Bastei-Lübbe-Vorstände Thomas Schierack und Ulrich Zimmermann im Interview

"Wir glauben an die höheren Preise"

3. August 2017
von Börsenblatt
Wie Bastei Lübbe wieder in ruhigeres Fahrwasser geraten möchte, welche Rolle der Buchhandel dabei spielt und wie ein Bestsellerjahrgang die Aktionäre besänftigen könnte - darüber sprechen Bastei-Lübbe-Vorstandschef Thomas Schierack und der neue Finanzvorstand Ulrich Zimmermann im Interview mit boersenblatt.net.

Mit Ulrich Zimmermann hat die börsennotierte Bastei Lübbe AG seit wenigen Wochen einen neuen Finanzvorstand. Der Mittfünfziger kommt vom Weinhändler Hawesko (u.a. Jacques Weindepot), wo er fast zwei Jahrzehnte in leitender Position tätig war, seit 2007 bis zu seinem Ausscheiden Mitte 2016 als Vorstand für Finanzen.

Zimmermann steigt jetzt in ein Unternehmen ein, das in den vergangenen Monaten turbulente Zeiten erlebte. Umsatz- und Ergebnisprognosen wurden verfehlt, der Aktienkurs dümpelt vor sich hin, die Dividende für die Aktionäre fällt in diesem Jahr wohl aus. Eine der ersten Amtshandlungen des Hamburgers war es – kaum eine Woche im Unternehmen – eine Gewinnwarnung auszusprechen. Es gibt angenehmere Einstiege in einen neuen Job. Aber sowohl er als auch Vorstandschef Thomas Schierack sehen den kommenden Monaten mit Zuversicht entgegen. Am Rande der Bilanzpressekonferenz am Mittwoch in Köln traf das Börsenblatt die beiden Vorstände zu einem Doppelinterview in Schieracks Büro.

Wein und Buch, das passt gut zusammen. Was hat Sie nach so langer Zeit im Weinhandel in die Medienbranche verschlagen?

Zimmermann: Es ist eine tolle Gelegenheit, eine neues Medium und eine neue Branche kennenzulernen mit anderen Herausforderungen als ich sie bisher kannte, aber auch mit vergleichbaren Herausforderungen. Die Digitalisierung etwa stand bei uns als Weinhändler ebenfalls ganz weit oben. Dieses Thema beschäftigt ja auch Bastei Lübbe sehr stark. Dabei beweist das Unternehmen neben Tradition Innovation und zeigt, dass man in die Zukunft investieren muss, um auch in zehn Jahren als Publikumsverlag immer noch an der Spitze zu stehen. Die neuen Geschäftsmodelle interessieren mich sehr, ich werde deren Entwicklung mit Zahlen begleiten, so dass wir gute Entscheidungsgrundlagen haben.

Den Aktionären auf der Hauptversammlung werden Sie erst einmal vermitteln müssen, dass sie in diesem Jahr keine Dividende erhalten.
Zimmermann: Ich glaube, jeder Aktionär ist auch rational. Wenn man die Zahlen der letzten zwei Jahre betrachtet, darf man eines nicht machen: an die Substanz gehen, also unser Eigenkapital angreifen und die Innenfinanzierungskraft schwächen. Das werden die Aktionäre verstehen, weil wir ja auch in einem Veränderungsprozess sind. Mittelfristig wollen wir wieder Dividende ausschütten, denn unsere Aktie ist ein Dividendenwert, so haben wir uns aufgestellt.

Im laufenden Geschäftsjahr soll alles besser werden. Ihre beiden Starautoren Ken Follett und Dan Brown kommen in kurzem Abstand mit neuen Titeln auf den Markt. Bei beiden Büchern haben Sie die Preise erhöht. Werden die Leser das mitmachen?

Schierack: Wir glauben an die höheren Preise – und der Buchhandel auch. Er hat sehr positiv reagiert, manche Buchhändler haben uns sogar zu noch höheren Preisen geraten. Intern haben wir intensiv darüber diskutiert, wie hoch wir gehen sollen. Da gehen die Meinungen natürlich auseinander, aber ich bin sicher, wir haben richtig entschieden.

Wäre es Ihnen nicht lieber gewesen, die beiden Bücher würden nicht nahezu zeitgleich erscheinen?
Schierack: Beim Erscheinungstermin richten wir uns natürlich nach den Autoren. Beide publizieren weltweit bei Random House, nur in Deutschland sind sie bei unserem Verlag. Wir sind froh, wenn wir uns dieses gallische Dorf erhalten können.
Zimmermann: Es wäre natürlich schon schön gewesen, die Bücher über zwei Geschäftsjahre zu verteilen, denn so einen Peak muss man dann im nächsten Jahr wieder ausgleichen. Aber wir nehmen es sportlich.

