"Katastrophe für die Literaturlandschaft"

Autoren kritisieren neues Amazon-Bezahlmodell

7. Juli 2015
von Börsenblatt
Zum 1. Juli hat Amazon sein Bezahlmodell für Kindle Unlimited (KU) und die Kindle-Leihbücherei (KOLL) umgestellt − seither werden Selfpublisher-Autoren dort nach gelesenen Seiten bezahlt. Der Verband Deutscher Schriftsteller (VS) kritisiert diese Änderung scharf.

Kindle Direct Publishing (KDP)-Autoren erhalten seit dem 1. Juli Tantiemen für gelesene Seiten, statt wie bisher für die Anzahl "qualifizierter" Leihvorgänge, also der Anzahl der Titel, die zu mindestens 10 Prozent gelesen wurden (siehe Archiv: "Amazon modifiziert Vergütung für Indie-Autoren").

Voraussetzung für das neue Bezahlmodell sei, dass Amazon das Leseverhalten seiner Kunden wie "big brother" verfolge, kritisiert der VS nun in einer Medieninformation. "Dies ist ein kontrollierender Eingriff in den intimen Dialog des Lesers mit dem Buch und das damit verbundene Verhältnis zum Autor", so Eva Leipprand, die Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller VS.

Der Bundesvorstand und die Landesvorsitzenden des VS in ver.di hätten auf ihrer jüngsten Sitzung in Göttingen die Vorgehensweise von Amazon kritisch diskutiert, heißt es weiter. Sie seien sich einig gewesen, dass das neue Bezahlsystem bei einer weiteren Verbreitung eine Katastrophe für die Literaturlandschaft bedeute und die Gedankenfreiheit der Leser und Autoren einem fortschreitenden rein ökonomisch orientierten Zugriff unterwerfe.

Tendenziell drohe damit eine außerordentliche Gefahr für den Schreibprozess der Autoren. Dieser müsse aufgrund des neuen Bezahlmodells nun zuallererst darauf gerichtet sein, die Leser "kontinuierlich im 'Cliffhängerstil' von einer Seite zur nächsten zu treiben."

Weitere Themen der VS-Vorstandssitzung waren die Wahrung der Autorenrechte in Zeiten der Digitalisierung, die konkrete Vernetzung mit anderen europäischen Interessenverbänden im Bereich Literatur und Kunst sowie die Absage an das geplante Handelsabkommen TTIP mit den USA. Die VS-Vorsitzende erklärte: "Das Buch darf, während Digitalisierung und Globalisierung fortschreiten, nicht den Marktkräften und ihren Gesetzmäßigkeiten überlassen bleiben."