Antiquariat

Rückblick auf 2016

31. Dezember 2016
von Börsenblatt
Ausgewählte Ereignisse und wichtige Begebenheiten im deutschen Antiquariatshandel. Ein Rückblick auf das Jahr 2016.

Online-Handel

Dass der Online-Handel über Abebooks, Booklooker, ZVAB & Co. auch im zurückliegenden Jahr 2016 neben dem einschlägigen Auktionswesen eine tragende Säule für den deutschen Antiquariatshandel war, ist gewiss und vermutlich unumstritten. Viel mehr lässt sich aber nicht feststellen, da veröffentlichte detailliierte Umsatzzahlen und sonstige Kennziffern fast vollständig fehlen. War 2016 ein gutes Jahr für viele Online-Anbieter? Wir wissen es leider nicht … Zu konstatieren ist immerhin, dass sich die brancheninterne Aufregung um die im Herbst 2015 vollzogene technische Integration von Abebooks und ZVAB weitgehend gelegt zu haben scheint.

Verband Deutscher Antiquare

Sibylle Wieduwilt, seit 2007 Inhaberin des renommierten Ladenantiquariats "Tresor am Römer" in der Altstadt von Frankfurt am Main, übernahm Ende Januar als Nachfolgerin von Christian Hesse (Hamburg) den Vorsitz des Verbands Deutscher Antiquare. Wieduwilt ist nach Christine Grahamer (München) die zweite Frau in diesem Amt.

Das maßgeblich vom Verband getragene jährliche Seminar für Antiquare fand Anfang September erstmals in Wolfenbüttel statt und zog viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer an.

Genossenschaft der Internet-Antiquare

Im Umfeld der Jahresversammlung der Genossenschaft der Internet-Antiquare (GIAQ), im Oktober erstmals auf Einladung der neugegründeten IG Antiquariat und Versandbuchhandel im Börsenverein im Haus des Buches in Frankfurt am Main abgehalten, wurde bekannt, dass die genossenschaftseigene Plattform Antiquariat.de sich auch 2016 stetig positiv entwickelt hat. Außerdem ist es der Genossenschaft gelungen, ausreichend Teilnehmer für den jährlichen Gemeinschaftskatalog der Antiquare zu akquirieren, der 2015 mangels ausreichender Beteiligung nicht erscheinen konnte.

Firmennachrichten

Das zurückliegende Jahr brachte eine Reihe negativer Firmennachrichten: das seit 1927 bestehende und seit Jahrzehnten von Ernst Nolte zusammen mit Gabriele Braun geführte Hamburger Kunst- und Buchauktionshaus Hauswedell & Nolte beendete im Frühjahr seine Geschäftstätigkeit. Geschlossen wurden außerdem unter anderem die Antiquariate Marco Pinkus in Zürich, Inselantiquariat (Conrad Piens) in Berlin, Urbs et Orbis (Rainer Schmitz) in Rheinbach, Buchhaus Stern-Verlag (samt großer Antiquariatsabteilung) in Düsseldorf, Wolfgang Sämann in Frankfurt am Main, Hans Jauker in Wien, Karel Marel in Friedberg in Hessen, Rainer Friedrich Meyer in Berlin und Der Rabe (Ellinor Lang) in Hamburg. Das Antiquariat Roland Moser in Simbach am Inn wurde Anfang Juni Opfer eines verheerenden Hochwassers und hat seitdem ebenfalls seinen Geschäftsbetrieb eingestellt.

Messen

Die terminlich parallelen Antiquariatsmessen in Stuttgart und Ludwigsburg konnten wiederum mit Erfolg durchgeführt worden – mit zusammen über 120 Ausstellern handelt es sich um eines der unbestrittenen Hauptereignisse der Branche. Die von Detlef Thursch ausgerichteten Antiquariatsmessen in Leipzig und Frankfurt am Main, beide in Verbindung mit den jeweiligen großen und publikumsstarken Buchmessen, waren dagegen von weiteren Rückgängen bei den Ausstelleranmeldungen gekennzeichnet. In Frankfurt wurde das besonders augenfällig: 2016 haben sich dort nur noch 36 Antiquariate beteiligt.

Die LiberBerlin, ursprünglich auf den Mai angesetzt und dann abgesagt, hat im zurückliegenden Jahr nicht mehr stattgefunden; ein eventueller neuer Termin für 2016 steht noch nicht fest.

Antiquariat in der Öffentlichkeit

Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen überraschte das Magazin der "Süddeutschen Zeitung" mit einem mehrseitigen Interview mit dem in Ramsen in der Schweiz residierenden Antiquar Heribert Tenschert (siehe den Ausschnitt hier). Tenschert, der den Leserinnen und Lesern als "einer der weltweit wichtigsten Sammler und Händler antiquarischer Bücher" vorgestellt wird, spricht in dem Interview unter anderem über mittelalterliche Handschriften (und die wenigen ernsthaften Kunden in diesem Bereich), Rudolf Borchardt und seine Freundschaft mit dem Schriftsteller Martin Walser.

Der umfangreiche und höchst lesenswerte Tenschert-Beitrag steht in gewissem Gegensatz zur tendenziell negativen Berichterstattung über den Antiquariatshandel, die 2016 mehrfach und in weit verbreiteten Medien (etwa "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Neue Zürcher Zeitung") auffiel. "Spitzenreiter" in dieser Hinsicht war Tilman Spreckelsens Artikel "Altbücherland ist abgebrannt" (siehe hier). Bedauerlich ist daran nicht nur, dass die ohnehin vorhandene grundpessimistische Haltung von solchen Beiträgen noch befördert wird; bedauerlich ist auch, dass es fast keine differenziertere Berichterstattung mehr über den Antiquariatshandel für eine größere Öffentlichkeit gibt. Wenn man genauer hinschaut, gibt es doch vielfältige und attraktive Aktivitäten der Branche, seien es besonders sorgfältig bearbeitete Verkaufskataloge von Daniela Kromp, Thomas Hatry, Torsten Sander, Michael Lehr, Sabine Keune, Susanne Koppel, Winfried Geisenheyner und anderen oder die Buchauktionen in Hamburg, Berlin, Köln, Königstein im Taunus, München und anderswo.

Der Verfasser dieses Jahresrückblicks wünscht sich entsprechend für 2017 weniger pauschale "Das-Internet-ist-für-Antiquare-Fluch-und-Segen-zugleich"-Artikel, sondern eine stärkere Beachtung individueller Beiträge des Antiquariats, die zeigen können, dass es sich nicht um einen Branchenzweig im Zustand des Siechtums handelt.

In memoriam 2016

Herbert Sonnewald – 11. Januar Helmut Hans Rumbler – 5. Februar Tilman R. Bassenge – 26. Februar Renate Geisenheyner – 6. April Dirk Auvermann – 29. April Rolf-Joachim Bartels – 8. Juli Wilfried Weber – 22. August Kurt Adler – 8. September Horst F. G. Klein – 6. November Theo de Boer – 17. November