Im vergangenen Jahr ist Bastei Lübbe mit 51Prozent beim Rackjobber BuchPartner eingestiegen. Warum war dieser Schritt so wichtig für Sie?
Schierack: Wir sind ein Inhalte-Haus und finden es wesentlich, für unsere Inhalte auch eigene Vertriebswege zu schaffen. Wir müssen davon ausgehen, dass der Lebensmitteleinzelhandel in den kommenden Jahren der einzige Wachstumsmarkt sein wird. Die Kundenfrequenz ist hoch, die Buchabteilungen in der Nähe der Kasse sind gut positioniert. Wir als Mainstream-Verlag sind genau auf jene Kunden fokussiert, die dort einkaufen gehen. Deswegen ist das für uns eine ganz wichtige Möglichkeit zur Absicherung unserer künftigen Umsätze. Wir wollen nun auch mit anderen Unternehmen kooperieren und versuchen, digital etwas auf die Beine zu stellen. Warum soll es den Tolino nicht in Nebenmärkten geben? Baumärkte und Drogerien möchten wir zudem als weitere Verkaufsstellen erschließen.

Mit Tom Kirsch, gerade zu Ihnen gewechselt als Leiter Einkauf bei BuchPartner, haben Sie ja den richtigen Mann für die Realisierung Ihre Pläne gefunden …
Schierack: Auf jeden Fall! Mit ihm haben wir jemanden an Bord, der das Geschäft aus dem Eff Eff beherrscht und über jahrzehntelange Erfahrung verfügt. Wir kennen ihn als sehr harten Verhandler von Thalia und diese Stärken wollen wir jetzt bei uns einsetzen.

Wenn Sie so sehr auf die Nebenmärkte setzen – wo bleibt da der stationäre Buchhandel?

Schierack: Das stationäre Sortiment ist noch immer unser wichtigster Partner und macht bei den physischen Büchern rund 40 Prozent der Umsätze aus. Wir hoffen, dass dieser Wert so lange wie möglich stabil bleibt. Wir sehen allerdings, dass leider viele Buchhandlungen schließen. Sie haben Nachfolgeprobleme,  es ist ja auch eine Herausforderung, sechs Tage die Woche im Laden zu stehen und abends noch die Buchhaltung zu machen. Natürlich zieht auch Amazon viel Umsatz ab. Wenn Amazon dann noch mit stationären Läden nach Deutschland kommt, ist das für die Buchhandlungen wieder eine große Herausforderung.

Herr Zimmermann, eine Ihrer Aufgaben ist es, die Unternehmensstrukturen zu analysieren und eventuell auch zu verändern. Warum ist das notwendig?

Zimmermann: Wir haben uns vorgenommen, dass uns ein paar Dinge möglichst nicht mehr auf die Füße fallen wie in der Vergangenheit. Das Geschäftsmodell von Bastei Lübbe ist heute viel komplexer als vor zehn Jahren. Es gibt Bücher, es gibt Games - ein ganz eigenes Geschäftsmodell mit eigenen Regeln -, es gibt Startups. All das bringt unterschiedliche Sensitivitäten und Risiken mit sich. Um das zu steuern, bedarf es neuer Instrumente. Wir müssen mehr Sicherheit und Transparenz in die Forecasts bekommen. Das ist natürlich im börsennotierten Lichte, wo wir alle drei Monate Zahlen herausgeben, ein sehr großes Thema. Wir stehen ständig unter Beobachtung, die Analysten haken nach – da muss man alle Informationen vorhalten. Und wenn ein Unternehmen diversifiziert hat, so wie Bastei Lübbe, wird es umso komplexer.

Diese permanente Beobachtung und Berichterstattung – ist das ein Fluch oder ein Segen?
Schierack: Es ist beides zugleich. Man wird ständig gezwungen, sich weiterzuentwickeln und arbeitet immer wieder daran, dass auch das nächste Quartal entsprechend wird. Das kann hier und da anstrengend sein, aber auf lange Sicht ist es hilfreich für das Unternehmen. Man wird professioneller dadurch.
Zimmermann: Und effizienter. Auch das ist etwas, woran man gemessen wird.

Den Aktienkurs wollen und sollen Sie auch wieder Bewegung bringen. Wie kann eine Kurssteigerung erreicht werden?

Zimmermann: Wir müssen viel harte Arbeit leisten. Die Prognosen, die wir geben, müssen auch eintreffen. Das Ergebnis muss nach oben gehen, der Anleger muss Vertrauen gewinnen. Es wird jetzt darum gehen, ein erfolgreiches Jahr zu zeigen. Ich glaube, dann sind die Anleger wieder bereit, stärker in die Aktie zu investieren. Im Moment ist der Börsenkurs auf unsere Ergebnisse bezogen nicht unfair. Natürlich wünscht man sich immer höhere Bewertungen. Aber wir brauchen Zeit, um zu beweisen, dass das Unternehmen wieder gute Zahlen produzieren kann und wir die turbulenten Zeiten hinter uns lassen können.