40 Jahre Konkursbuch Verlag

Kulturgeschichtliches Archiv

23. März 2018
von Börsenblatt
Am 1. April feiert der Tübinger Konkursbuch Verlag von Claudia Gehrke seinen 40. Geburtstag − 666 Bücher wurden seit 1978 verlegt. Bekannt wurde der Verlag unter anderem durch das erotische Jahrbuch "Mein heimliches Auge".

Zu den Büchern, die Claudia Gehrke publiziert hat, zählen die preisgekrönten von Yoko Tawada (Goethe-Medaille, Chamisso-Preis, Kleist-Preis und Carl-Zuckmayer-Medaille) und Thriller von Regina Nössler. Der Konkursbuch Verlag selbst erhielt  für seine Arbeit 2011 den baden-württembergischen Landespreis für literarisch ambitionierte kleinere Verlage

Zum ungewöhnlichen Namen erklären die Tübinger: Der Verlag schöpfte bei seiner Gründung am 1. April 1978 aus der "Konkursmasse" der 68er-Bewegung. Das lateinische Verb "concurrere" bedeutet zusammenlaufen, aufeinanderstoßen – und im Konkursbuch Verlag würden viele Strömungen, Ideen und Geschichten zusammenlaufen. 

Die erste Publikation, aus der der Verlag hervorging, war eine literarisch-politische Zeitschrift, das "konkursbuch", deren 55. Ausgabe im Sommer 2018 erscheinen wird. Der Titel sei auch eine Anspielung auf das bekannte "Kursbuch". Doch "statt für direkte ideologische und politische Kurse und vorgezeichnete Wege interessiert sich das 'konkursbuch' vor allem für Umwege und Abschweifungen", heißt es von Seiten des Verlags.

"Mein heimliches Auge"

Aus dem konkursbuch 6 zum Thema Erotik entstand das erotische Jahrbuch "Mein heimliches Auge", aus dem wiederum die Buchreihe "Liebesleben" mit Romanen und Erzählungen hervorging sowie eine Serie großformatiger Bücher mit erotischer Fotografie.

Von "Mein heimliches Auge" sind bisher 32 Ausgaben erschienen; die Jahrbücher sind laut Verlag eine Collage aus Erzählungen, Sachtexten und Kurzessay, Lyrik, Berichten aus dem Leben, Interviews, Fotos und Zeichnungen. Das Besondere der "Augen" komme im ironischen Beschwerdebrief eines Rezensenten deutlich zum Ausdruck, so der Verlag: "Liebe Herausgeberin, lieber Herausgeber, das heimliche Auge hat doch für ein Bilderbuch viel zu viel Text, für Feministinnen zu viele Schwänze, für Schwule zu viele Frauen, für Lesben zu viele Männer, für Romantiker gibt’s zuviel Schmerz, für Sadomasochistinnen zuviel Herz! Veröffentlichen Sie doch mal was, das in irgendwelche Schubladen passt!!!"

Das Jahrbuch kämpfe seit der ersten Ausgabe für die Aufhebung der Schubladen. In den 1990er Jahren geriet das Jahrbuch ins Visier einiger Privatverfolger, Staatsanwälte und der Bundesprüfstelle – es wurde jedoch sowohl bei der Bundesprüfstelle wie in den Prozessen überzeugend als Kunst gewertet. Diese Prozesse allerdings hätten den Verlag ökonomisch an seine Grenzen gebracht.

Mittlerweile sei das "Heimliche Auge" längst auch zu einem kulturgeschichtlichen Archiv geworden. Als Ableger entstanden die Jahrbücher "Mein Lesbisches Auge" (seit 1998) und "Mein Schwules Auge" (seit 2003).

Grenzüberschreitungen aller Art

Der  Konkursbuch Verlag orientiere sich nicht an wirtschaftlichen Kennziffern, sondern an Ideen. Es würden auch die Bücher zählen, "die es nicht auf die Bestsellerlisten schaffen, auch die Autor*innen, die keine Auszeichnungen des Kulturbetriebs erhalten. Und auch ältere Bücher halten wir lieferbar", so das Credo.

Das belletristische Programm zeichne sich durch Grenzüberschreitungen aller Art aus: zwischen Sprachen und Kulturen, zwischen Geschlechtern, Altern, zwischen Bild und Text. Es gehe um Unheimliches, das in den Alltag einbricht, und um das Verzaubernde erotischer Momente. Weitere Schwerpunkte des Verlags sind die Übersetzungen von kanarischer und koreanischer Literatur sowie Krimis und Thriller.