Buchhändler Klaus Kowalke über Sachbuch-Marketing

Ausgespielt

29. Juni 2017
von Börsenblatt
Buchhändler Klaus Kowalke beobachtet genau, welche Sachbücher bei seinen Kunden ankommen – und hofft, dass Verlage beim Marketing schnell dazulernen. Sein Appell: Beendet den digitalen Gewinnspiel-Marathon!      

Lessing und Kompanie ist eine literarische Buchhandlung – am Sachbuch, vor allem dem erzählenden, kommen wir trotzdem nicht vorbei. Und das würden wir auch gar nicht wollen: Sachbücher spielen bei uns vielleicht nicht ganz so eine große Rolle wie bei anderen, aber sie sind wichtig für uns, sowohl für unser Profil als auch für unseren Umsatz.

Unser meistverkauftes Buch ist derzeit kein Roman, sondern ein Sachbuch, das mit 39,95 Euro sogar eher hochpreisig ist – Leonhard Horowskis bei Rowohlt erschienene fabelhafte Analyse über "Das Europa der Könige". Woher dieses Interesse rührt, kann ich schnell benennen: Wir sind von dem Titel überzeugt, setzen uns als Buchhändler natürlich entsprechend für ihn ein – und hatten den Autor vergangene Woche auch zu einer Lesung zu Gast.

So geht das bei uns oft: Aufmerksamkeit ist nach unserer Erfahrung nichts, was sich bei Kunden von selbst einstellt. Wir sprechen Kunden gezielt auf Themen an, empfehlen ihnen Titel, reden mit ihnen über die Hintergründe, machen Thementische. Im Großen und Ganzen läuft es dabei ähnlich wie in der Belletristik: Nur der Mainstream verkauft sich von allein – Titel, die besonders sind, müssen auch besonders angeboten werden. Unsere Kunden erwarten das, und sie wären irritiert, wenn wir ihnen nur erzählen könnten, was im Klappentext steht. Aufgrund der Menge schaffen wir es zwar nicht, alle Titel zu lesen, bevor wir sie im Laden präsentieren, beschäftigen uns jedoch zumindest mit allen, lesen sie quer und nutzen die zusätzlichen Informationen, die von den Verlagen kommen. Ausnahmslos.

Was Sachbücher noch von uns brauchen, außer den Willen, sich mit ihnen nicht nur oberflächlich auseinanderzusetzen: Ruhe. In den gut zehn Jahren, die es unsere Buchhandlung jetzt gibt, haben wir immer wieder festgestellt, dass viele Titel Zeit benötigen – dass Nachfrage bei unseren Kunden manchmal auch erst Monate nach ihrer Ver­öffentlichung entsteht.

Von aktuellen politischen Themen lassen wir uns deshalb auch nur sehr, sehr selten antreiben, das hätte, wie wir erfahren mussten, auch wenig Sinn: Je ausgiebiger ein Thema in den Medien diskutiert wird, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Kunden noch ein Buch dazu suchen – sie fühlen sich auch so schon umfassend informiert. Die Biografie über den neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron zum Beispiel können wir also gerade ziemlich gut entbehren – dafür gibt es im Moment keine Nachfrage. Aktuelles ist nur abseits der Politik "in", etwa, wenn es Titel sind, die schwerpunktmäßig den Klimawandel behandeln oder die Digitalisierung hinterfragen. Das scheinen Themen zu sein, die Leser einfach sehr stark ansprechen, und das völlig unabhängig davon, wie viel sie dazu schon in den Medien finden.

Last but not least, mit Blick auf meine Kunden noch eine Fußnote: Verlage machen alles richtig – nur leider nutzen sie bis heute im digitalen Marketing, vor allem in den sozialen Medien, die falschen Werkzeuge: Wo Dialog gefragt wäre, bieten sie Gewinnspiele an – haufenweise. Es ist mir ein Rätsel, wieso sie das tun. Aus meiner Sicht fängt man mit Gewinnspielen nur eine bestimmte, zudem kleine Zielgruppe. Jemand, der ernsthaft an Büchern, Themen und neuem Wissen interessiert ist, und das sollte beim Sachbuch ja der Fall sein, wendet sich ab – fühlt sich veräppelt. Gewinnspiele: Das ist eine typische Billigheimer-Masche. Bitte, liebe Verlage: Hört damit auf!