Die Sonntagsfrage

Wie geht es weiter mit dem Börsenverein und der Stiftung Lesen, Herr Skipis?

10. August 2019
von Börsenblatt
Seit über zwei Wochen beschäftigt die Märchenbuchaktion der Stiftung Lesen zum Weltkindertag in Kooperation mit Amazon, Hugendubel und Thalia die Branche. Warum hat der Börsenverein als Stifterratsmitglied nicht früher Einspruch erhoben? Wie geht es weiter mit dem Börsenverein und der Stiftung Lesen? Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis nimmt in der Sonntagsfrage Stellung.

Zurecht hat die Ankündigung der Märchenbuch-Verteilaktion bei Verlagen und vor allem beim unabhängigen Buchhandel Ärger und Unverständnis ausgelöst. Leseförderung mit Amazon als Galionsfigur? Das ist ein waschechter Affront für die vielen Menschen in der Branche, die tagtäglich und mit hohem persönlichen Engagement Lesen und Literatur vermitteln. Das Unternehmen, das sich nun plötzlich Leseförderung auf die Fahne schreiben will, ist ein Online-Konzern, dem es wohl vor allem um das Sammeln von Daten geht. Amazon will schlicht seine Strategie fortsetzen, Buchhandlungen und Verlage aus dem Markt zu drängen. Auch inhaltlich ist das Konzept der Aktion schwach, setzt es doch auf das bloße Verschenken von Büchern. Dabei ist es ganz entscheidend, den Zugang zu Büchern praktisch zu vermitteln, sonst verstauben die Bücher mit hoher Sicherheit in irgendeiner Ecke des Kinderzimmers.

Warum hat der Börsenverein nicht früher Einspruch erhoben?

Unsere Mitglieder fragen mich derzeit häufig: Warum haben Sie nicht früher Einspruch erhoben und etwas unternommen? Als Stifterratsmitglied wussten Sie doch sicher über eine solche Initiative Bescheid? Ich kann Ihnen versichern: Der Börsenverein und der unabhängige Buchhandel waren im Vorfeld zu keinem Zeitpunkt in das Projekt eingebunden. Das ging auch anderen Mitgliedern des Stifter- und Stiftungsrates so, wie etwa die Reaktionen des Beltz Verlags oder von Ralf Schweikart vom Arbeitskreis für Jugendliteratur AKJ aus der letzten Woche zeigen. Insbesondere zu der Frage, ob eine Teilnahme des unabhängigen Buchhandels im Vorfeld angedacht war, gibt es von der Stiftung nur unklare, teils widersprüchliche Aussagen und Behauptungen. Bis heute liegen keine Anfrage und kein Konzept vor, ob und wie das unabhängige Sortimente eingebunden werden könnte.

Die Einbindung des unabhängigen Buchhandels ist dabei kein Selbstzweck, sondern Garant dafür, dass so eine Aktion ihr Ziel überhaupt erreichen kann. Die kompetente Vermittlungsarbeit, die der Buchhandel leistet, macht ihn zum zentralen Element solcher Initiativen.

Es wurde wiederholt am Buchhandel vorbei geplant

Die Stiftung Lesen ist für uns generell ein wichtiger Partner in der Leseförderung. Sehr erfolgreich führen wir etwa jedes Jahr gemeinsam die Initiative „Ich schenk dir eine Geschichte“ zum Welttag des Buches durch, zusammen mit anderen Partnern und rund 3.500 Buchhandlungen, die sich in hohem Maße engagieren und mit ihrer Kompetenz und Vermittlungsarbeit zum Erfolg der Aktion beitragen. Als aktiver Kooperationspartner steuern wir das Projekt mit und sind in alle wichtigen Schritte eingebunden.

In Projekte mit anderen Kooperationspartnern sind wir als Stifterratsmitglied aber in aller Regel nicht involviert. Und genau hier kam es in der Vergangenheit wiederholt vor, dass diese am Buchhandel vorbeigeplant wurden. Wir haben in diesen Fällen immer wieder die Initiative ergriffen und uns mit der Stiftung Lesen zusammengesetzt, um eine stärkere Einbindung des Buchhandels zu erreichen - leider ohne Erfolg.

Wir haben angekündigt, unsere Mitgliedschaft im Stifterrat jetzt gründlich zu überprüfen. Das werden wir in Ruhe und unter Einbeziehung aller Argumente tun. Wir zahlen einen vergleichsweise niedrigen Beitrag für die Mitgliedschaft von 3.000 Euro jährlich. Wenn sich die Stiftung Lesen aber mit Aktionen wie der vorliegenden immer weiter vom Buchhandel entfernt, müssen wir überlegen, ob es diese Investition noch wert ist, wenn wir die Interessen gerade des unabhängigen Buchhandels nicht einbringen können.

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