Anuschka Albertz über agiles Arbeiten

Was will der Kunde?

12. Juli 2018
von Börsenblatt
Bei Ravensburger wird jetzt projektbezogen agil gearbeitet. Das tut auch den Verlagsprodukten sehr gut. Anuschka Albertz, verlegerische Geschäftsführerin, über die Geheimnisse des agilen Arbeitens – und die Früchte, die damit zu ernten sind.

Das Verhalten unserer Kunden verändert sich. Kinder, Jugendliche und Eltern verbringen immer mehr Zeit mit digitalen Geräten. Sie informieren sich online, lassen sich inspirieren und tauschen sich über Bücher und Spiele in sozialen Medien aus.

Für uns ist es extrem wichtig, zu verstehen, was sie bewegt und was sie suchen, um schnell darauf reagieren zu können. Aus diesem Grund hat die Ravensburger Gruppe im Jahr 2017 investiert und eine neue Strategie diesbezüglich aufgesetzt. Wir haben Methoden erarbeitet, die es uns ermöglichen, neue komplexe Produkte, beispielsweise mit einer Digitalkomponente, schnell und nah am Kunden zu entwickeln: Wir arbeiten projektbezogen agil – auch im Buchverlag.

Agiles Arbeiten bedeutet bei uns, dass Teams aus verschiedenen Abteilungen sich über einen bestimmten Zeitraum intensiv Fragestellungen und Projekten widmen und diese in der Zielgruppe testen. Dabei setzen wir auf eine besondere Umgebung außerhalb der Büros: den Ravensburger Campus, einen ganz besonders ausgestatteten Raum, der alle inspiriert.

Für etwa sechs bis acht Wochen treffen sich dort an zwei bis drei Tagen pro Woche Kollegen aus den verschiedensten Abteilungen von Buchverlag und Ravensburger Gruppe, zum Beispiel aus Redaktion, Marketing, Vertrieb und dem Digital Center, um selbstorganisiert eine Aufgabe zu lösen. Im Mittelpunkt eines jeden Campus steht die Frage "Was will der Kunde?". Großes und freies Denken ist gewünscht und gefordert.

Diese Teams werden von einem "Agile Coach" angeleitet und begleitet. Er trainiert die Kollegen beispielsweise in der Methode des Design Thinking und steht beratend zur Seite, wenn einer der nächsten Schritte hakt.

Das agile Vorgehen hat unsere Entwicklungsprozesse beschleunigt. Statt langjährig etwas zu erarbeiten, von dem wir überzeugt sind, aber das die Kunden vielleicht gar nicht wollen, wird jetzt jeder Projektschritt mit der Zielgruppe besprochen und getestet, verworfen oder weiter optimiert.

Mit dieser Methode entstand zum Beispiel auch das Konzept von tiptoi® CREATE, das im September neu auf den Markt kommt. Mit den tiptoi® CREATE Büchern und dem neuen Stift werden Kinder zu Büchermachern, denn sie gestalten Dialoge und Inhalte, die sie über die Aufnahmefunktion des Stifts aufsprechen und wieder abspielen können. Die Rückmeldungen der Kinder haben uns hier auf die entscheidenden Funktionen gebracht und außerdem gezeigt, was ihnen Spaß macht.

In einem weiteren Campus ging es darum, die Kindersachbuchreihe Wieso? Weshalb? Warum? digital erlebbar zu machen. Die intensive Zeit war wegweisend – die Form des Arbeitens, der besondere Raum, die tollen Ideen in kurzer Zeit und auch, wie sich das Team organisiert hat. Die Resonanz der Teammitglieder ist hervorragend, obwohl es für alle eine sehr anstrengende Zeit ist – denn der tägliche Job muss ja auch erledigt werden. Doch alle Campus-Mitarbeiter sind hochgradig motiviert, haben eine ganz persönliche Lernkurve erlebt und ihre Vernetzung innerhalb von Ravensburger vorangebracht. Ein wesentliches Merkmal ist auch, dass die Arbeit am Projekt Spaß macht.

In diesem Jahr kommen die ersten Ergebnisse auf den Markt. Intern hat die neue Arbeitsform enormen Zuspruch. An Ideen mangelt es auch nicht – die Campuszeit ist begehrt und knapp.

Wir sehen uns beim agilen Arbeiten in der Experimentier­phase. Unsere Aufgabe als Management ist nicht nur die Etablierung, sondern auch die Befähigung der Mitarbeiter, sich Freiräume für agiles Arbeiten zu schaffen.