AG-Publikumsverlage

Für Carel Halff wird die Zukunft des Buchhandels digital

20. Januar 2011
von Börsenblatt
„Digital, vielfältig, von starken Marken und Multichannel-Konzepten geprägt“: So wird sich aus der Sicht von Weltbild-Chef Carel Halff der Buchhandel entwickeln. Den in München tagenden Publikumsverlegern rechnete der Augsburger Buchhändler für den herkömmlichen stationären Handel preisbereinigt ein Minus von fünf Prozent im Jahr 2010 vor. „Der Markt wird enger.“
Der Trend zum Versand- und Online-Handel und damit auch der Direktvertrieb nehme kontinuierlich zu. „Nach unserer Markteinschätzung liegt dieser Bereich in fünf Jahren über 50 Prozent." Das Internet biete „ein deutliches Mehr an Informationen gegenüber dem stationären Geschäft", behauptete Halff. Die Vielfalt suche man heute im Internet und nicht in den großen Häusern. Die Folge all dessen sei eine stark gesunkene Flächenproduktivität und damit an vielen Standorten „ein enormer Konsolidierungsdruck".
 
Der Begriff „Multichannel" wird Halff zufolge in der Buchbranche zu ungenau verwendet. Im richtigen Sinn des Wortes meine Multichannel, „dass die einzelnen Kanäle in etwa gleich bedeutend sind, einheitlichen Kundenservice und einen einheitlichen Markenauftritt haben". Nur Weltbild und der Club erfüllten diese Ansprüche einer engeren Begriffsdefinition, bemerkte der CEO der Weltbild-Verlagsgruppe mit einem indirekten Seitenhieb auf Thalia. Studien bescheinigten dem Multichannel-Vertrieb die bei weitem höchsten Wachstumsraten. Die Überlegenheit dieses Vertriebssystems liege in den gegenseitigen Kaufimpulsen, die die einzelnen Kanäle wechselseitig füreinander setzten.
 
Der stationäre Buchhandel ohne echte Multichannel-Einbindung stehe unter enormem Druck. Ohne Schließungen und Umwidmungen von Flächen werde es nicht gehen – „aber auch nicht ohne Veränderungen in den Einkaufs- und Lieferbedingungen". (Spätestens an dieser Stelle waren die Publikumsverleger hellwach.) An der Schnittstelle zwischen Verlagen und Handel gelte es noch erhebliches Rationalisierungspotenzial zu heben.
 
„Das Prinzip BBB" – B-Lage einer Buchhandlung mit Billy-Regal und Birkenstockschuhen – werde die Zukunft nicht gewinnen. In einem Multichannel-Verbund brauche es auch neue Ladenkonzepte: Convenience, Wohlfühlatmosphäre, Trend und Aktualität – „eben die echte Alternative zum Internet-Handel."
 
Im Jahr 2011 läutet laut Halff der Buchindustrie „die doppelte Stunde Null". Weitere Wettbewerber würden noch diesen Sommer in den Markt der eBooks eintreten. Zugleich werde sich der Siegeszug der Tablets fortsetzen. Die farbigen Tablets werden sehr schnell die heutigen Reader ersetzen. Ohne E-Reader gehe schon heute im US-amerikanischen Buchmarkt nichts mehr, zitierte Halff die Financial Times. Die Amerikaner gingen bereits davon aus, dass sich die Tablets flächendeckend durchsetzen wie einst die Handys. Langfristig werde daraus aber keine Markterweiterung resultieren, sondern bloß eine Substituierung.
 
Bewegung ließ Halff in seinem Denken über die Frage der Buchpreise erkennen: Der ökonomische Druck auf die Branche sei so hoch, dass die Frage, ob und wo sich höhere Preise für Bücher durchsetzen lassen, an Dringlichkeit gewinne. Aber weiterhin hält der Weltbild-Manager die Bereitschaft der Kunden, mehr für ein Buch zu bezahlen, in der Breite für eher gering.
 
Mit einer Perspektive 2020 schloss der prominente Referent seinen Vortrag: Das erste Jahrzehnt sei das Jahrzehnt des Internets gewesen. „Das zweite Jahrzehnt wird das Jahrzehnt der Digitalisierung und des Mobile Commerce. Shoppen wird zunehmend eine Frage von Freizeit und Lebensstil. Große Veränderungen – große Chancen."