Beziehungsmarketing mit jungen Lesern

Geliked, geshared, gekauft?

21. September 2016
von Börsenblatt
Bücher bewerben war immer schon eine Herausforderung. Selbst wenn gedruckte Literaturmagazine schwächeln und Ad-Blocker das Internet werbefrei machen, sind Deckenhänger nicht die ultimative Lösung. Der Werbeblick der Verlage geht deshalb verstärkt in die sozialen Netzwerke.

Feuerwerke mit Werbemaßnahmen

Wenn "Die Feder eines Greifs" von Cornelia Funke am 26. September erscheint, dann sollte sie auf allen digitalen Kanälen die Kinnspitze potenzieller Lesers mindestens einmal gekitzelt haben. Denn virtuos wie einst Glenn Gould spielt der Dressler Verlag auf der Klaviatur des Online- und Social Media-Marketings, um groß und klein auf den zweiten Teil des "Drachenreiters" zu stoßen. Es sind insbesondere die eigenen Kanäle, die umfangreich bestückt werden: Offizielle, von Dressler aufgebaute und gepflegte Verlags-, Autoren- und Buchseiten im Internet, der Cornelia Funke-Facebook-Account, Buchtrailer auf dem eigenen YouTube-Kanal, die Instagram-Seite des Unternehmens. Dazu kommt eine Fülle von Werbemaßnahmen in den Weiten des World Wide Web. Trailer-Ads auf Facebook gehören ebenso dazu wie klassische Online-Banner und Gewinnspiele.

Andernorts auf YouTube flattert der Greif direkt beim Start von Videos los: Als PreRoll-Ad wird der Trailer vor andere Videos geschaltet. Auch ausgewählte Buchblogger greifen zu: Für sie gab es Teaserpost vorab. Denn die gesamte Multi-Channel-Strategie geht mit einem ehrgeizigen Ziel an den Start: "Neben der Zielgruppe Kinder, die wir u.a. über Onlinekanäle, z.B. YouTube erreichen, wollen wir erwachsene Käufer ansprechen, die das Buch als Geschenk kaufen oder auch zum Selberlesen. Denn viele kennen 'Drachenreiter' noch aus ihrer eigenen Kindheit", sagt Oetinger- und Dressler-Pressefrau Judith Kaiser. Die gilt es in der Masse zu mobilisieren, auf allen zielführenden Kanälen.

"Beziehungsmarketing" aufbauen

Nicht nur für Dressler ist Social Media-Marketing ein wichtigster Bestandteil der aktuellen Vermarktungsstrategie – das jedoch vor allem potenziellen Bestsellern vorbehalten bleibt, geschuldet dem finanziellen Aufwand, der dahinter steckt. Während Dressler sich selbst um das deutschsprachige Cornelia-Funke-Facebook-Profil kümmert – mit der irritierenden Folge, dass dort in dritter Person über Funke gesprochen wird – müssen anderen Autorinnen und Autoren ihre Profile selbst anlegen, pflegen und den Dialog mit den Lesern aufnehmen und halten. Beziehungsmarketing heißt das Zauberwort, dass Verlage für sich, ihre Bücher und Autoren entdeckt haben.

Der Verlag als Marke und sichtbarer Absender von Endkundenkommunikation? Über Social Media scheint das erstmals erfolgversprechend zu sein. Und es funktioniert umso besser, je persönlicher, individueller und interessenorientierter die Informationen an die potentiellen Buchkäufer und Leser ausgespielt werden. Durch die Datensammelwut von Facebook, Google und Co. ist das auch so zielgruppengenau möglich wie nie zuvor.

Leser über WhatsApp und Snapchat abholen

Das zumindest scheint übereinstimmend der Glaube der Verlage zu sein. Loewe gehört zu den Vorreitern, die schon mit Messenger-Diensten wie WhatsApp und Snapchat experimentieren und damit gute Erfahrungen machen. "Es ist uns sehr wichtig, dass wir alle Kanäle selbst aufbauen und dort mehrmals pro Woche Kontakt zu unseren Lesern pflegen. Um nah an den Jugendlichen zu bleiben, müssen häufig neue Wege gegangen werden. Aktuell erreichen wir mit Instagram, WhatsApp und Snapchat bei der jungen Zielgruppe die höchste Interaktionsrate", sagt Nicolai Lindner, Leiter Online-Marketing & Metadaten. Was voraussetzt, dass die dort veröffentlichten Beiträge wirklich so relevant sind, dass die jeweiligen Kanäle abonniert werden oder sogar, wie bei WhatsApp, die eigene Mobilfunknummer preisgegeben wird. Bei Instagram scheint das mit fast 10.000 Abonnenten auch zahlenmäßig gut zu funktionieren.

