Übernahme der Buchhandlung in Kirchseeon

Buchladen statt blaues BMW-Cabrio

16. Januar 2018
von Christina Busse
„Zu 99,9 Prozent ein Traumjob. Wer übernimmt den Buchladen Kirchseeon?“ Diese Schlagzeile im lokalen Anzeigenblatt fiel Hedwig Wobken im März 2017 ins Auge. Jetzt hat sie eine Buchhandlung. Ein Erfahrungsbericht.

Hinter der so positiv formulierten Anzeige verbarg sich ein Interview mit der örtlichen Büchhändlerin, die aus Altersgründen ihr Geschäft abgeben wollte, aber bereits seit mehreren Monaten vergeblich eine Nachfolge suchte. Der Artikel brachte sie gleich mit mehreren Interessenten in Kontakt. Auch in Hedwig Wobken war die Idee gewachsen, das Geschäft zu übernehmen, der Zeitpunkt war ideal: nach Familienzeit und Mitarbeit im Ingenieursbüro ihres Mannes wollte sich die ausgebildete Diplom-Bibliothekarin noch einmal beruflich neu orientieren.

Gut eine Woche später nahm sie Kontakt zu Buchhändlerin Kristina Dressler auf und im April wurde man sich handelseinig. „Ich habe den Laden so übernommen, wie er war. Mobiliar und Warenbestand inbegriffen“, berichtet Wobken (53). Als Kaufsumme gibt sie einen Anhaltspunkt: „Ich habe darauf gespart, mir einen Jugendtraum zu erfüllen: ein blaues BMW-Cabrio. Das Geld ist jetzt in der Kirchseeoner Buchhandlung aufgegangen.“ Die Umsatzzahlen der Buchhandlung habe sie vorab nicht eingesehen, einige Zahlen, wie Jahresumsatz und Betriebskosten, hätte sie aber für ihren Businessplan, den sie zur Beantragung des Gründerzuschusses vom Arbeitsamt aufgestellt hat, genannt bekommen. Das Ganze habe sie von der Steuerberaterin prüfen lassen, berichtet Wobken, die seit acht Jahren mit ihrer Familie im Ort lebt und die vor 28 Jahren gegründete Buchhandlung ebenso lange aus Kundensicht kennt sowie mit Umfeld und Zielgruppe vertraut war.

Von Juli an wurde sie durch Dressler in das Tagesgeschäft eingearbeitet, bei Kunden und Schulen als Nachfolgerin eingeführt. „Es war sehr wichtig, sich bei den Kunden vorzustellen“, sagt Wobken, die „sehr positiv“ empfangen wurde. „Der Grundtenor war, dass sich alle freuten, dass es mit der Buchhandlung im Ort weitergeht.“ Nach der Übergabe wurde das rund 70 Quadratmeter große Geschäft drei Wochen lang grundrenoviert. Der neue Bodenbelag – hier waren noch die alten Fliesen einer ehemaligen Metzgerei zu finden – und ein neuer Wandanstrich finanzierte der Vermieter. Die neue Beleuchtung und einen Kassentresen hat Wobken aus eigener Tasche bezahlt. „Es ist sicher wichtig, eine gewisse Kapitaldecke zu haben“, betont Wobken. Nicht nur für notwendige Investitionen, sondern zum Beispiel auch, um im Schulbuchgeschäft ganze Klassensätze vorfinanzieren zu können.

Als neue Inhaberin des Kirchseeoner Buchladens hat sich Wobken der eBuch angeschlossen und über Genial lokal einen Online-Shop etabliert, ein neues Kassensystem installiert sowie das Sortiment überarbeitet. Ursprünglich als Buch- und Spielwarenhandlung gegründet, konzentriert sie sich jetzt zu fast hundert Prozent aufs Buch. „Nach und nach nehme ich mir den Bestand vor und überarbeite ihn. Den Großteil habe ich inzwischen erneuert“, erläutert Wobken, die sich durch das gute Weihnachtsgeschäft in ihrem Kurs bestätigt sieht. „Vielleicht bin ich etwas blauäugig an die Übernahme herangegangen, aber ich sage mir, dass ich vor allem die Stammkundschaft „gekauft“ habe“, erklärt sie und ist zuversichtlich, dass ihr das im Münchner Einzugsbereich gelegene Kirchseeon mit seinen rund 10.300 Einwohnern zukünftig auch zusätzliches, neues Publikum bringen wird.