Teil 2 der europäischen Richtlinie wird umgesetzt

Urheberrechtsentwurf mit Tücken

25. Juni 2020
von Michael Roesler-Graichen

Der am 24. Juni von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht vorgelegte Diskussionsentwurf zum Urheberrecht birgt für Verleger und andere Inhalteproduzenten durchaus Sprengstoff. Er enthält Vorschriften, die Rechteinhabern schaden könnten – auch wenn das auf den ersten Blick nicht sichtbar wird. Lesen Sie hier eine vorläufige erste Einschätzung von Susanne Barwick, stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung des Börsenvereins.

Mit dem Diskussionsentwurf setzt das Justizressort nun den zweiten Teil der Anpassung des deutschen Urheberrechts an die EU-Urheberrechtslinie für den digitalen Binnenmarkt (DSM-Richtlinie) um. Während der im Januar veröffentlichte Entwurf zum „Ersten Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts“ vor allem die Verlegerbeteiligung, das Presseleistungsschutzrecht und weitere Schrankenregelungen (z. B. Text and Data Mining) betraf, geht es jetzt um die restlichen Vorschriften der DSM-Richtlinie.

Nach Einschätzung von Susanne Barwick, stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung des Börsenvereins, sind für die Buchbranche vor allem die neuen Regelungen zum Urhebervertragsrecht, neue Schrankenregelungen im Hinblick auf Karikaturen, Parodien und Pastiches, Regelungen zu Extended Collective Licence sowie die Umsetzung von Art. 17 (Verantwortlichkeit von Plattformen) relevant. Letztere wird in der öffentlichen Diskussion meist mit dem Schlagwort „Upload-Filter“ versehen – womit von Skeptikern die Kritik, dass eingesetzte Prüfsoftware auch legale Inhalte blocken und damit „zensieren“ könnte, assoziiert wird.

Susanne Barwick zufolge enthält der Entwurf auch einige Anpassungen zum Urhebervertragsrecht, die man sich noch genauer anschauen müsse, weil sie nicht durch die DSM-Richtlinie vorgegeben sind.

Als problematisch könnte sich nach einer vorläufigen ersten Einschätzung eine neue Schrankenregelung erweisen, die die kreative Bearbeitung vorgegebener Inhalte betrifft: Karikaturen, Parodien und Pastiches (also die Nachahmung bekannter Kunstwerke). Hier, so Barwick, fehle es an einer geeigneten Definition. Wo fängt die Verfremdung eines Inhalts an, und wie hoch ist der kreative Anteil zu veranschlagen? Nicht unwahrscheinlich, dass hier eine Grauzone entstehen könnte, die zu Lasten der Verlage und Autoren geht.

Für die Umsetzung von Artikel 17 der DSM-Richtlinie, der die Verantwortung und Haftung der Online-Plattformen für Rechtsverstöße regelt, plant die Justizministerin ein eigenes Gesetz: das Urheber-Diensteanbietergesetz (UrhDaG). Der Börsenverein hatte hierzu in einer Stellungnahme im Rahmen einer ersten Konsultation des Ministeriums zur Umsetzung der DSM-Richtlinie empfohlen, Artikel 17 möglichst wortgetreu umzusetzen, das BMJV vertritt dagegen die Meinung, dass Artikel 17 der Richtlinie „Gestaltungsspielräume“ eröffne.

Was unter „Gestaltungsspielräumen“ zu verstehen ist, machen die Regelungsvorschläge sichtbar:

  • Kennzeichnet ein Nutzer einen Upload als erlaubt (Pre-Flagging), so darf der Inhalt von der Plattform nicht blockiert werden, auch wenn der Rechteinhaber ihn im Vorfeld gesperrt hat, es sei denn, der Upload ist offenkundig rechtswidrig. Eine mögliche Konsequenz: In einem solchen Falle muss der Rechteinhaber erst ein Beschwerdeverfahren durchlaufen, auch wenn die Kennzeichnung als erlaubte Nutzung des Nutzers falsch ist. Für diese Rechtsverletzung soll die Plattform dann nicht haften.
  • Außerdem will der Gesetzgeber eine Bagatellschranke einführen (im Entwurf Paragraf 6 UrhDaG). So sollen etwa 1.000 Zeichen eines Textes und Lichtbilder bis zu 250 Kilobyte ohne Erlaubnis hochgeladen werden dürfen. Ob eine solche Schranke europarechtskonform ist, ist nach Ansicht von Susanne Barwick fraglich und muss geprüft werden.

Einen Fortschritt können Verlage allerdings verbuchen: Vervielfältigungen gemeinfreier Bildwerke sollen künftig keinen Leistungsschutz mehr erwerben können (Paragraf 68 UrhG im Entwurf).