Über die eigenen und zusätzliche Kanäle vermarktet werden die Inhalte auch hier nur für wenige Spitzentitel, wie im Herbst für den neuen Titel von Derek Landy. Bei allen anderen Aktivitäten liegt die Hoffnung dagegen auf viralen Effekten und der organischen Reichweite von Facebook-Posts. Die bemisst, wie viele Menschen man kostenlos mit einem Beitrag erreichen kann – aktuell sind das zwischen 5 und 10 Prozent aller, die einem Profil folgen. Will man mehr, erfordert das den Einsatz eines Vermarktungsbudgets. Je höher das Budget, desto mehr Menschen erreicht man.

Mama- und Papa-Blogger

Idealerweise verbinden sich die Verlagsaktivitäten mit der Netzpräsenz eines Autors und dessen Bereitschaft, Teil der Maßnahmen zu werden. "Die Verschränkung aller sozialen Netzwerke innerhalb des Verlages ist besonders wichtig, wenn Social Media-Kampagnen erfolgreich sein sollen. Daher wurde auch im Vorfeld auf den Kanälen wie twitter auf unsere Blogtour hingewiesen oder über Instagram auf die zahlreichen spannenden Beiträge verwiesen", erläutert Susanne Baumann von Arena das Marketingkonzept rund um den Titel "Evolution" von Thomas Thiemeyer, bei dem Buchbloggern eine wichtige Rolle zukommt. "Dabei ist ein Interview mit dem Autor häufig obligatorisch und sehr beliebt, da er hier in direkter Interaktion mit seinen Fans und neuen Leserinnen und Lesern treten kann."

Entsprechend haben viele Verlage schon reagiert und eigene Ansprechpartner für Buchblogger und -vlogger eingerichtet. "Unter unseren Bloggerkontakten sind viele Jugendbuchleser, aber auch Mama- und Papablogger, die eher Kinderbücher oder (auch) Sachbücher/Ratgeber besprechen oder aber Bastler und Kreative oder Designaffine, die sich mit DIY beschäftigen und entsprechend Bücher vorstellen – sowohl im klassischen Buchblog als auch zunehmend als Booktuber", beschreibt Franziska Lindner, Pressefrau bei Beltz & Gelberg, den Kontakt. Und Social Reading-Plattformen wie lovelybooks sind sowieso gesetzt.

Kampf um Aufmerksamkeit

Über diese Begeisterung hinweg darf man nicht vergessen, dass Kinder- und Jugendbuchverlage nur kleine Davids sind im Kampf um Aufmerksamkeit. Mal zum Vergleich: Die Reichweite eines Facebookprofils wie dem von Bloomoon (ArsEdition) liegt bei 2.065 Freunden, während Social Media-Stars wie LeFloid mit ihrem Facebookprofil 653.070 Menschen erreichen – Zahlen, die auf YouTube nicht anders aussehen. Und die auch bei anderen Kinder- und Jugendbuchverlagen keine enormen Ausreißer nach oben zeigen.

Geliked, geshared, gekauft? Die Erwartung ist da, dass dieser Weg durch den intelligenten Umgang mit den einzelnen Medienkanälen tatsächlich so verläuft, im Idealfall. Aber der Aufwand dahinter ist für die Verlage nicht zu unterschätzen. Aufmerksamkeit immer wieder neu zu gewinnen ist die Voraussetzung, um dauerhaft im Dialog zu bleiben. Denn hinter der gewünschten Interaktion steht ganz klar das Ziel, aus dem Leser eines Postings auch den Käufer eines Buches zumachen.

Morgen erscheint das Börsenblatt-Spezial "Kinder- und Jugendbuch" (Heft 38) mit einer Vielzahl weiterer Themen, vom "pädagogischen Auftrag" von Jugendbuchverlegern und Buchhändlern über Väter als Zielgruppe im Sortiment bis zu Entdeckungen in den Herbstprogrammen.