10 Jahre Litprom-Bestenliste Weltempfänger

"Es ist definitiv ein Sichtbarkeitseffekt da!"

13. Oktober 2018
von Matthias Glatthor
Kann die vierteljährliche Bestenliste Weltempfänger, die Literaturen des globalen Südens empfiehlt, einen Beitrag zu mehr Vielfalt in Buchhandel und Verlagen leisten? Dem ging gestern eine Podiumsdiskussion auf der Bühne des Weltempfangs nach. Übrigens: Heute Nachmittag, um 16.30 Uhr, wird dort der LiBeraturpreis verliehen.

Auf dem Podium, das von Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir wurde, saßen die Schriftstellerin, Verlegerin ("CulturBooks") und Übersetzerin Zoë Beck, der taz-Journalist und Weltempfänger-Juror Andreas Fanizadeh und Dani Landolf, Geschäftsführer des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbands (SBVV).

Für Andreas Fanizadeh, der im Übrigen den unermüdlichen Einsatz der Litprom-Geschäftsführerin Anita Djafari für die Literaturen des globalen Südens hervorhob (neben dem Weltempfänger etwa durch den LiBeraturpreis und die jährlichen Literaturtage in Frankfurt), ist die Jourorentätigkeit und die Bestenliste eine wichtige Informationsquelle. Er leitet bei der taz das Kulturressort – und der Weltempfänger helfe ihm, sich auf dem Gebiet zu strukturieren. Dann sprach er ein Problem an: Die Kulturredaktionen seien oftmals angehalten, Spitzentitel, sichtbare Titel, zu besprechen, da hätten es Bücher des Weltempfängers, die meist in kleineren Auflagen bei kleinen Verlagen erscheinen, schwerer in die Feuilletons der Zeitungen zu kommen. Dabei sei der deutsche Buchmarkt reich an Übersetzungen, die Leser würden das nicht in ausreichender Zahl goutieren. An der Spitze des aktuellen Weltempfängers stehe mit "Die Verängstigten" der Exil-Syrerin Dima Wannous zwar ein Titel aus einem größeren Verlag (Blessing), aber er glaube nicht, das dieser viel davon verkaufen wird.

Diese überraschend pessimistische Sicht teilte Zoë Beck nicht: "Es ist definitiv ein Sichtbarkeitseffekt da!", so ihr Urteil. Wenn ein Buch aus ihrem Verlag auf der Bestenliste stünde, würde sie 200, 300 Exemplare mehr davon verkaufen. Und sie sehe hauptsächlich in unabhängigen Buchhandlungen eine Wirkung. Dort würden die Plakate des Weltempfängers ausgehängt, zum Teil Thementische aufgebaut. Und es gebe durchaus Buchhandlungen, die sich auf die Literatur aus Lateinamerika, Asien und Afrika mit spezialisieren wollen, beobachte sie. Bei Filialen von Buchhandlungsketten sei der Spielraum dafür geringer. Durch die zunehmende Vielfalt unserer Gesellschaften würde das Interesse der Leser an solchen Büchern künftig weiter zunehmen.

"Ich bin glücklich geworden mit dem Weltempfänger", erklärte Dani Landolf, "weil ich immer wieder Bücher entdecke – und in meiner Buchhandlung bestelle". Die monatliche Bestenliste liegt jeweils dem "Schweizer Buchhandel", den der SBVV herausgibt, bei. In der Schweiz, in der es keine Preisbindung für Bücher gebe, müssten sich die unabhängigen Buchhandlungen stärker von den Filialisten abgrenzen. Dafür könnte der Weltempfänger eine Grundlage sein. Insgesamt sei die Schweiz nicht so sehr Bestsellergetrieben, Diversität finde statt. Der SBVV könne dabei eine Orientierung geben.  

Zudem könne der Weltempfänger in Zeiten nationalistischer und Abschottungs-Tendenzen über seine Leseempfehlungen für Offenheit und Toleranz gegenüber anderen Kulturen werben, war sich das Panel über einen weiteren zentralen Aspekt der Bestenliste einig. 

Angerissen wurde die "Krise der Buchkritik" (Dani Landolf), die im Zeitalter von Netflix & Co. weniger Aufmerksamkeit errege. "Es ist nicht mehr so, dass nach dem Literarischen Quartett, die besprochenen Bücher am nächsten Tag stapelweise in den Buchhandlungen liegen müssen", so Zoë Beck. Und  Fanizadeh ergänzte: "Wenn in der FAZ eine Kritik erscheint, dann knallen nicht gleich die Korken im Verlag". Heute werde erst einmal abgewartet. Insgesamt gehe der Trend weiter hin zu Live-Events. Das sei auch auf der Frankfurter Buchmesse zu beobachten, wo die Diskussionsformen zunähmen.

LiBeraturpeis 2018 − Preisverleihung auf der Frankfurter Buchmesse

Der vierteljährlich erscheinende Weltempfänger ist mittlerweile auch die Grundlage für den LiBeraturpreis, der seit 30 Jahren an Autorinnen aus Lateinamerika, Asien, Afrika und dem arabischen Raum vergeben wird − mittlerweile organisiert von Litprom. Nominiert werden jeweils die Autorinnen, die in einem Jahrgang auf der Bestenliste stehen − das Publikum wählt daraus die Gewinnerin.

Preisträgerin in diesem Jahr ist, wie bekannt, die vietnamesische Autorin Nguyen Ngoc Tu.

  • Termin der Preisverleihung: 13. Oktober
  • Ort: Bühne Weltempfang, Halle 4.1, Stand B81
  • Uhrzeit: 16.30 − 17.30 Uhr

Weitere Informationen zur Litprom-Bestenliste Weltempfänger finden Sie hier.