Antiquariat

Umzug in die Ackerstraße 10

27. September 2018
von Börsenblatt
Das Unterwegs Antiquariat von Marie-Luise Surek-Becker, spezialisiert unter anderem auf Architektur, Fotobücher, Berlin/Brandenburg und Reiseführer, ist kürzlich innerhalb von Berlin-Mitte umgezogen. Ein Interview.

Warum sind Sie nach fast 15 Jahre aus der Torstraße ausgezogen?

Marie-Luise Surek-Becker: Als vielbefahrene Durchgangsstraße scheint die Torstraße nicht gerade der ideale Antiquariatsstandort zu sein. Trotzdem haben sich hier seit Beginn der 1990er Jahre immer wieder Kollegen niedergelassen. Nach 2008 entwickelte sich der Standort mit dem Zuzug zahlreicher Menschen aus der Kreativszene (Architekten, Designer, Fotografen, Werbeagenturen) und Projekten wie zum Beispiel dem Soho House, einem privaten Club für Kreative und Medienschaffende, gut. Mit der Spezialisierung auf Architektur und Fotografie war ich dort passend aufgestellt. Allerdings verändert sich das Berliner Zentrum rasant. Der Immobilienmarkt boomt, auch durch internationale Akteure, und es findet eine Verdrängung durch enorme Verteuerung statt.

In meinem Fall war es der Eigenbedarf des Hauseigentümers, der zum Umzug führte – seine als Buchgestalterin und Kunst- und Künstlerbuchverlegerin tätige Ehefrau wurde aus ihrem Kreuzberger Domizil verdrängt, und da lag es nahe, auf die eigenen Räume zurückzugreifen. An dieser Stelle will ich betonen, dass ich über die Jahre ein sehr gutes Verhältnis zum Hauseigentümer hatte. Sogar für die Vorbereitung des Umzugs ist er mir sehr entgegengekommen. Mit mehr Vermietern mit dieser Grundeinstellung würde die Torstraße ein anspruchsvolleres Bild abgeben.

Ich konnte mich relativ schnell mit der Idee eines vorgezogenen Umzugs anfreunden. Die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt und das Überdenken der eigenen Situation – ich erreiche in Kürze die "Altersgrenze" – erleichterten den Entschluss, nicht auf die Erfüllung des Mietvertrags bis auf den letzten Tag zu bestehen, sondern umgehend einen neuen Ort zu suchen. Dieser Ort sollte möglichst in der Nähe sein, um nicht noch einmal einen neuen Kundenstamm aufbauen zu müssen. Auch sollte es wieder ein Ladengeschäft sein, da mir der persönliche Austausch und das (Fach-)Gespräch mit Interessenten und Sammlern wichtig sind.


Und wie sind Sie am neuen Standort angekommen?

Der neue Standort in der Ackerstraße 10 liegt nur zwei Straßen vom alten entfernt, er hat allerdings weniger als die Hälfte der alten Ladenfläche – ich musste meinen Bestand erheblich konzentrieren. Aus Platzgründen kann ich nur noch wenige Fotos zeigen, Fotoausstellungen sind leider nicht mehr möglich. Dies wird von vielen Kunden ausdrücklich bedauert.

Die Straße hat mehr Kiezcharakter, ohne weniger lebendig zu sein. Etliche Betreiber der Kleinbetriebe, Galerien und gastronomischen Betriebe kennen sich untereinander und pflegen ihre Kontakte. Zu meinem Erstaunen und meiner Freude wurde ich von mehreren Hausbewohnern als Nachbarin willkommen geheißen, ebenso von einigen der Gewerbetreibenden. Unter den Bewohnern in der Straße und der Umgebung gibt es viele buchaffine Menschen; auch liegt das gut eingeführte allgemeine Antiquariat von Imke Wiederhold ebenfalls in der Ackerstraße. Eine Reihe von Stammkunden hat schon den Weg zum neuen Ort gefunden und ihn mit besonderer Aufmerksamkeit angenommen. Es ist durchaus vorstellbar, dass es ein zusätzliches Umsatzpotential gibt, da auch etliche Hotels näher am neuen Geschäft liegen und die Ackerstraße die direkte Verbindung zwischen dem Mauerstreifen in der Bernauer Straße, dem Hackeschen Markt und der Museumsinsel ist.


Welche Messe- oder Katalogpläne haben Sie?

Ein Antiquariatsumzug verlangt einige Nacharbeit und "Feinjustage". Aufgrund der anstrengenden Umzugszeit – bei Temperaturen oft von mehr als 30 Grad – wird es zum Herbst nur einen Internet-Katalog und einen gedruckten Flyer geben. Für 2019 plane ich Beiträge zu den Themen "Bauhaus und die Folgen" sowie Fotografie. Das ehemalige Galeriesegment werde ich weitgehend auf die Internetseite verlegen. Auch die Oberfläche der Homepage plane ich umzubauen und den neuen Entwicklungen anzupassen, da sie ein wichtiger Umsatzträger und Impulsgeber für die Ladenkunden ist. Messeteilnahmen sind derzeit nicht vorgesehen.


Wie entwickelt sich die Berliner Antiquariatslandschaft derzeit?

Mein Eindruck ist, dass die Kontakte zwischen den Kollegen immer lockerer werden beziehungsweise gar nicht mehr existieren. Ich habe selbstverständlich Kontakt zu etlichen der älteren Kollegen – wir telefonieren gelegentlich oder treffen uns auf den Auktionen oder Messen; ich kenne aber kaum einen der jüngeren Antiquare. Gründe mögen sein, dass viele Dinge nur noch über das Internet laufen und es kein regelmäßiges Forum zum Austausch gibt. Ob es aufgrund der Veränderungen auf dem Immobilienmarkt künftig überhaupt noch Ladenantiquariate geben wird, steht in den Sternen. Ich persönlich würde eine vollständige Verlagerung ins Netz sehr bedauern.

Fragen: Björn Biester

Die aktuellen Kataloge von Marie-Luise Surek-Becker finden sich hier. Surek-Becker ist auch auf Instagram aktiv (siehe hier).