Branchen-Monitor Buch 2015

Umsätze fahren Achterbahn

14. Januar 2016
von Christina Schulte
Gute Nerven waren gefragt im Jahr 2015. Es ging munter auf und ab im Buchhandel, in der Endabrechnung schloss die Branche mit einem Minus von 1,7 Prozent. Die Zahlen im Überblick.

Kassensturz zum Jahresschluss: Die letzten Wochen des Weihnachtsgeschäfts haben dem Buchhandel einen wichtigen Impuls gegeben und den bis dato aufgelaufenen Rückstand zum Vorjahr abschmelzen lassen. Über die Vertriebswege Sortiment, E-Commerce, Warenhaus und Bahnhofsbuchhandel wurden im Dezember beim Barumsatz 0,5 Prozent mehr eingespielt als im Jahr zuvor. Das geht aus dem Branchen-Monitor Buch hervor, den GfK Entertainment im Auftrag des Börsenvereins erhebt. Für das Gesamtjahr schlägt in der Endabrechnung ein Minus von 1,7 Prozent zu Buche. Im November hatte der Umsatzzeiger noch auf minus 2,2 Prozent gedeutet.
Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins, sagte zum Abschneiden des Buchhandels: "Die Buchbranche geht zuversichtlich ins neue Jahr, auch wenn der Buchmarkt im Gesamtjahr 2015 insgesamt leicht geschrumpft ist und der Sortimentsbuchhandel noch etwas mehr verloren hat." Positive Entwicklungen wie der ansteigende Erfolg des Tolinos, der sich immer mehr als das E-Reader-System der Buchbranche etabliert, oder der erste Deutsche Buchhandlungspreis bewiesen, so Riethmüller, wie lebendig und innovativ die Branche ist. Der Buchhandel baue seine erfolgreiche Multichannel-Strategie immer mehr aus. "Mit dieser Kombination von professionellem Onlineservice und Einkauf vor Ort sind die Buchhandlungen dem reinen Onlinehandel weit überlegen. Das spricht sich herum, beginnt sich auszuzahlen und ist als Investition in die Zukunft von zentraler Bedeutung", betont der Vorsteher.

2015 war für den gesamten Buchhandel geprägt von deutlichen Schwankungen nach oben wie nach unten. Die Ausschläge bewegten sich zwischen minus 11,3 Prozent im April wegen des verschobenen Osterfests und einem Zuwachs von neun Prozent im März, zustande gekommen ebenfalls durch den Kalendereffekt. Dominiert haben die Monate mit negativer Umsatzentwicklung (neun an der Zahl), einzig im März, Juni und Dezember sind die Einnahmen nach oben geklettert (siehe Grafik). Nimmt man die einzelnen Quartale unter die Lupe, so waren die stärksten Umsatzeinbußen relativ gesehen im zweiten Quartal zu verzeichnen. Am besten liefen die Geschäfte noch in den ersten und letzten drei Monaten des Jahres.

Lesers Liebling Sachbuch 
Werden die Editionsformen als Kriterium herangezogen, waren im Dezember vor allem Hard- und Softcover gefragt. Sie legten um 1,7 Prozent zu. Taschen­bücher hingegen lagen 1,8 Prozent unter Vorjahr, für die Hör­bücher belief sich das Minus sogar auf 5,7 Prozent. Bei den Warengruppen konnte sich das Sachbuch, das den Buchhändlern bereits das ganze Jahr über Freude bereitet hatte, mit einem Plus von 6,6 Prozent einsam und mit klarem Abstand an die Spitze setzen. Ebenfalls im positiven Bereich befanden sich ­Reisebücher, die einen Zuwachs von drei Prozent auf ihr Konto gutschreiben konnten.
In der Jahresabrechnung waren es denn auch die Sach­bücher, die mit einem klaren Vorsprung auf die Verfolger die Poleposition einnnehmen konnten: 1,6 Prozent mehr Einnahmen als 2014 wurden mit Sachbüchern im vergangenen Jahr generiert (siehe Grafik). Zu verdanken ist das beliebten Titeln wie "Darm mit Charme", "Das geheime Leben der Bäume" oder "Inside IS". Größte Verlierer waren die Ratgeber, die eine Lücke von 4,5 Prozent aufweisen. Die starken Warengruppen Belletristik sowie Kinder- und Jugendbuch blieben hinter ihren Vorjahreswerten zurück und gaben um 1,6 Prozent beziehungsweise um ein Prozent nach.

Die Bilanz im Sortimentsbuchhandel fällt weniger erfreulich aus als 2014: Im Dezember büßte der Barumsatz im Vorjahresvergleich 1,3 Prozent ein. Die Wende hin zu einem positiven Jahresabschluss hätte das Dezember-Geschäft ohnehin nur schwerlich bewirken können – mit minus 4,1 Prozent war der per Ende November aufgelaufene Rückstand einfach zu hoch. Immerhin konnte die Lücke durch das Dezember-Ergebnis um 0,5 Prozent auf minus 3,6 Prozent reduziert werden.
Cornelia Herbst von der Buchhandlung Das Gute Buch in Sangerhausen zieht für ihr Unternehmen eine positivere Bilanz: "Im vergangenen Jahr ist der Umsatz bei uns stabil geblieben, und das, obwohl es viele Geschäftsschließungen in unserer Stadt gab, unter denen andere Läden deutlich mehr gelitten haben." Andere Händler sehen das ähnlich (siehe Umfrage).


