Branchenparlament

Welche Gefahren birgt der fahrlässige Umgang mit Remittenden und Mängelexemplaren?

24. Juli 2015
von Börsenblatt
Das Branchenparlament, das heute im Frankfurter Goethehaus getagt hat, fordert mehr Sorgfalt beim Handel mit Ware, die sich zum regulären Preis nicht verkaufen lässt. Und diskutierte über den Konzentrationsprozess.
SoA-Vorsitzender Heinrich Riethmüller (Osiandersche Buchhandlung) präsentierte die Ergebnisse einer Umfrage des Sortimenter-Ausschusses, wonach 94 Prozent der befragten Verlage Remittenden wieder einlagern. 38 Prozent geben verkaufsfähige Bücher (inkl. Remittenden) anschließend als Restposten wieder an Händler ab. Riethmüller betonte die Verantwortung der Verlage: "Buchhändler müssen sich darauf verlassen, dass die Ware, die sie von den Verlagen bekommen, auch tatsächlich echte Mängelexemplare sind.“ Verleger Matthias Ulmer (Ulmer Verlag) plädierte in seinem Vortrag für eine deutliche Trennung zwischen echten Mängelexemplaren und „Scheinmängelexemplaren“, also Büchern, deren einziger Mangel ein Stempel im Buchschnitt ist – ein klarer Verstoß gegen die Preisbindung. Außerdem forderte Ulmer eine Diskussion um eine "Mindestbehaltefrist“ für Belletristik im Sortiment, um damit auf die immer weiter sinkenden Lebensdauer von Neuerscheinungen zu antworten. Für alle anderen Titel (bis zum Ladenpreis von 20 Euro) forderte Ulmer die Makulierung: Auch Bücher hätten ein Verfallsdatum, Buchhändler sollten „abgelaufene“ Bücher körperlos remittieren können, in der Papiertonne entsorgen und sollten dafür eine volle Gutschrift vom Verlag erhalten. Wie groß das Problem "unechter“ Mängelexemplare für die Branche tatsächlich ist, darüber gingen die Meinungen im Plenum allerdings auseinander. Während Großantiquar Ernst Nellissen das Thema, gemessen am Gesamtumsatz der Branche, für marginal hält, aber gleichwohl gemeinsame Richtlinien für alle einforderte, warnte Preisbindungstreuhänder Christian Russ davor, das Problem zu unterschätzen: "Alle drei Sparten müssen sich dabei an die eigene Nase fassen." Am Ende der Debatte stand eine "Frankfurter Erklärung", die das Branchenparlament Vorsteher Gottfried Honnefelder übergab. Darin wird noch einmal deutlich gemacht, dass der Handel mit "Schein"-Mängelexemplaren, die erst durch den Stempel zum Mängelexemplar werden, konsequent vom Börsenverein und von den Preisbindungstreuhändern verfolgt werden müsse. Außerdem soll die Börsenvereins-AG PRO, die sich mit der Rationalisierung von Prozessen in der Branche beschäftigt, die Themen Mängelexemplare und Remittenden durchleuchten – etwa die Frage, ob für Bücher unter 20 Euro eine körperlose Remission denkbar wäre. Am Nachmittag ging es im Branchenparlament um den Konzentrationsprozess – und was er für Verlage und Buchhandlungen bedeutet. Dass die Preisbindung die Konzentration hemmt, aber nicht verhindern kann – dieses Fazit zog Argon-Geschäftsführer Henning Stumpp nach einer Analyse der Wettbewerbsfaktoren. Der Detmolder Buchhändler Stephan Jaenicke versuchte dagegen, dem Thema seine "fast mythische Dimension" zu nehmen: Konzentrationsbewegungen seien "ein völlig normaler Marktmechanismus", den andere Branchen längst vollzogen hätten. Der Strukturwandel greife zwar ohne Zweifel tief in die Kultur der Branche ein, treffe vor allem kleinere und mittlere Buchhandlungen: ''Aber wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Windmühlen und die anderen Mauern.''