor­raten, deren Ladenpreise vom Verlag unverändert gelassen werden, könnten sie beim Verkauf zwischen Juli und Dezember die zwei Prozentpunkte im Rahmen der Steuersenkung als zusätzliche Marge verbuchen. Umgekehrt müssen Händler bei Ware, die sie zwischen Juli und Dezember 2020 mit fünf oder mit 16 Prozent Mehrwertsteuer ans Lager genommen haben, für Verkäufe ab Januar 2021 sieben beziehungsweise 19 Prozent Umsatzsteuer an den Fiskus abführen.

 

Wie verhält es sich mit nicht preisgebundenen Artikeln?

Bei nicht preisgebundenen Produkten – wie zum Beispiel Postkarten, Kalendern und verkauften Lebensmitteln im Café einer Buchhandlung – kann der Handel die Preise selbst festsetzen. Ob die Preise beispielsweise für Non-Books um zwei (oder mehr) Prozentpunkte reduziert werden, ist allein Entscheidung des Händlers.

 

Wer zeichnet die Preise um?

Bei Büchern mit aufgedrucktem Preis oder Preisetikett sollten geänderte Preise zum Stichtag vom Handel oder von den Verlagen beziehungsweise ­Verlagsauslieferungen umgezeichnet werden. Dies würde zum 1. Juli 2020 gelten und dann ebenso wieder zum 1. Januar 2021, wenn die Senkung wieder zurückgenommen wird.

 

Wie läuft die Kundenkommunikation?

Wenn die Steuersenkung von den Verlagen nicht über Preissenkungen an die Endverbraucher weitergegeben wird, können Buchhändler ihren Kunden während des Absenkungszeitraums trotzdem mit Kleinigkeiten entgegenkommen. Möglich ist etwa ein kostenfreier Kaffee beim Aufenthalt in der Buchhandlung oder eine geringwertige Beigabe zum Kauf eines Artikels, wie ein Bleistift oder Radiergummi. Zur Erinnerung: Das Preisbindungsgesetz erlaubt als Zugabe lediglich Artikel im Wert von zwei Prozent des Umsatzes der preisgebundenen Ware.

Verlage wiederum können zum Zeichen, dass sie die Umsatzsteuervergüns­tigung nicht in die eigene Tasche wirtschaften wollen, die Differenz zum Beispiel spenden. Der Börsenverein prüft derzeit rechtlich, ob und wie er Marktentscheidungen der Branche beim Umgang mit der Umsatzsteuersenkung in der Endkundenkommunikation unterstützen kann.

 

Webinar zur Mehrwertsteuersenkung:

Am 5. Juni fand ein Webinar von Börsenblatt und Börsenverein zum Konjunkturpaket statt. Diskutiert wurde über die Frage: »Mehrwertsteuer wird gesenkt – was nun?« Mit dabei waren Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins, Karl Petersen, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei Crowe Kleeberg, Birgit Reuß, Leiterin des Berliner Büros des Börsenvereins, sowie Kai Wels, bei MVB verantwortlich für das VLB. Die Aufzeichung steht auf boersenblatt.net zum Nachhören bereit.