Analyse zum Kindle-Store-Start in Deutschland

Marco Olavarria: "Andere mühen sich, Amazon ist mittendrin"

21. April 2011
von Börsenblatt
"Deutschland liest jetzt auf dem Kindle", meint Amazon. Tatsächlich? Wie wird sich der E-Book-Markt durch den Start des deutschen Kindle-Store verändern? Kommen andere Anbieter in Bedrängnis? Antworten von Marco Olavarria, Unternehmensberater bei Kirchner + Robrecht.

Nachdem Amazon generös seinen Konkurrenten den Vortritt überlassen hat, ist der lang erwartete Kindle nun auch im deutschen Markt. Jetzt steht den Konsumenten bei Amazon.de die erste vollumfassende Lösung für digitales UND analoges Lesen zur Verfügung - inklusive erprobter und in anderen Märkten bewährter Geräte, einer super-einfachen Bezahllösung, einer Marke, die wie kaum eine andere in der Onlinewelt für Bücher steht, und plattformübergreifender Lösungen für den Zugriff auf die erworbenen digitalen Inhalte. Es wird also spannend im Markt für digitale Inhalte!

Wie wird die weitere Entwicklung des Marktes aussehen? Der Kindle kann dem Markt insgesamt einen Schub geben, indem E-Reader, E-Books und E-Magazines stärker als Alternative und Ergänzung zum klassischen Angebot wahrgenommen werden. So können die Wachstumsprognosen Realität werden.

Aber welche Plattform hat die besten Chancen? Auf diese Frage gibt es keine schnelle Antwort - entscheidender Faktor ist die Affinität der Konsumenten zu den Gerätegattungen. Je mehr Käufer sich (auch) für einen E-Reader entscheiden, desto besser die Chancen von Amazon.de. Denn hier kann Amazon mit dem Kindle, dem Kindle Shop und den Synergieeffekten zum Vertrieb von Printbüchern seine Vorteile voll ausspielen.

Ganz anders sieht es hingegen auf den anderen relevanten Plattformen, also Apple und Android, aus. Hier ist Amazon (fast) ein Anbieter wie jeder andere. Der Kunde kann via Amazon-App Bücher beziehen und lesen. Diese steht aber in Konkurrenz zu vorinstallierten Lösungen wie iBooks und zu vielen weiteren Angeboten.

Ob Amazon.de oder andere Anbieter: alle müssen mit ihrer App auf die Endgeräte der Konsumenten gelangen, diese dauerhaft als präferierten Zugangspunkt zu E-Books im Relevant Set des Kunden halten und sich an die Regeln des entsprechenden Ecosystems halten. Entscheidend sind in dieser Situation gutes Marketing für eine breite installierte Basis und die Qualität des Sortiments – die wiederum vom Verhalten der Verlage bestimmt wird. Und da viele Verlage hohe Umsatzanteile im klassischen Buchgeschäft mit Amazon realisieren, hat Amazon das eine oder andere gute Argument vorzuweisen, was sich bereits im Einstiegssortiment des Kindle Shop zeigt.

Der Eintritt des Kindle ist für alle Marktplayer eine sehr ernst zu nehmende Konkurrenz. Trotz des relativ späten Markteintritts hat Amazon sehr gute Chancen auf eine starke Marktführung:

  • Amazon ist mitten in der Kernzielgruppe der digital-affinen Vielleser. Andere Anbieter mühen sich redlich, diese Position zu erreichen.
  • Amazon ist eine wirklich starke Marke. Die Bekanntheit der meisten E-Reader-Anbieter dagegen dürfte in der breiten Öffentlichkeit so spärlich ausfallen, dass Herr Jauch sie getrost für eine seiner 125.000 Euro-Fragen bei „Wer wird Millionär“ heranziehen könnte. Sogar Sony war bislang im Marketing auffallend zurückhaltend.
  • Die Buchhands-Filialisten könnten theoretisch den Vorteil des direkten Kundenkontakts im stationären Handel nutzen. Theoretisch. Würden Sie das E-Geschäft im stationären Geschäft wirklich ernst nehmen und endlich für einen aktiven Verkauf der Geräte und Lösungen am POS sorgen, anstatt großzügig über leere Akkus und lieblose Beratung hinwegzusehen.
  • Und Pubbles, PagePlace und Co.? Sie müssen den Tablets die Daumen drücken: Je höher deren Anteil an der zukünftigen digitalen Mediennutzung, desto besser stehen die Chancen für alle Beteiligten in diesem Segment.
Mittelfristig kann sich Amazon im E-Reader-Markt die Marktführerschaft eigentlich nur selbst streitig machen: Zum Beispiel, wenn das Gerätedesign zu sehr auf die Bedürfnisse des amerikanischen Marktes abgestellt ist – und Geräte und Pricing daher nicht wie erhofft angenommen werden.

Worauf sollten sich die Verlage einstellen? Gänzlich verdrängen wird Amazon seine Konkurrenten nicht. Bereiten Sie sich also auf eine Multi-Plattform-Zukunft vor!