Auf und Ab im Buchhandel vor Ort 
Im stationären Buchhandel glich das Jahr 2014 ebenfalls einer Achterbahnfahrt. Die Umsätze begaben sich auf Talfahrt bis hin zu minus 12,8 Prozent im April, nahmen aber auch Höhen von plus 7,3 Prozent im März in Angriff. Dominiert haben im Sortiment ebenfalls die Monate mit negativer Umsatzentwicklung, einzig im März und Juni waren die Einnahmen höher als im Vorjahr (siehe Grafik oben).

In der Jahresauswertung haben die Marktforscher von GfK die Entwicklung in der stärksten Warengruppe, der Belletris­tik, im Detail analysiert. Schöngeistige Literatur hält derzeit einen Marktanteil von 35,7 Prozent und musste beim Umsatz mit einem Minus von 1,6 Prozent über alle Vertriebswege hinweg vorliebnehmen. Eine Erklärung für das Abschneiden: Im Spannungsbereich, der gut ein Viertel zur Belletristik beiträgt, hinkten die Einnahmen um 3,5 Prozent hinter denen des Vorjahrs her. Ähnliches gilt für die Bereiche Comic, Cartoon, Humor, Satire (minus 2,3 Prozent) sowie für das Geschenkbuch (minus 0,9 Prozent), mit einem Umsatzanteil von acht Prozent beziehungsweise 6,3 Prozent wichtige Säulen der Belletristik (siehe Grafik).
Besondes viel Spaß hatten die Buchhändler mit den Best­sellern, in der vorliegenden Liste über alle Editionsformen hinweg erfasst. Angeführt wird das Ranking von Charlotte Links "Die Betrogene" (Blanvalet), auf Position 2 folgt das "Rosie-Projekt" (Graeme Simsion, Fischer Taschenbuch), der dritte und vierte Platz gehen jeweils an Jojo Moyes mit "Ein ganz neues Leben" (Wunderlich) und "Ein Blick von dir" (Rowohlt Taschenbuch).

Dreiländervergleich 
Wie erging es 2015 dem gesamten deutschsprachigen Buchhandel? Auch auf diese Frage gibt der Branchen-Monitor Buch eine Antwort. Während 2014 noch die deutschen Buchhändler das Dreiländerranking anführten, haben nun die Österreicher den ersten Platz übernommen. Über die Vertriebswege Sortimentsbuchhandel und E-Commerce – in der länderübergreifenden Auswertung sind die Absatzwege Warenhaus und Bahnhofsbuchhandel nicht enthalten – kommen die Österreicher auf ein Minus von 1,1 Prozent. Bei uns im Lande beträgt der Rückstand auf das Vorjahr 1,7 Prozent. Die eidgenössischen Buchhändler bilden mit einem Umsatzdefizit von 5,7 Prozent das Schlusslicht. Für alle drei Länder zusammen liegt das Minus bei zwei Prozent (2014: minus 2,3 Prozent).
Inge Kralupper, Geschäftsführerin beim Hauptverband des österreichischen Buchhandels, verweist vor allen Dingen auf den starken Endspurt im Weihnachtsgeschäft: "Die November- und Dezemberumsätze haben das Jahresergebnis der ­österreichischen Buchbranche gerettet. Es ist erfreulich, dass das Geschäft zu Jahresende so angezogen hat." Schon in ­Gesprächen mit Buchhändlern sei der Eindruck entstanden, dass es einen wirklich tollen Endspurt gegeben habe. "Ins­besondere die Sachbuchnovitäten österreichischer Autoren haben die Menschen offensichtlich in Kauflaune gebracht. ­Diese Entwicklung gibt jedenfalls Zuversicht für das gedruckte Buch und das stationäre Sortiment in diesem Jahr!"

Knackpunkt Franken-Entwicklung 
Mit schlechteren Zahlen muss ihr Kollege Dani Landolf, Geschäftsführer des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands, leben. Er betrachtet die Entwicklung in seinem Land differenziert: "Das Minus von 5,7 Prozent ist bitter. Gleichzeitig muss ich sagen: Nach der sowohl für die Schweizer Exportfirmen als auch für den hiesigen Detailhandel desaströsen Franken-Aufwertung der Schweizer Nationalbank vor einem Jahr war zu befürchten, dass es noch deutlich schlimmer kommt." Die Gründe für das schlechte Abschneiden seien klar: Der Rückgang sei auf die tieferen Bücherpreise zurückzuführen. Mengenmäßig habe der Buchhandel etwa gleich viel verkauft wie im Vorjahr, so Landolf, der den Buchhändlern Respekt zollt: "Ich ziehe den Hut vor dieser großartigen Leistung!"
Mit Blick auf die Warengruppen haben sich in der Schweiz alle Bereiche verschlechtert. Sogar das Sachbuch, Leser-Favorit in den beiden anderen Ländern, schrieb tiefrote Zahlen (minus 8,6 Prozent). Gleiches gilt für die Belletristik mit minus 4,1 Prozent sowie das Kinder- und Jugendbuch mit einer Differenz zum Vorjahr von 2,4 Prozent (siehe Grafik). Spezielle Lieblingsgebiete hatten die Leser in Österreich. So wurden etwa Bücher aus der Warengruppe Reise mit plus 4,7 Prozent oder auch Naturwissenschaften, Medizin, Informatik, Technik (plus 3,6 Prozent) eifrig nachgefragt.
Ein dreifaches Minus im deutschsprachigen Buchhandel: Dennoch starten etliche Sortimenter hoffnungsfroh ins neue Jahr. Sie haben sich viel vorgenommen und wissen, was zu tun ist.